|
muz

Vom Labortisch ans Krankenbett

Grundlagenforscher und Kliniker vernetzen sich
Wl 1101 Michael Schaefers

Prof. Michael Schäfers

Es sind vor allem die großen Volkskrankheiten, die die Kosten unseres Gesundheitssystems beständig in die Höhe treiben. Beispiel Herz- und Gefäßerkrankungen: Sie sind in Europa für die Hälfte aller Todesfälle verantwortlich. Die wichtigste Ursache ist Arteriosklerose. Fette, Kalk und Entzündungszellen lagern sich im Lauf der Jahre in den Gefäßwänden an und bilden dort die so genannten Plaques. "Mit Hilfe von Angiographie oder Computertomographie können wir uns die so entstandenen Verengungen in den Gefäßen anschauen. Sie erlauben uns jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf das individuelle Risiko eines Patienten, bei Fortschreiten der Erkrankung einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden", erläutert Prof. Michael Schäfers. Der Wissenschaftliche Koordinator des Sonderforschungsbereichs 656 "Molekulare kardiovaskuläre Bildgebung" (SFB 656 MoBil) ist zugleich einer der beiden Direktoren des "European Institute for Molecular Imaging" (EIMI).

"Einem Teil unserer Patienten droht nach erfolgreicher Therapie ein Rückfall"

Zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt es, wenn die Deckschicht der Plaques reißt. Und daran sind Entzündungszellen entscheidend beteiligt: Sie lassen die Ablagerungen porös werden. "Um dies zu erkennen, müssen wir in die Gefäßwand hineinschauen", so Schäfers weiter. Die Chemiker im SFB 656 MoBil und am EIMI entwickeln dazu radioaktiv markierte Spürstoffe, so genannte "Tracer". Diese werden ins Blut gespritzt und docken an Moleküle im entzündeten Gewebe an. Mit PET-CT, einer Kombination aus Positronen-Emissions- und Computertomographie, werden die Tracer und somit die Entzündungsherde im Körper sichtbar gemacht. Den Mathematikern und Informatikern im Forschungsverbund kommt die Aufgabe zu, die Messdaten so aufzubereiten, dass den Ärzten am Ende für ihre Diagnostik mehrdimensionale Bilder am Monitor zur Verfügung stehen. Hier kommt Grundlagenforschung auf kurzem Wege den Patienten zugute. Vergleichbare Verfahren werden zur Früherkennung von Krebserkrankungen eingesetzt.

Wl 1101 Johannes-roth

Prof. Johannes Roth

Neben den großen Volksleiden widmen sich Münsters Gesundheitsforscher auch eher seltenen Erkrankungen. Ein Beispiel ist das Rheuma bei Kindern. Etwa eines von 10.000 Kindern ist betroffen. Als Pädiater kennt sich Prof. Dr. Johannes Roth mit den Symptomen und Krankheitsverläufen der Juvenilen idiopathischen Arthritis, wie die Erkrankung in der Fachsprache heißt, bestens aus. Als Forscher und Direktor des Instituts für Immunologie untersucht er mit seinem interdisziplinären Team die Ursachen der Erkrankung und arbeitet an einer Verbesserung der Therapien. Beim Rheuma handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das körpereigene Abwehrsystem attackiert das eigene Gewebe, was eine Art Dauerentzündung zur Folge hat.

"Einem Teil unserer jungen Patienten droht nach erfolgreicher Therapie ein Rückfall. Daher wurde bislang allen empfohlen, nach Abklingen der akuten Symptome vorbeugend noch etwa ein Jahr lang Medikamente einzunehmen", erklärt Johannes Roth. "Mit einem von uns entwickelten, neuen Entzündungsmarker können wir solche Rückfälle jetzt jedoch früh erkennen und vielen Kindern mit einem von uns entwickelten Test weitere Therapien ersparen."

Ein enormer Fortschritt, denn die Medikamente können starke Nebenwirkungen haben. Von der Identifizierung des auslösenden Gens über die Entwicklung des diagnostischen Tests bis hin zur multizentrischen Studie, an der mehr als 30 Länder teilgenommen haben – "from bench to bedsite", vom Labortisch bis zum Krankenbett wurden alle Entwicklungsschritte  von Wissenschaftlern des Instituts vollzogen. Und dies ist nur einer von vielen Erfolgen der Arbeitsgruppe. In den vergangenen acht Jahren wurde sie mit sechs europäischen Forschungspreisen ausgezeichnet. Auch laufen bei Johannes Roth als Koordinator des Netzwerks "Autoinflammatorische Syndrome im Kindes- und Jugendalter" (AID-Net) bundesweit auf diesem Forschungsgebiet sämtliche Fäden zusammen.


Künftig sollen die münsterschen Naturwissenschaftler und Mediziner, Grundlagenforscher und Kliniker räumlich noch enger zusammenrücken. Neben dem Campus für die Zellforschung zwischen Von-Esmarch-Straße und Mendelstraße wird es zwei weitere Areale geben, wo sich die biomedizinische Forschung konzentriert: Als erster Schritt der Umsetzung eines gemeinsamen Masterplans von Medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum wurde im Januar 2011 der Grundstein für das PAN-Zentrum gelegt: Der auf 45 Millionen veranschlagte Neubau am Vesaliusweg wird den Mitarbeitern der Institute für Pathologie, Anatomie und Neuropathologie modernste Arbeitsbedingungen bieten. Ein weiteres Gebäude mit Forschungslaboren soll am Coesfelder Kreuz entstehen.

Petra Conradi