Hörfunk mit Herzblut
On Air ist die Q-History-Redaktion jeden zweiten Dienstag.
Fotos: Pjer Biederstädt
"On Air in drei, zwei, eins." Die rote Lampe in Studio zwei leuchtet auf. Daniel Meyer, Moderator von "Q History", ist live auf Sendung und führt durch das einstündige Geschichtsmagazin des Campussenders Radio Q. Das sechsköpfige Redaktionsteam verfolgt die Sendung "Wir sind dagegen! Protest und Widerstand" aufmerksam. Gerade läuft das Kernstück des aktuellen Tunesien-Beitrags, das Experten-Interview mit Dr. Jamel Ben Abdeljelil vom Zentrum für religiöse Studien. Als die Abmoderation verstummt, macht sich Erleichterung breit. "In so einer Sendung steckt viel Herzblut. Wenn alles glatt geht, ist man zwar ausgelaugt, aber auch stolz", findet der Chef vom Dienst, Matthias Friedmann. Schließlich ist der Anspruch der seit einem Jahr zusammen arbeitenden Redaktion, "den Spagat zwischen Wissenschaft und Unterhaltung zu vollziehen und dabei aktuelle Themen der öffentlichen Debatte zu historisieren", sagt Philipp Spreckels, der mit Henrik Kipshagen 2010 für "Q History" den Campusradio-Anerkennungspreis der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) nach Münster holte.
"Wir sind komplett unabhängig, die Inhalte bestimmen nur die jeweiligen Redaktionen"
"Q History" ist eine von 20 Sendungen im Programm von Radio Q, dessen Q im Namen sich auf die "quinque campi" bezieht. Also auf die WWU und die Fachhochschulen aus Münster und Steinfurt, die Kunstakademie und die Katholische Fachhochschule, die institutionelle Mitglieder des Sendervorstands sind. Seit 1999 versorgt der studentische Hörfunksender die Stadt mit Informationen rund um die fünf Hochschulen, die studentische Lebenswelt und mit einer Palette vielfältiger Musik abseits des Mainstreams. Während des Semesters sendet die Crew aus drei Studios in der Bismarckallee rund 45 Stunden moderiertes Programm pro Woche. Über den Sendemast auf dem „Mathe-Hochhaus“ in der Einsteinstraße erreicht die dreistündige Morgensendung "Coffeeshop" alle Wohnzimmer des Stadtgebietes. Darin liefert der Sender von acht bis elf Uhr die neuesten Infos über Hochschule, Wissenschaft, Kultur, Lifestyle, Musik und Sport. Ab 18 Uhr laufen die Sendungen des Abendsprogramms auf UKW 90,9 (Kabel 105,3), oder im Live-Stream im Internet.
Hendrik Bußmann
Ob Kultursendung, Medienmagazin, Auslandsjournal oder Wissenschaftsformat – alle Sendungen werden ausschließlich von Studenten entworfen, recherchiert und realisiert. Zu besonderen hochschulinternen Anlässen, wie zum Beispiel Demonstrationen gegen Studiengebühren oder Wahlen des Studierendenparlaments, werden Sondersendungen geschaltet. "Dabei sind wir komplett unabhängig, die Inhalte bestimmen nur die jeweiligen Redaktionen, niemand sonst", betont Hendrik Bußmann, Vorsitzender von Radio Q.
Der Verein ist sowohl für die finanzielle Sicherung – vor allem durch Geld aus Studienbeiträgen – verantwortlich als auch "für die Gewährleistung der Sendelizenz und für die Unabhängigkeit des Programms, das die Transparenz des Hochschulbetriebes fördert", erklärt Prof. Armin Scholl vom Institut für Kommunikationswissenschaft. Der Vertreter der Hochschulen des Senders ist seit 2001 Radio-Q-Vorstandsmitglied. "Die umfassende journalistische und technische Ausbildung erfordert bei derart flachen Hierarchiestrukturen ein hohes Maß an Selbstorganisation. Der Grad der Professionalisierung des Senders ist angesichts rein ehrenamtlichen Engagements bemerkenswert", findet Armin Scholl.
