Austausch - auch über soziale Netzwerke

Mehr Austausch wünscht sich die WWU mit ihren Studierenden und Studieninteressierten – auch über soziale Netzwerke.

© Peter Grewer

Wenn die Fans der Football-Mannschaft Texas Longhorns die Hände in die Höhe reißen und dabei Zeige- und kleinen Finger von der Faust abspreizen, signalisieren sie Begeisterung für ihr Team. Nicht nur im sportlichen Kontext nutzt man im mittleren Süden der USA dieses Symbol, sondern zeigt auch die Zugehörigkeit zur Universität von Texas, deren Football-Team die Longhorns sind. "Das Handzeichen, das den Longhorn-Stier, das Maskottchen, darstellt, sieht man häufig auf dem Campus. Es ist ein Gruß, eine Zugehörigkeitsbekundung", erklärt Prof. Manfred Krafft, Direktor des Instituts für Marketing an der WWU. Hinter der Geste habe ursprünglich kein Marketing-Gedanke gesteckt. Heute prangt das Stier-Symbol auf Anziehsachen, Wohnungsdekoration, Schmuck, Besteck und sogar Umstandsmode. Und auch im offiziellen Facebook-Account zeigt die Universität Hörner.

"Ich halte nichts von sozialen Netzwerken. Sie schaffen keine echte Gruppenidentität."

In Sachen Hochschulmarketing und Außendarstellung sind die US-Universitäten ohnehin ein besonderes Beispiel. Nirgendwo sonst vermarkten sich Hochschulen mit einer solchen Vehemenz und derartigem Erfolg. Auch immer mehr deutsche Universitäten haben das Potenzial, das hinter der starken Emotionalisierung steckt, erkannt. Marketing und Präsenz in sozialen Netzwerken gewinnen an Bedeutung. Aber kann und sollte die WWU nach US-amerikanischen Verhältnissen streben oder gar wie ein klassisches Unternehmen Marketing betreiben? Wo liegen die Grenzen? Sind Studierende und Studieninteressierte letztlich umworbene Kunden und Werbeträger zugleich? Fakt ist, dass die deutsche Hochschullandschaft eine andere ist als in den USA. "Das Marketing unterstützt die Uni dabei, ein unverwechselbares Erscheinungsbild zu entwickeln. Ein modernes Corporate Design steigert zum Beispiel den Wiedererkennungswert und leistet einen wichtigen Beitrag zur Identitätsbildung," erklärt Christine Thieleke, Leiterin des WWU-Marketings.

Auch auf anderen Ebenen reagiert die WWU auf die Anforderungen und Entwicklungen der Zeit. "Wir sind seit 2009 in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter aktiv", berichtet Online-Redakteurin Alice Büsch. "Das war zunächst ein Schritt ins Ungewisse. Vor allem, weil wir eine der ersten deutschen Unis waren, die sich bei Twitter und Facebook angemeldet haben. Aber wir wollten bewusst mit den Leuten in den Dialog treten", erläutert sie. Damit setzt die WWU ein Gegengewicht zur "Einbahnstraßen-Kommunikation" klassischer Pressearbeit. Mit der Teilnahme an sozialen Netzwerken stellt sie sich dem öffentlichen Diskurs über unirelevante Themen. Dass sich die Uni mit diesem Konzept auch Kritik aussetzt, die obendrein für jeden öffentlich zugänglich ist, ist Alice Büsch bewusst. "Wir wollen ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe."
Der Erfolg gibt der münsterschen Hochschule recht: Aktuell ist die WWU bei der Mikroblogging-Plattform Twitter die deutsche Hochschule mit den meisten "Followern". Das heißt: Die Kurznachrichten, die die Online-Redaktion versendet, werden von besonders vielen Interessierten abonniert – aktuell sind es 2850. Bundesweit "zwitschern" rund 100 Universitäten.

Jedoch, wo Licht ist, ist auch Schatten: Obwohl die WWU bei Facebook und Twitter vor allem bei den Studierenden gut ankommt, gibt es auch Zweifler und Kritiker. Nicht jeder ist von den Wegen, die im Marketing und in Bezug auf soziale Netzwerke beschritten werden, überzeugt. "Ich halte nichts von sozialen Netzwerken im Internet", betont Prof. Matthias Grundmann, Direktor des Instituts für Soziologie. "Sie schaffen keine echte Gruppenidentität, auch wenn sie das suggerieren. Eine gemeinsame Identität als Mitglieder einer Hochschule kann es nur geben, wenn es gelebte Netzwerke sind." Er ist nicht der einzige, der sich an Facebook und Co. stößt. "Natürlich gibt es zu Recht eine Debatte, zum Beispiel über datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Fragen. Aber als Universität müssen wir uns fragen, ob wir mit unserer wichtigsten Zielgruppe in Kontakt treten wollen. Ist das so, müssen wir ihre Wege mitgehen", urteilt Prof. Volker Gehrau vom Institut für Kommunikationswissenschaft (IfK). Eine Erstsemesterbefragung des IfK unterstreicht diese These: Das Internet – damit auch Facebook und Twitter – ist das zentrale Medium, mit dem sich Studienanfänger und Studenten über Hochschulen und Institute informieren.

Das ist auch der zentrale Gedanke der Online-Redaktion. "Wir sehen Facebook und Twitter hauptsächlich als zusätzliche Informationskanäle für Leute, die sich für uns interessieren. Der Vorteil: Wer uns abonniert, muss nicht aktiv nach Infos suchen, sondern bekommt sie frei Haus. Aber wir schließen damit niemanden aus. Wer nicht bei Facebook oder Twitter ist, kann sich immer noch über unsere Homepage oder persönlich informieren."

"Masse statt Klasse? Mir liegt vor allem die persönliche Interaktion mit den Nutzern am Herzen."

In Sachen Marketing ist der Konkurrenzdruck ungleich höher. "Universitäten bewegen sich immer mehr in Richtung klassischer Unternehmen", resümiert Manfred Krafft. Und das tue im Wettbewerb um die klugen Köpfe des Landes auch Not. Zwar hätten Hochschulen ein kleineres finanzielles Budget, aber dafür in den Studierenden Botschafter, die "sehr effizient ein Leitbild der Uni nach außen tragen können". Für Matthias Grundmann ist gerade das ein Stein des Anstoßes. "Studenten geben Geld aus für WWU-Artikel und laufen dann kostenlos Werbung für die Uni – das ist paradox. Zumal im Marketing keine Leitbilder vermittelt, sondern Konsumhaltungen angesprochen werden. Mit Identität hat das wenig zu tun."

Im Vergleich zu US-Unis halten sich die Ausmaße des Werbens jedoch in Grenzen. "In den USA sind private Stiftungsuniversitäten wie Harvard normal. Wir haben aber eine anders gewachsene Hochschulkultur" betont Manfred Krafft. Will man den Identifikationsfaktor an Zustimmung in sozialen Netzwerken messen, ist das Fazit klar: Rund 250.000 Personen gefällt die Seite der Uni Texas, die WWU kommt auf etwa 4700. Eine besonders hohe Zahl an "Freunden" ist ohnehin nicht das erklärte Ziel. "Masse statt Klasse? Mir liegt vor allem die persönliche Interaktion mit den Nutzern am Herzen", erklärt Alice Büsch.

Hanna Dieckmann


www.facebook.com/wwumuenster