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Alte Schätze digital konserviert

Die ULB digitalisiert wertvolle Bücher und Schriften
Wl 1006 Ulbscanner

Wertvolle, historische Schriften treffen neueste Technik: Hartmut Tombrock, Mitarbeiter der ULB, digitalisiert gleichsam vom Verfall bedrohte wie auch stark nachgefragte Bücher und Schriften. 

Foto: Peter Grewer

"Unsere Goldmine liegt im Keller", sagt Prof. Ulrich Schmid vom Institut für neutestamentliche Textforschung. Die Wissenschaftler horten jedoch kein Edelmetall, sondern haben rund 5000 Mikrofilme in ihrem Archiv. Darauf sind wertvolle historische Handschriften des Neuen Testaments fotografisch konserviert. Wissenschaftler aus der ganzen Welt reisen nach Münster, um diese Schriften zu studieren. In Zukunft sollen sie die Aufnahmen von zu Hause aus erforschen können: per Internet.

"Die Erwartungshaltung hat sich geändert – die Menschen wollen von ihrem Arbeitsplatz aus auf wissenschaftliche Literatur zugreifen – auch auf historische", sagt Dr. Stephanie Klötgen von der Abteilung "Digitale Dienste" der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB). "Durch eine Digitalisierung können wir das Internet als modernes Kommunikationsmittel nutzen. Wissenschaftler können weltweit auf die digitalen Kopien zugreifen. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen ihnen stark vereinfacht."

Die Entscheidung, was digitalisiert wird, folgt drei Prinzipien: Zunächst gilt die Orientierung an der Nachfrage – werden Schriften häufig benötigt, lohnt es sich, sie digital vorzuhalten. Des Weiteren werden kostbare oder vom Verfall bedrohte historische Bücher und Schriften digitalisiert. Damit wird nicht nur deren Inhalt für die Nachwelt konserviert. Auch das Original wird geschont – zur Bearbeitung der meisten wissenschaftlichen Fragestellungen reicht die digitale Kopie. Ein dritter Aspekt ist die gezielte Bestandsergänzung: Die ULB kann auf digitalem Wege seltene Handschriften oder historische Drucke in ihren Bestand aufnehmen, die im Original nicht in Münster vorhanden sind.

"Man muss sich von der Illusion freimachen, dass mit der Digitalisierung keine Arbeit verbunden ist", gibt Reinhard Feldmann, Leiter des Dezernats "Historische Bestände" der ULB, zu bedenken. Das Einscannen möglicherweise hunderter Buchseiten ist nicht nur zeitaufwendig. Die Bibliothekare müssen auch beurteilen, welche Schriften Priorität haben. Ein Abgleich mit den Beständen anderer Bibliotheken soll vermeiden, dass eine Digitalisierung des gleichen Objektes mehrfach erfolgt. Nach der Digitalisierung geht die eigentliche Arbeit los: Die Daten müssen je nach Zweck in das richtige Speicherformat gebracht, katalogisiert und den Nutzern über das Internet zugänglich gemacht werden. Hinter allem muss eine umfassende und funktionierende technische Infrastruktur stehen, die eine dauerhafte Speicherung auch sehr großer digitaler Datenmengen garantiert. Die ULB kooperiert hier mit dem Zentrum für Informationsverarbeitung, um die Datensicherheit zu gewährleisten.

Das Institut für neutestamentliche Textforschung hat vor drei Jahren ein ambitioniertes Projekt gestartet: den virtuellen Handschriftenlesesaal. Handschriften des griechischen Neuen Testaments werden zunächst digitalisiert und dann Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt. Die Bilder werden kommentiert und nutzbar gemacht. Beispielsweise werden Kapitelanfänge gekennzeichnet, Transkripte – soweit verfügbar – eingestellt und um wissenschaftliche Analysen und Kommentare ergänzt.

Auch Professor Schmid weist auf Probleme hin, die mangelndes Problembewusstsein bei der Digitalisierung mit sich bringen kann. "Liegen die digitalen Kopien auf fremden Servern, ist man darauf angewiesen, dass die Projektpartner eine dauerhafte Verfügbarkeit der Bilder im Netz garantieren. Das klappt nicht immer. Daher ist unser Bestreben, möglichst viele Bilder selbst ins Netz einzustellen, um die Verfügbarkeit zu gewährleisten. In Kooperation mit der ULB funktioniert das sehr gut."

"Mit unserem alten Scanner benötigten wir für 400 Bilder zehn bis zwölf Stunden"

Nicht alle Wünsche können bei der Digitalisierung erfüllt werden. In vielen kleinen Bibliotheken  ist die Technik das Hauptproblem – Mitarbeiter sind oft nicht geschult und verfügen auch nicht über die nötige Ausrüstung, um Bestände zu digitalisieren. Auch die Qualität von digitalisierten Schriften lässt manchmal zu wünschen übrig. Die ULB baut daher ihren Bereich Digitalisierung seit rund zwei Jahren aus. Was die Qualität angeht, orientiert sie sich dabei an den Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Mittlerweile gibt es hier leistungsstarke Scanner, mit denen Bücher, Dokumente und sogar historische Landkarten in den verschiedensten Größen – bis zum Posterformat – in hoher Auflösung digitalisiert werden können. Durch die spezielle Ausrüstung ist gewährleistet, dass wertvolle historische Bücher dabei nicht beschädigt werden. Die Geräte stehen allen Instituten der WWU zur Verfügung – ebenso wie das Wissen der ULB-Mitarbeiter, die Angehörige der Fachbereiche im Umgang mit der digitalen Technik schulen.

Zu der Ausstattung der ULB gehört seit Neuestem auch ein automatischer Mikrofilm-Scanner, den die Textforscher demnächst für die Digitalisierung ihres "Goldschatzes" nutzen wollen. "Mit unserem eigenen alten Scanner benötigen wir für die Digitalisierung von 400 Bildern ungefähr zehn bis zwölf Stunden", erinnert sich Ulrich Schmid. Der neue Scanner in der ULB schafft im Idealfall rund 150 Bilder pro Minute.

Christina Heimken