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In der Warteschleife

Praktika nach dem Uni-Abschluss: Was eine WWU-Absolventin erlebte / Career Service hilft mit Tipps


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Eine gute Beratung vor dem Praktikum hilft dabei, Probleme zu vermeiden.

  Foto: WWU

Mancher würde sie um ihren akademischen Lebenslauf beneiden. Ariane Bertrams (Name geändert) hat sowohl ein deutsches als auch ein französisches Diplom in Politikwissenschaft. Nach dem Doppelabschluss hing sie in London einen Master in "International Conflict Studies" an. Und dennoch: Eine feste Anstellung hat die 27-Jährige bisher nicht. Sie gehört zur "Generation Praktikum" – zu den etwa 20- bis 30-jährigen jungen Leuten, die in ungesicherten beruflichen Verhältnissen leben und oft schlecht bis gar nicht bezahlte Praktika absolvieren, um Lücken im Lebenslauf zu füllen. Auch, wenn es darüber hinaus viele Gründe geben mag, ein Praktikum zu absolvieren: Bisweilen werden Studenten und frisch gebackene Absolventen auch ausgenutzt. Ariane Bertrams hat das selbst erlebt.

Über das Internet ist sie auf eine internationale Nicht-Regierungs-Organisation in Berlin gestoßen, die im Bereich der interkulturellen Beziehungen arbeitet und hochkarätige Konferenzen organisiert. "Die Seite sah sehr seriös aus", erzählt Ariane. "Weil ich meine Diplomarbeit über Auswärtige Kulturpolitik geschrieben hatte, schien das genau das Richtige für mich zu sein." Allerdings wurde die Berlinerin schon nach dem Bewerbungsverfahren stutzig: Weder musste sie ein Motivationsschreiben abgeben oder sich persönlich vorstellen, noch wurde ihr ein Praktikumsvertrag zugeschickt. "Ich habe eine E-Mail bekommen, dass ich das Praktikum anfangen könne, wann ich wolle."

"In der Praktikumsvereinbarung sollten die wichtigsten Fragen bereits geklärt sein"

Eine ausführliche Absprache und nach Möglichkeit ein Vertrag mit dem Praktikumsgeber sollten jedoch immer am Anfang eines jeden erfolgreichen Praktikums stehen. "In der Praktikumsvereinbarung sollten die wichtigsten Fragen bereits geklärt sein", klärt Andrea Schröder vom Career Service der Universität Münster auf, die Studierende rund um Fragen zur Berufsorientierung und Praktika berät. "Was sind meine Arbeitsbereiche?", "Wie lange dauert das Praktikum?", "Habe ich ein eigenes Projekt?": Das sind typische Fragen, die in einem Vertrag beantwortet sein sollten. Schröder rät dazu, statt wenig zielgerichtete Praktika aneinanderzureihen, im Vorfeld für sich genaue Vorstellungen zu definieren: "Es geht um Qualität und nicht um Quantität." Sie empfiehlt jedem, erst einmal klar zu definieren, in welchem Arbeitsfeld und in welcher Art von Firma er oder sie sich später sieht. "In einem zweiten Schritt ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, wie man ganz zielgerichtet die passenden Praktika zu seinen Wunschvorstellungen findet." Diese Schritte erarbeitet Schröder gemeinsam mit den Studierenden in ihrer Sprechstunde.

Ariane Bertrams hat trotz der ersten Zweifel ihr Praktikum in Berlin begonnen und hat das schnell bereut. Drei bis sechs Monate wollte sie bleiben. "Ich war eine von 60 Praktikanten im Haus", berichtet sie. Fest angestellt arbeiteten dort nur etwa zehn Leute – Raum für eine angemessene Betreuung war da nicht. "Die Stimmung war schlecht, alle waren frustriert." Hinzu kamen die unbefriedigenden Arbeitsaufgaben, die die Praktikanten zu erledigen hatten. "Bei einer der Konferenzen sollte ich bis nachts Taxifahrerin für die Gäste spielen", kritisiert sie. Die ehemalige WWU-Studentin beschwerte sich deswegen sogar bei ihrem Vorgesetzten. "Da kam nur zurück, dass die Betreuung von Gästen – und damit das Taxifahren – eben auch zur Organisation von Konferenzen gehört."

Genau hier liegt aus rechtlicher Sicht das Problem. Zwar gelten im Prinzip für junge Leute, die freiwillig ein Praktikum absolvieren, die gleichen Kündigungs- und Urlaubsregelungen wie bei Arbeitnehmern in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, jedoch ist deren Status gesetzlich nicht klar definiert. "Ein Praktikum soll berufliche Kenntnisse vermitteln und der beruflichen Orientierung dienen", erklärt Philipp Wagner vom DGB Campus Office, das in Kooperation zwischen dem AStA der Uni Münster und der Gewerkschaftlichen Hochschulgruppe Münster arbeitsrechtliche Erstberatung für Studenten bietet. "Das Lernen muss daher im Mittelpunkt des Praktikums stehen." Dieser Begriff sei für Laien leider jedoch sehr schwammig und führe daher leicht zu Missbrauch von Seiten der Arbeitgeber. Einer Studie des Bundesarbeitsministeriums und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) von 2008 zufolge gab bundesweit nur jeder Dritte an, dass das Lernen beim Praktikum im Vordergrund stand. Außerdem gebe es häufig Klagen über Stress und Überstunden (36 Prozent).

"Andere Praktikanten mussten während der Konferenz das Klo putzen"

Auch Ariane Bertrams hat einen solchen Missbrauch erlebt: "Andere Praktikanten mussten während der Konferenz sogar das Klo putzen", erzählt sie. Beginnt das Lernen also vielleicht auch schon bei Reinigungsarbeiten oder beim viel zitierten "Kaffee kochen"? Das weist Philipp Wagner vehement zurück: "Arbeit, die normalerweise von anderen Arbeitskräften verrichtet wird, darf nicht durch den günstigeren Praktikanten ersetzt werden." Er empfiehlt: "Studenten mit schweren Problemen im Praktikum sollten sich sofort an uns wenden." Auch der Betriebsrat und die Gewerkschaften sind unter Umständen geeignete Ansprechpartner.
 Nach etwa zwei Wochen warf Ariane schließlich das Handtuch. Sie beendete das Praktikum. "Ich bin eigentlich nicht der Typ, der Dinge vorzeitig abbricht und nicht zu Ende führt, aber das hier war einfach inakzeptabel", sagt die ehemalige Studentin. Nun sucht die 27-Jährige weiter nach neuen Job- und Praktikumsmöglichkeiten. Und sie ist nicht allein: Laut DGB-Studie machen fast 40 Prozent der Absolventen nach dem Uni-Abschluss noch ein oder mehrere Praktika. Die Hälfte dieser Praktika ist unbezahlt.

Christina Moebus

www.uni-muenster.de/careerservice