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Zum Baden an die Nordsee statt in den Skiurlaub?

Wie Geographen nach Strategien für ein nachhaltiges Landmanagement suchen
Wl 1101 Windkraft

Veränderte Umweltbedingungen fordern Wissenschaftler der WWU heraus, neue Strategien für ein nachhaltiges Landmanagement zu entwickeln.

Foto: Institut für Geographie/WWU

Mit dem Klimawandel wird sich in Deutschland für die Menschen vieles ändern. Betroffen werden nicht nur Landwirte sein, die mit größerer Trockenheit oder stärkeren Regenfällen zurechtkommen müssen. Regionen, die stärker von Hochwasser betroffen sind, werden als Wohnort möglicherweise unattraktiver. Touristen könnten sich andere Urlaubsziele suchen: Sollte im Sauerland kein Schnee mehr liegen, fahren sie vielleicht zum Baden an die Nordsee statt in den Skiurlaub. "Die Menschen werden auf die veränderten Umweltbedingungen reagieren müssen. Wir suchen nach Lösungen, um frühzeitig optimale Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln und nicht am Ende ohne Entscheidungsmöglichkeit da zu stehen", erklärt Ulrike Grabski-Kieron. Die Professorin am Institut für Geographie ist mit ihrem Team an dem neuen bundesweiten Verbundprojekt "Climate Change – Landnutzungsstrategien für Deutschland" (CC-LandStraD) beteiligt, das Strategien für ein nachhaltiges Landmanagement in Deutschland entwickeln soll.

Die Projektpartner sind renommierte Forschungseinrichtungen wie das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut oder das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie wollen in dem auf fünf Jahre angelegten Forschungsvorhaben Modelle und Anpassungsstrategien für zukünftige Formen der  Land- und Flächennutzung vor allem in ländlichen Räumen entwickeln sowie Handlungs- und Steuerungsoptionen für die zukünftige Raumentwicklung aufzeigen. Im Fokus des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts stehen einerseits Szenarien und Modellierungen im nationalen Maßstab, andererseits auch zwei Regionen, die als Fallbeispielregionen bearbeitet werden: die Altmark in Sachsen-Anhalt und die Rheinische Börde im Südwesten Nordrhein-Westfalens. Das Verbundprojekt ist in einen internationalen Forschungsrahmen eingebunden.

In ständiger Rückkopplung mit Entscheidungsträgern aus den ausgewählten Regionen sollen Szenarien für eine künftige Landnutzung entwickelt werden. "Es geht nicht um eine Fallstudie im stillen Kämmerlei", betont Ulrike Grabski-Kieron. Projektmitarbeiter Marc Gottwald ergänzt: "Wir wollen auch den Menschen vor Ort wissenschaftlich fundierte Perspektiven ihrer Region aufzeigen, diese in offenen Diskursen erörtern und schließlich Vorschläge bereiten, welche Wege zu einer klimaangepassten Land- und Flächennutzung beschritten werden können. Optionen planerischer Steuerung spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Beispielsweise muss in manchen Regionen berücksichtigt werden, dass der Hochwasserschutz dort künftig eine größere Rolle spielen wird." Bei der Arbeit vor Ort werden die Münsteraner unter anderem durch das Büro "planinvent", einem Ableger des Instituts für Geographie, unterstützt.

Die münstersche Arbeitsgruppe nimmt in Deutschland vorhandene Planungs- und Steuerungsinstrumente unter die Lupe. "Uns stellen sich die Fragen: Reichen die vorhandenen Instrumente aus, um auf die sich verändernden Bedingungen zu reagieren? Oder stehen sie sogar als Hindernis im Wege?", erklärt Ulrike Grabski-Kieron. Setzen beispielsweise das geltende Naturschutz- oder Raumordnungsrecht zu enge Grenzen, wenn es darum geht, Nutzungsänderungen in der Feldflur im Sinne der entwickelten Szenarien und Modelle zu beeinflussen? Wo sind rechtliche Hürden oder Modifikationsbedarfe im System der Steuerungsinstrumente absehbar, wenn es zum Beispiel zukünftig darum gehen muss,  Anlagen zur umweltverträglichen Energiegewinnung auszudehnen? Auf solche und andere Fragen wollen die Münsteraner Antworten geben. "Uns geht es auch darum, für die Klimaanpassung und den Klimaschutz etwas zu bewegen", betont Marc Gottwald. "Und wir wollen auch die an den Entscheidungen beteiligten Menschen vor Ort dazu bringen, mitzuziehen. Schließlich sollen daraus übertragbare Handlungsempfehlungen für andere Regionen entstehen, auch im europäischen Kontext."

Christina Heimken