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"Juristen nutzen ähnliche Konzepte"

Wie Prof. Joachim Kurtz das Thema Evolution beleuchtet

Die Graduiertenschule "Evolution" hat bei der Exzellenzinitiative die nächste Runde erreicht und wurde zu einem Vollantrag aufgefordert. Petra Conradi sprach mit dem Sprecher der Initiative "Graduate School of Evolution", Prof. Joachim Kurtz.


Wl 1102 Kurtz

Herr Prof. Kurtz, gab es nach der kleinen Feier im Schloss im Institut noch eine Party?

Nein, dies war ja erst der Vorantrag. Wenn wir den Zuschlag für die Graduiertenschule wirklich bekommen, können wir feiern. Es sind aber viele Mitglieder meiner Arbeitsgruppe zum Schloss gekommen, was mich sehr gefreut hat. Als Sprecher stehe ich im Vordergrund, viele andere müssen mir dafür aber den Rücken freihalten. Ohne Projektmanager Andreas Wessel, der vom Naturkundemuseum Berlin zu uns gekommen ist, wären wir nicht so weit gekommen.


Wieso interessiert Sie das Thema Evolution so sehr?

Die Evolution ist meiner Ansicht nach im Theoriegebäude der Biologie das einigende Dach. "Nothing makes sense in biology except in the light of evolution", hat ein berühmter Evolutionsforscher einmal formuliert. Evolution ist ganz allgemein ein gerichteter Prozess, eine Entwicklung zu einem neuen Zustand. ‚Gerichtet’ meint dabei gerichtet in der Zeit, denn Mutationen haben natürlich kein Ziel. Darwin hat mit seinem Evolutionskonzept aufgezeigt, wie Entwicklung nach den Prinzipien von Variation und Selektion funktioniert.

Darwins Theorie ist also immer noch gültig?

Ja, Darwin lag mit seiner Hypothese goldrichtig. Mit wenigen Einschränkungen gilt sie weiterhin. Allerdings können wir mit den heutigen Methoden der Genetik und Genomik die kausalen Zusammenhänge genauer beschreiben.


… und seine Prinzipien sind auch auf andere Bereiche übertragbar?

Richtig bewusst ist mir das während meiner Zeit am Wissenschaftskolleg in Berlin geworden. Juristen verwenden zum Beispiel ganz ähnliche Konzepte, wenn sie mit Gesetzen umgehen, wie wir Biologen bei der Beschreibung von Naturgesetzen. Das Bewusstsein für Interdisziplinarität als etwas sehr Wertvolles ist in das Konzept für die Graduiertenschule eingeflossen.

Können Natur- und Geisteswissenschaftler überhaupt eine gemeinsame Sprache finden?

Methoden und Begrifflichkeiten sind sehr unterschiedlich, aber es gibt Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel der durch Darwin geprägte Begriff der „Art“, den auch die Philosophie verwendet. In beiden Fällen wird von natürlich vorkommenden Objekten abstrahiert und versucht, sie unter eine Kategorie zu fassen. Die Philosophie hat sich damit viel genauer auseinandergesetzt. Durch den Perspektivwechsel können wir viel voneinander lernen.


Gibt es bereits eine Graduiertenschule mit einem ähnlichen Konzept?

Nein, weder bei der Exzellenzinitiative noch unter Graduiertenschulen im Ausland gibt es ein Projekt zum Thema Evolution mit so einem breiten Ansatz von den Geowissenschaften bis zur Philosophie. Wir möchten zeigen: Es ist möglich und sinnvoll, so hochgradig interdisziplinär zu arbeiten. Sind wir erfolgreich, lässt sich das vielleicht auf andere Themen übertragen.