Ein großes Plus für die Universität
"Es gibt Wissenschaftler, die für Grundlagenforschung brennen. Und es gibt diejenigen, die einen Anwendungsbezug brauchen, um sich für ein Projekt zu begeistern – typische Fraunhofer-Leute", sagt Dirk Prüfer. Der Professor am Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen ist gleichzeitig Direktor der Fraunhofer-Außenstelle an der Universität Münster, die vor Kurzem feierlich eröffnet wurde. Die neue Außenstelle, betont er, schließe eine Lücke in Münster und stärke die Biotechnologie vor Ort. "Wissenschaftsstandorte werden auch nach den dort ansässigen außeruniversitären Instituten bewertet. Insofern bedeutet die Ansiedlung einer Fraunhofer-Außenstelle nach dem Max-Planck-Institut ein großes Plus für die Universität und die Stadt Münster."
Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) in Aachen, Prof. Rainer Fischer, unterstreicht: "Die Gründung einer neuen Außenstelle ist immer etwas Besonderes." Eine Außenstelle berge Wachstumspotenzial. Bei erfolgreicher Forschung und zunehmender Mitarbeiterzahl könne sie zu einem eigenen Standort werden, der in einem separaten Gebäude untergebracht ist. "Im besten Fall entwickelt sich eine Außenstelle am Ende zu einem eigenen Institut mit mehr als 100 Mitarbeitern", erklärt Rainer Fischer.
Die Pflanzen-Biotechnologen der WWU und die Forscher des IME sind nun am Hindenburgplatz 55 unter einem Dach: "Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Forscher kennen sich untereinander. Sie begegnen sich täglich, tauschen sich aus und entwickeln gemeinsame Ideen. Durch die unterschiedlichen Blickwinkel ergeben sich neue Lösungsansätze", erläutert Dirk Prüfer. "Projekte aus der Grundlagenforschung werden mit Anwendungsbezug weitergeführt. Dabei hört der Dialog zwischen den Wissenschaftlern nicht auf." Ein Beispiel für die erfolgreiche Kooperation ist ein laufendes Projekt zur Kautschuk-Gewinnung aus Löwenzahn, das bereits überregional Schlagzeilen gemacht hat. "Bei Fragen zur Verwertung des Kautschuks stoßen wir bei universitärer Forschung an Grenzen, beispielsweise was die Infrastruktur wie Gewächshäuser oder Extraktionsanlagen angeht. Aber auch personell gibt es an einer Universität Limits, wenn es darum geht, Projekte zur Anwendung zu bringen. In Kooperation mit Fraunhofer können solche Vorhaben vorangebracht werden."
Münstersche Biotechnologen um Dirk Prüfer erforschen seit Jahren bestimmte pflanzliche Proteine, die sich wie Miniatur-Muskeln ausdehnen und zusammenziehen können und in der Pflanze dafür sorgen, dass Transportleitungen nach Verletzungen verschlossen werden. Die Forscher wissen, wie der "Muskel-Mechanismus" funktioniert und welche Gene die Informationen für den Aufbau der Proteine tragen. Inzwischen ist auch klar, dass sich diese Proteine in Hefezellen vermehren lassen und in großen Mengen bereitgestellt werden können. Hier kommen die Fraunhofer-Forscher ins Spiel: "Wir wollen diese Proteine für technische Anwendungen maßgeschneidert herstellen", betont Dirk Prüfer. Anwendungsmöglichkeiten sind beispielsweise "Lab-On-Chip"-Systeme – Analysesysteme, mit denen sich geringste Mengen von Flüssigkeiten einfach untersuchen lassen. Denkbar ist auch der Einsatz der Proteine im medizinischen Bereich, um beispielsweise Wirkstoffe aus Nanokapseln über feinste Kanäle gezielt abzugeben.
"Ich sehe für Studierende die Möglichkeit, Fraunhofer als Sprungbrett zu benutzen"
Die neue Fraunhofer-Außenstelle bietet nicht nur Wissenschaftlern, sondern auch Studierenden neue Möglichkeiten. Angehende Biologen können Erfahrungen in der industrienahen Forschung sammeln. "Das sind wir unseren Studierenden schuldig. Wir wissen, dass längst nicht alle in der Wissenschaft eine Beschäftigung finden. Gerade diejenigen, die den Schwerpunkt Biotechnologie wählen, gehen nach ihrem Abschluss meist in die Industrie. Die dort gefragten Fähigkeiten sind ohne Praxisnähe zum Teil schwer zu vermitteln – hier hilft die anwendungsbezogene Forschung der Fraunhofer-Institute", sagt Professor Prüfer. Ein anderer Aspekt: Exzellente Studierende, die es in die Industrie zieht, seien nach ihrem Abschluss für die Universität oft verloren. "Die Möglichkeiten, die uns die enge Kooperation mit Fraunhofer nun bietet, mag vielleicht eben diese Studierenden überzeugen, doch noch für eine Doktorarbeit oder Postdoktorandenzeit an der WWU zu bleiben", hofft Dirk Prüfer. "Ich sehe für Studierende die Möglichkeit, Fraunhofer als Sprungbrett zu benutzen – und für die Universität Münster die Chance, noch mehr kluge Köpfe in den eigenen Forschungs- und Lehrbetrieb einzubinden."
Christina Heimken
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FRAUNHOFER |
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Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die größte Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa. Sie betreibt 59 Fraunhofer-Institute an Standorten in ganz Deutschland, dazu kommen Niederlassungen in Europa, den USA, Südamerika, Asien und im Nahen Osten. An der neuen Außenstelle des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie an der Universität Münster arbeiten derzeit 15 Wissenschaftler. |