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Als Avatar im Hörsaal

Gute und innovative Lehre: Der Trend geht zum aktivierenden Lernen

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Uni mal anders: Stefan Stieglitz hält als erster WWU-Professor Vorlesungen in "Second Life".

Foto: Peter Grewer

Als Stefan Stieglitz vor einigen Monaten zum ersten Mal zu einem Seminar in "Second Life" einlud, spürte er schnell, dass unter seinen Studenten die Skepsis überwog. Neugier hin, Experimentierfreude her - nur die wenigsten Teilnehmer wussten anfangs mit der Idee des Juniorprofessors für Wirtschaftsinformatik etwas anzufangen, eine Veranstaltung zum Thema Existenzgründung außerhalb der realen, sondern in der virtuellen Welt von "SL" zu besuchen. "Aber es funktionierte erstaunlich gut", betont Stefan Stieglitz.

Mit einem Headset vom Schreibtisch aus diskutierte der Experte für Kommunikations-Management gemeinsam mit internationalen Fachleuten und seinen Studierenden, gleich wo sie sich in diesem Moment aufhielten – sie loggten sich als "Avatare" visualisiert ein, und stellten ihre Fragen. "Dies kann sinnvoll für Lernszenarien eingesetzt werden, da Interaktion in besonderer Weise unterstützt wird", berichtet Stefan Stieglitz. Die Studierenden fanden es jedenfalls mehrheitlich "einfach cool".

"Wie kommt das Gute in die Lehre?"

Und so cool soll es weiter gehen. Sogar mit einer lupenreinen Premiere: Auch im Sommersemester 2011 wird Stefan Stieglitz als erster WWU-Professor die virtuelle Welt "Second Life" in seine Vorlesung integrieren. "Derzeit ist es ein ergänzender Ansatz, der selbstverständlich nicht die vielen Vorteile einer klassischen Präsenz-Veranstaltung ersetzen kann", unterstreicht er. "Aber ich bin davon überzeugt, dass diese Technik an Bedeutung gewinnen wird. Vor allem, wenn es darum geht, Universitäts-übergreifende Kurse anzubieten."

Stefan Stieglitz‘ Schritt in die Zukunft passt zu einem Trend in einer mehr und mehr digitalisierten Welt: der verstärkten Suche nach neuen, modernen, innovativen und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Lehrformen. In den USA sind beispielsweise Video-Vorlesungen der große Renner. Zehntausende Amerikaner reichern ihr Wissen regelmäßig auf "Youtube Ed"“ an – einem speziellen Portal, in dem hunderte von amerikanischen Universitäten hochgeladene Videos bereitstehen. Lehrvideos deutscher Universitäten sind dagegen eine Rarität. Noch.

Gleichwohl sind die deutschen Hochschulen fest entschlossen, auf ihrem Weg zu einer möglichst exzellenten Lehre Gas zu geben. Erstes Beispiel: der Wettbewerb "Bologna – Zukunft der Lehre", bei der die WWU mit der Vorstellung des "Netzwerks Exzellenz der Lehre in den Biowissenschaften" bis in die Endrunde kam. Zweites Beispiel: Die Alfred-Toepfer-Stiftung hat die Initiative „Lehren“ ins Leben gerufen. Eine Gruppe von 32 deutschen Experten ist angetreten, um zukunftsweisende "Impulse zur wissenschaftlichen Lehre" zu geben. Für die WWU nimmt Jutta Rach teil. Auch sie sucht Antworten auf die entscheidende Frage: "Wie kommt das Gute in die Lehre?"

Drittes Beispiel: Bund und Bundesländer schütten für einen "Qualitätspakt Lehre" bis 2020 rund zwei Milliarden Euro an die 240 bundesdeutschen staatlichen Hochschulen aus. Ein Pakt, drei Ziele: Mit den Millionen will die Politik vor allem eine bessere Personalausstattung vom Professor bis zum Tutor, eine intensive Lehr-Weiterqualifizierung aller Lehrenden und die Entwicklung neuer Lehrformen fördern. Auch die Universität Münster wird am 18. Februar einen 25-seitigen Förderantrag einreichen.

Die Schnittmenge all dieser Bemühungen und Beispiele ist bereits jetzt zu erkennen. „Der Trend geht zum aktivierenden Lernen, zum aktiven Studenten, der nicht nur zuhört, sondern anhand eines konkreten Falls selbstständig Lösungen erarbeitet“, meint Jutta Rach. Die klassische Vorlesung - eine „aussterbende“ Form? Tatsächlich sprechen schon heute viele Professoren vorzugsweise von einer „Motivations- und Informationsveranstaltung“, in der sie keine Lösungen vorgeben, sondern die Studierenden dahin lenken, allein zu einer Erkenntnis zu gelangen.

"Das Stopf-Lernen hat ausgedient"

Das passt auch zu den Zielen, die Birgit Hennecke und ihr neunköpfiges WWU-Team "Qualität der Lehre" verfolgen. "Wir wollen die Verantwortlichen der Fächer bei der Entwicklung von Studiengängen unterstützen, in denen es um selbstverantwortliches Lernen geht – das Stopf-Lernen hat ausgedient." Mehr verpflichtende Praktika, stärkere Beteiligung von Praxisvertretern und Alumni, eine Fokussierung auf forschendes Lernen, mehr und variable Prüfungsformen, mehr Freiheiten für Mobilität: All diese Instrumente sollen dazu dienen, die "Idee der Kompetenzorientierung" zu etablieren. In Zukunft ist demnach nicht mehr die Wissensmenge an sich das entscheidende Kriterium, sondern vielmehr die vom Ende des Studiums aus gedachte Frage: Was muss ein Studium bieten, damit der Absolvent die im Berufsleben erforderlichen Fähigkeiten erwirbt? "Es geht darum, Kompetenzen und Wissen zu vermitteln – die Mischung macht’s", betont Jutta Rach.

Norbert Robers