Barrieren

Hürden im Alltag: Auch die Kleinen sind betroffen.

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Die Deutschen ziehen nicht gerne um. Besonders der Westfale bleibt gerne an einem Ort wohnen“, sagt Dr. Peter Neumann. Der Wissenschaftler vom Institut für Geographie erkennt in dieser Vorliebe eine besondere Herausforderung: Die Menschen altern in ihrem Zuhause. Ihre Bedürfnisse verändern sich – und in der eigenen Wohnung tun sich Hindernisse und vielleicht sogar unüberwindliche Hürden auf. "Kein Mensch möchte gerne alt sein oder mit Behinderungen leben. Daher wird der Gedanke daran weggeschoben, und kaum jemand plant sein Haus barrierefrei, wenn er im Alter von 30 Jahren baut."

Die Barrieren aus der Sicht älterer Menschen sind besonders beim Blick in die eigene Wohnung erkennbar – so kann die Treppe zum unüberwindlichen Hindernis werden, und der Einstieg in die Badewanne wird unmöglich. Eine technische Nachrüstung kann einige Schwierigkeiten beseitigen. Häufig erfolgt sie aber erst, nachdem die Betroffenen sich bereits lange geplagt haben. "Das typische Symbol des Alters ist der Treppenlift. Sein Einbau erfolgt meist erst sehr spät und ist vielfach gestalterisch wenig ansprechend und häufig stigmatisierend", berichtet Peter Neumann. Von daher sollte das Thema barrierefreies Bauen möglichst frühzeitig berücksichtigt werden, um gemeinsam mit Experten Lösungen zu finden, die gestalterisch wie auch finanziell attraktiv sind.

Der Geograph beschäftigt sich seit fast 20 Jahren mit den Themen Barrierefreiheit und Design für Alle. Seit drei Jahren ist er an einem Projekt zum Thema „Wohnen im Wandel“ beteiligt. Dadurch sollen unter anderem Mieter und Wohnungseigentümer informiert werden, welche Möglichkeiten zur barrierefreien und komfortablen Gestaltung es gibt. Handwerker, Architekten und andere Dienstleister werden geschult, um Wohnungen noch besser auf die Bedürfnisse der Bewohner abstimmen zu können. "Das Projekt soll den teilnehmenden Dienstleistern neue Marktchancen erschließen und zeigen, dass sich mit dem Thema auch Geld verdienen lässt", sagt Peter Neumann. Er ist unter anderem beteiligt an der Schulung von Handwerkern, Architekten und anderen Planern und führt gemeinsam mit Studierenden empirische Sozialforschung durch, um dem Projekt eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu geben. An dem deutsch-niederländischen EUREGIO-Projekt sind insgesamt zehn Partner beteiligt, darunter die Fachhochschule Münster und die Saxion-Hochschule im niederländischen Enschede. Die Federführung liegt bei der Handwerkskammer Münster.

Auch wenn das Altern ein offensichtliches Beispiel für sich ändernde Ansprüche ist – das Projekt impliziert ausdrücklich alle Generationen. "Nehmen sie das Beispiel einer schwangeren Frau, die sich schlecht bücken kann und die unteren Schränke schlecht erreicht. Oder stellen sie sich einen engen Hausflur vor, in dem ein Kinderwagen kaum Platz hat. Versetzen Sie sich in ein Kind, das nicht aus dem Fenster schauen kann, weil die Brüstung viel zu hoch ist", veranschaulicht Peter Neumann. "In all diesen Situationen würde eine bessere Planung der Wohnung für mehr Komfort sorgen." Manchmal helfen kleinere nachträgliche Bau- oder Einrichtungsmaßnahmen. "Es verbessert aber das Wohngefühl, die eigenen vier Wände bereits von vornherein möglichst komfortabel zu gestalten und solch unterschiedliche Bedürfnisse zu berücksichtigen."

Der Knackpunkt dabei: "Die Verbraucher kennen ihren eigenen Bedarf nicht. Oft denken sie, es sei an ihnen, sich der Umgebung anzupassen. Wir wollen sie aktivieren und ihnen klarmachen, dass es umgekehrt ist", bringt Peter Neumann ein zentrales Ziel des Projektes auf den Punkt. "Wir wollen, dass das Thema für alle attraktiv wird und nicht erst zwangsweise auf den Tisch kommt, wenn Menschen alt geworden sind."

  Christina Heimken