Die senderinterne Ausbildung delegieren Rosi Böhm und Birte Kohring. Wer bei Radio Q mitmachen will, kann entweder die achtwöchige Kompaktausbildung durchlaufen, ein sechswöchiges Praktikum absolvieren oder über eine freie Mitarbeit einsteigen. In den Basisworkshops lernen Neulinge die Grundkenntnisse über das Nachrichtensprechen, werden mit allen technischen Anforderungen vertraut gemacht und in radiojournalistischen Beitragsformen geschult. Pro Semester lernen arrivierte Kräfte des Senders 15 Nachwuchsfunker in der Kompaktausbildung an, die sich dafür fünf Credit-Points im Bereich der allgemeinen Studien anrechnen lassen können. Auch dadurch hat das Campusradio momentan keinen Mangel an Personal, und dennoch verändert sich die Belegschaftsstruktur im Sender zusehends. "Die neuen, stringenteren Studiengänge sorgen für eine höhere Fluktuation, da Bachelor-Studenten oft nach nur sechs Semestern die Stadt verlassen, um andernorts ihren Master zu machen. Die Schwierigkeit besteht nicht in der Akquise neuer Interessenten, sondern darin, diese längerfristig zu halten", beschreibt der 25-jährige Hendrik Bußmann die neue Herausforderung.
"Uni-Radios sind eine Chance, um Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren"
Der Vorstand reagierte bereits auf die neuen Umstände im Ausbildungssender und beschloss die Teilnahme am "Qualitätsmanagement Bürgermedien" (QMB) der LfM, welche auch die Sendelizenz an das Hochschulradio vergibt. "Wir bezwecken damit die Optimierung der Abläufe im Sender und erstellen in einem selbstreflexiven Prozess ein Leitbild, um bei der gestiegenen Professionalisierung und Komplexität im Sender den Wissenstransfer von den alten zu den neuen Mitarbeitern zu erleichtern", erläutert Hendrik Bußmann die Hintergründe für das Bestreben, zum Jahresende als erstes Campusradio Nordrheinwestfalens das Zertifikat der LfM zu erhalten.
Daniela Hermann
Die Lehrzeit bei Radio Q bringt neben lebenspraktischen Erfahrungen auch Qualifikation für den späteren Berufseinstieg mit sich und ist oft der erste Schritt in die große Radiowelt. "Uni-Radios sind eine Chance um Erfahrung zu sammeln und sich auszuprobieren. Um später bei einem kommerziellen Sender zu arbeiten, ist aber die freie Mitarbeit in einem solchen eher der Fuß in der Radio-Tür", berichtet Andreas Kramer, Chefredakteur von Radio Kiepenkerl, aus Erfahrung. Andererseits birgt die beschauliche Q-Schmiede die Gefahr "hier hängenzubleiben", wie Wort-Chefredakteur Sascha Wandhöfer an den zahlreichen Magisterstudenten im Sender festmacht.
Während Sascha Wandhöfer über der Planung und Qualitätssicherung der Textbeiträge brütet, leitet nebenan Daniela Herrmann, Chefredakteurin Musik, die wöchentliche Sitzung der Musikredaktion. In den mit Bandpostern tapezierten vier Wänden beraten die 14 Musikspezialisten über die Neueinsteiger der Woche. Was kommt in die Playlist? Was fliegt raus? Was wird rezensiert? Die Geschmäcker sind verschieden, "aber das ist ja auch die Garantie für Ausgewogenheit in der Musikauswahl", sagt Daniela Herrmann.
In den studentisch heimeligen Räumlichkeiten diskutiert die Q-History-Redaktion über ihre nächste Sendung. Das Thema "Geschichte vor der Haustür" steht schon fest, fehlt nur noch die Absprache über die Einzelbeiträge. Zum Semesterstart müssen die Hörschnipsel spätestens fertig sein, denn dann blinkt für die Historiker wieder jeden zweiten Dienstag um 20 Uhr das rote Licht. "On Air" werden sie weiter von sich hören machen.
Pjer Biederstädt
RADIO Q > Gründung: 1998 als gemeinnütziger Verein |