Wohin führt der Weg? Diese Frage stellen sich viele Bachelor-Absolventen nach ihrem Studium. In der heutigen Zeit ist Flexibilität gefragt.
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Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Der "Spiegel" spricht von einem "Massenansturm auf den Master" und einem "Bologna-Tohuwabohu". Die FAZ titelt: "Master-Misere". Die ZEIT beobachtet gar einen "Kampf um die Masterplätze". Ganz anders klingen dagegen die Kommentare aus dem Hause von Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Zwar sei das Angebot an Masterplätzen nicht an jedem Ort und an jeder Hochschule perfekt, räumt eine Sprecherin der Ministerin ein. Grundsätzlich aber sei "die Zahl der Masterstudienplätze ausreichend".
Marianne Ravenstein
Es kommt zwar durchaus regelmäßig vor, dass die Politik und die Medien zu gegensätzlichen Einschätzungen kommen. In diesem Fall aber sieht es so aus, als ob die Journalisten und die Ministerialen über zwei komplett andere Phänomene reden. Was stimmt denn nun? Zu den Fakten: Eine aktuelle und repräsentative Umfrage des Hochschulinformationssystems (HIS) ergab, dass 55 Prozent der Studierenden in Deutschland einen Master-Abschluss anstreben, 27 Prozent erwägen diese Möglichkeit.
Dieser Trend spiegelt sich auch an der Universität Münster wider. 5000 Studierende bewarben sich zum Wintersemester 2010/11 um einen Master-Platz, 1100 von ihnen bekamen eine Zusage. Dabei hatten die Studierenden an der Universiät Münster die Wahl zwischen 62 Masterstudiengängen beziehungsweise den Abschlüssen Master of Arts, Master of Science und Master of Education.
Die 40 zulassungsfreien Master-Programme boten genügend Kapazitäten, sodass sich alle Bewerberinnen und Bewerber einschreiben konnten. Bei den insgesamt 22 zulassungsbeschränkten Master-Programmen war die Nachfrage teilweise deutlich größer als das Angebot, beispielsweise in der Betriebswirtschaftslehre, der Biotechnologie, der Kommunikationswissenschaft, der Psychologie und der Volkswirtschaftslehre. Dabei muss allerdings auch die hohe Zahl an Mehrfach-Bewerbern berücksichtigt werden: Viele Studierende werfen ihren Hut an mehreren Hochschulen in den Ring – wer in Münster leer ausging, bekam vielleicht andernorts den Zuschlag. Lehramtsstudierende genießen in Münster aufgrund der "Spezifika des Modellversuchs" momentan sogar eine Master of Education-Garantie. Die WWU beteiligt sich seit dem Wintersemester 2005/06 am nordrhein-westfälischen Modellversuch der konsekutiven Lehramtsausbildung. Ab dem kommenden Wintersemester endet der Modellversuch, dann gilt für alle Studienanfänger in Lehramtsstudiengängen das landesweit einheitliche Lehrerausbildungsgesetz (LABG).
"Es ist falsch, pauschal von einer allgemeinen Master-Misere zu sprechen."
Es sei daher falsch, pauschal von einer "allgemeinen Master-Misere" zu sprechen, betont WWU-Prorektorin Dr. Marianne Ravenstein. Es gebe "insbesondere bei den besonders stark nachgefragten Masterstudiengängen" die Forderung der Studierenden nach mehr Masterplätzen. "Dafür benötigen die Hochschulen aber natürlich entsprechende Ressourcen und damit zusätzliche finanzielle Mittel vom Land", betont Marianne Ravenstein. Diesem Appell hatten sich in der Vergangenheit sowohl die Hochschulrektorenkonferenz als auch die Landesrektorenkonferenz angeschlossen. Peter Schott, Leiter der Zentralen Studienberatung, rät grundsätzlich allen Interessenten, möglichst flexibel bei der Wahl des Studienortes zu bleiben. "Jeder Master-Interessent sollte sich zunächst fragen, ob er diesen Abschluss wirklich braucht. Sollte er diese Frage mit Ja beantworten, muss er sich unter Umständen auf einen Ortswechsel einstellen." Genau das hatten auch die 29 europäischen Bildungsminister im Hinterkopf, als sie 1999 die sogenannte Bologna-Erklärung unterschrieben. Ziel ist es seitdem, einen „europäischen Hochschulraum“ zu schaffen – vor allem auf Basis eines konsekutiven Systems von Studienabschlüssen. Viele Studenten trauen dem Bachelor allerdings nach wie vor nicht. Zu Recht? Inzwischen liegen zahlreiche Studien über den Stellenwert des Bachelorabschlusses bei potentiellen Arbeitgebern vor, wobei die Ergebnisse der Studien nicht unumstritten sind.
Eine Studie der Fachhochschule Düsseldorf ergab, dass Hochschul-Absolventen mit unterschiedlichen Abschlüssen in neun von zehn Unternehmen gleich behandelt werden. Master-Absolventen erhalten demnach in den meisten Fällen keine schnelleren Aufstiegsmöglichkeiten und kein höheres Einstiegsgehalt als Bewerber mit einem Bachelorabschluss. In Stellenanzeigen wird meist gar nicht nach dem Master, sondern nur allgemein nach einem Hochschulabschluss gefragt. Zudem haben Bewerber mit Uni-Abschlüssen auf dem Arbeitsmarkt keine Vorteile vor Fachhochschul-Absolventen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bestätigt die Ergebnisse der Studie. "Das passt genau zu dem, was unsere Mitgliedsverbände sagen. Praktische Erfahrung, vielleicht kombiniert mit einem Auslandsaufenthalt, ist viel wichtiger als Noten oder eine Abschlussart. Die Art des Abschlusses entscheidet nicht wesentlich über Karriere-Chancen", sagt Irene Seling, BDA-Expertin für Hochschulpolitik.
"Die Art des Abschlusses entscheidet nicht wesentlich über Karriere-Chancen."
Ähnlich argumentiert der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, ein Zusammenschluss von 3000 Unternehmen, Stiftungen und Privatunternehmen. Unter Berufung auf die Studie "Mit dem Bachelor in den Beruf" urteilt der Verband über den Abschluss kurz und knapp: "Gut für den Arbeitsmarkt – aber ausbaufähig." Der Verband regt an, das Lehrangebot innerhalb der Studiengänge besser aufeinander abzustimmen, den Studierenden mehr Freiräume für Praktika einzuräumen und den Praxisanteil der Lehre zu erhöhen.
"Die Zahl der Bewerbungen um die Masterstudienplätze wird deutlich steigen", prophezeit Marianne Ravenstein. Die doppelten Abiturjahrgänge sowie das Aussetzen der Wehrpflicht würden letztlich zum Run auf die Masterplätze führen. Darauf müsse vor allem die Politik reagieren. "Wir brauchen ein Finanzprogramm, um zusätzliche Masterplätze zu schaffen."