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Marie-Christine Wehrmann

Acht Flugstunden liegen zwischen Düsseldorf und Port Harcourt, inklusive Zwischenstopp. Die Reise führt in das bevölkerungsreichste Land Afrikas: Nigeria. Marie-Christine Wehrmann, Promotionsstudentin am Arbeitsbereich Sportpsychologie, hat den Flug bereits zwei Mal angetreten, um die "Pope John Paul Junior Secondary School" im Süden Nigerias zu besuchen.

"Roter Sand mit Palmen", so beschreibt Marie-Christine Wehrmann die Kulisse, vor der die Papst-Johannes-Paul-Schule im Dorf Umunagbor steht. Über das Leben dort erzählt sie: "Ist man zu einem Treffen verabredet, kann es sein, dass erst zwei Stunden später alle Teilnehmer da sind. In Nigeria ist das aber kein Problem, alle nehmen es gelassen hin. Die Schulköchinnen und -köche arbeiten hart, zwölf Stunden am Tag. Sie kochen mit Feuer und Holz für 500 Schüler. Dabei zeigen sie eine unglaubliche Lebensfreude, sie singen und tanzen während der Arbeit."

Auch ein weiterer Unterschied sei augenfällig, berichtet Marie-Christine Wehrmann, die sich ehrenamtlich für den ökumenischen Eine-Welt-Kreis St. Nikolaus in Wolbeck engagiert: Die Kinder wirken zufriedener, selbstsicherer. Und sie bewegen sich viel und gern. Als Sportwissenschaftlerin stellt sie sich die Frage, ob es hier einen Zusammenhang gibt. In ihrer Doktorarbeit untersucht sie, in wie weit sich die körperliche Aktivität von Kindern unterschiedlicher Kulturen, ihre motorische Leistungsfähigkeit und ihre Selbstwahrnehmung unterscheidet – und ob es Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren gibt. Im Fokus steht dabei das freie, spielerische Bewegungsverhalten von Zehn- bis Fünfzehnjährigen – ein Aspekt, der im Gegensatz zum Vereinssport und seinen Auswirkungen bislang kaum untersucht wurde, sagt Marie-Christine Wehrmann.

Die 28-jährige Doktorandin reist im Rahmen ihrer Arbeit mehrfach nach Nigeria, um die Kinder und Jugendlichen dort in regelmäßigen Abständen standardisierte Fragebögen ausfüllen zu lassen und ihre motorischen Fähigkeiten zu testen. Parallel dazu führt sie die gleichen Untersuchungen an einer Schule im Münsterland durch. Die Tests erinnern an ein Sportfest an einer deutschen Grundschule: Die Kinder absolvieren eine Reihe von Stationen, an denen sie zum Beispiel aus dem Stand weit springen, ihre Geschicklichkeit beim Balancieren unter Beweis stellen oder einen Dauerlauf absolvieren.

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Große Sprünge machten die nigerianischen Kinder, besonders im Vergleich zu ihren deutschen Altersgenossen.   

Foto: privat

Schon nach der Auswertung der ersten Ergebnisse zeigen sich deutliche Unterschiede bei der körperlichen Aktivität, wozu beispielsweise der Fußweg zur Schule, Spielen mit Freunden, Schwimmen oder Skaten gehören – und Tanzen, was in Nigeria eine traditionell wichtige Rolle spielt. Nigerianische Schüler bewegen sich fast täglich mindestens eine Stunde lang. Die deutschen Altersgenossen dagegen, so ergab die Umfrage, bewegen sich nur an drei bis vier Tagen in der Woche eine Stunde oder länger. „Die nigerianischen Kinder und Jugendlichen zeigten bei den Tests deutlich bessere Leistungen als die deutschen. Sie sprangen beispielsweise aus dem Stand durchschnittlich 35 Zentimeter weiter und schafften bei einem Sechs-Minuten-Lauf 200 Meter mehr. Insgesamt sind sie wesentlich beweglicher“, berichtet Marie-Christine Wehrmann. "Meine Umfrage hat ergeben, dass sie nicht nur ihre motorischen Fähigkeiten, sondern auch ihre körperliche Attraktivität positiver einschätzen."

Ob zwischen der stärkeren körperlichen Aktivität und der positiveren Selbstwahrnehmung der nigerianischen Kinder und Jugendlichen ein ursächlicher Zusammenhang besteht, will Marie-Christine Wehrmann in weiteren Untersuchungen herausfinden. Im September wird sie daher wieder nach Nigeria aufbrechen. Die Kinder dort erwarten sie bereits. "Die Schüler haben mir einen Namen in ihrer Landessprache gegeben", berichtet die Doktorandin: "Ifeoma – das bedeutet ‚gute Sache‘." 

Christina Heimken