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„Es fehlt Ausgeglichenheit“

Prof. Volker Gehrau zur Wirkung von TV-Serien

Lassen sich junge Menschen von der Berufswelt in TV-Serien inspirieren? Ja, betont der Kommunikationswissenschaftler Prof. Volker Gehrau, und löste mit seiner Studie ein gewaltiges Medienecho aus. Hanna Dieckmann sprach mit ihm über den "CSI-Effekt", benannt nach einer amerikanischen Krimiserie, die Gründung eines Forschungszentrums und das Fernziel, Storyliner davon zu überzeugen, ein breiteres Berufs-Spektrum darzustellen.


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Prof. Volker Gehrau

Prof. Gehrau, was kritisieren Sie an der Berufsauswahl in Serien?

Vor allem die Unausgeglichenheit – eben dass einige Berufsgruppen fast vollständig fehlen. Der Fokus in beliebten Serien liegt auf speziellen Berufsgruppen. Menschen in Soaps führen oft Kneipen, sind Künstler oder arbeiten im Medienbereich. Einige Berufsfelder tauchen aber fast gar nicht auf. Und daraus könnte das Problem entstehen, dass die entsprechenden Berufe tendenziell in Vergessenheit geraten.

Was lässt sich dagegen tun?

Unser Fernziel ist es, den Kontakt zu Medien zu suchen, damit solche Berufe in Serien vermehrt aufgegriffen werden. Es wäre schön, wenn Storyliner ein bisschen mehr berufliche Varianz in ihre Geschichten bringen würden.


Was war der Anlass für die Studie zur Wirkung von TV-Serien auf die Berufswünsche von Jugendlichen?

Handwerks- und Produktionsberufe klagen über Probleme, qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren. Zudem gelingt es einigen Technischen Universitäten nur schwer, Studienplätze für Techniker und Ingenieure zu besetzen, obwohl in diesen Bereichen Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz und ein gutes Gehalt bestehen. Also lautet unsere Frage: Woran könnte das liegen? Klar ist: Jugendliche können sich nur für Berufe interessieren, die sie kennen. Die Ausgangshypothese war, dass die Medien die Berufsvorstellungen von Jugendlichen prägen, und wir wollten wissen, welche Berufe in TV-Serien häufig dargestellt werden.

Kürzlich haben Sie mit Kollegen der Erziehungswissenschaft und Soziologie das Zentrum für Berufsorientierungs- und Berufsverlaufsforschung gegründet. Was ist der Hintergrund?

Wir wollen die Fragestellung interdisziplinär diskutieren, weil nicht nur die Medien, sondern viele andere Faktoren für Berufswahlprozesse eine Rolle spielen. Unsere Pilotstudie zeigt, dass signifikante Zusammenhänge zwischen dem Konsum von Arzt- und Krankenhausserien und einem Berufswunsch im Gesundheitssektor bestehen. Die Kollegen aus der Erziehungswissenschaft wissen, dass heute viele junge Leute Koch werden wollen. Ob das mit den vielen und populären Kochsendungen zusammenhängt, muss noch wissenschaftlich bestätigt werden. Im Zentrum werden Ideen, die wir zu Fragen von Berufsvorstellungen, Umorientierungen und Brüchen im Berufsleben haben, mit Vertretern anderer Disziplinen durchdekliniert und genauer erforscht.

Sind weitere Kooperationen denkbar?

Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass in den USA deutlich mehr Jugendliche Rechtsmediziner werden wollen, seitdem es Serien gibt, die die Arbeit dieser Berufsgruppe darstellen. Der sogenannte "CSI-Effekt". Forscher aus der Medizin können sicherlich Informationen dazu liefern, ob es bei uns auch ein solches Phänomen gibt. Aber auch Wissenschaftler der BWL, Psychologie, Personaler oder das Arbeitsamt wären interessante Partner für weitergehende Studien. Wir sind offen für jeden, der sich mit diesem Thema beschäftigt.