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Der geheimnisvolle Bund fürs Leben

Über das Für und Wider von Studentenverbindungen: Zwei Menschen, zwei Meinungen

Wenn Kristian die Zeit zurückdrehen könnte, er würde alles noch mal genauso machen. Er würde von Arnsberg aus nach Münster fahren, würde das Weinfest im Garten des Verbindungshauses an der Kampstraße 10 besuchen und dabei erste Kontakte knüpfen. Ein paar Monate später würde er genau dort ein Zimmer beziehen, sein Studium beginnen und schließlich Mitglied im Katholischen Studentenverein (KStV) Markomannia werden. "Wieso auch nicht?", sagt Kristian. "Das hat mir den Start in Münster erleichtert."

"Man lernt, Verantwortung zu übernehmen. Das trägt zur Persönlichkeitsbildung bei"

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Kristian Suur-Nuuja

Foto: Peter Grewer

Kristian Suur-Nuuja ist 20 Jahre alt, studiert im dritten Semester den Studiengang "Politik und Recht“ und ist ein Fux, ein Neuling in einer Studentenverbindung. In diesem Semester steht für ihn die Burschung an, also die Aufnahme als Vollmitglied. Es ist der nächste Schritt in einer Mitgliedschaft, die fürs Leben geschlossen wird. Ein so genannter Lebensbund. Erst Fux, dann Bursche, schließlich Alter Herr. Wer mag, kann zwischendurch Ämter und Wartsposten übernehmen. "Dabei lernt man Verantwortung zu übernehmen, Dinge zu organisieren. Das trägt zur Persönlichkeitsbildung bei," sagt Kristian

Bevor Kristian Bursche wird, muss er sich einer Prüfung unterziehen, zeigen, dass er sich mit den Prinzipien der Studentenverbindung  auseinandergesetzt hat: Religion – Wissenschaft – Freundschaft.  Kristian kennt das Leitbild der Markomannen und nimmt am Verbindungsleben aktiv teil. "Dazu gehören Kneipen und Kommerse", erklärt er. Also Feiern, die nach festen Regeln ablaufen, wie etwa das Singen des Bundesliedes, Ansprachen und Begrüßungen. Für das Präsidium der Verbindung gilt dabei eine Kleiderordnung: Anzug, eine Schärpe in Verbindungsfarben, ein kleiner Hut, der sich Paradecerevis nennt, als Kopfbedeckung.

 VERBINDUNGEN

> Es gibt in Münster über 30 aktive Studentenverbindungen
> darunter sind sechs schlagende Verbindungen, eine Damen-Verbindung und zwei gemischte Verbindungen
> Üblich sind drei Verbindungsfarben
> Insgesamt gibt es in Deutschland 1380 Korporationen auf 151 Städte verteilt
> Die meisten Mitglieder in Münster hat der KStV Markomannia.

Kristian hat sich für eine nicht schlagende Verbindung entschieden. "Mir war wichtig, dass ich hinter dem Gedankenbild stehen kann." Bei den Markomannen hatte er keine Bedenken.  Es ist die größte Verbindung in Münster mit rund 60 aktiven, ausschließlich männlichen Mitgliedern und einer großen Gruppe Alter Herren, die nicht mehr studieren und die Aktivitas finanziell unterstützen. Das Verbindungshaus, die Feiern, die günstigen Mieten für die elf Wohnräume:  "Das wäre ohne die Alten Herren nicht möglich." Auch Kristian ist später gerne bereit, junge Markomannen zu unterstützen. "Ich profitiere ja gerade selber davon. Wieso soll ich das also nicht irgendwann zurückgeben?" Mit Kaderschmiede und Elitebildung, also den Vorurteilen, denen sich Studentenverbindungen häufig ausgesetzt sehen, hat das seiner Meinung nach nichts zu tun. "Es ist ein funktionierender Generationenvertrag", erklärt Kristian, "sonst nichts."

Zu den Skeptikern in Sachen Studentenverbindung zählt Jana Rothhardt. Die 23-Jährige studiert Spanisch und Politikwissenschaft und wohnt wie Kristian im Kreuzviertel, allerdings in einer Wohngemeinschaft (WG). Viel größer könnte der Gegensatz zum Verbindungshaus der Markomannen nicht sein: Statt schicker brauner Ledersofas stehen in der Gemeinschaftsküche ausrangierte Autositze, statt eines goldenen Verbindungssymbols  hängen an der Wand Fotos der WG-Mitglieder und bunte Postkarten.

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Jana Rothhardt

Foto: Peter Grewer

"Als ich mit dem Studium begonnen habe, wusste ich fast nichts über Studentenverbindungen", erklärt Jana. Damals glaubte sie noch, dass beinahe alle Verbindungen schlagend seien. Das liegt wohl auch daran, dass meist die extremen Gruppen in den Medien auftauchen." Ein Freund erklärte ihr irgendwann den Unterschied. Und trotzdem: "Mir ist das alles suspekt. Die ganzen Bräuche sind doch total überholt. Damit kann ich einfach nichts anfangen", sagt sie. "Mag sein, dass manches davon nicht stimmt, aber an Vorurteilen ist eben oft auch etwas dran."

Jana hat oft darüber nachgedacht, woher die geheimnisvolle Aura kommt, die Studentenverbindungen umgibt. "Ich schätze es liegt daran, dass sich die Mitglieder selbst genug sind. Die hocken ständig zusammen, suchen selten den Kontakt zu anderen." Trotzdem ist es der Gemeinschaftsgedanke, den Jana an Verbindungen am meisten schätzt. Allerdings glaubt sie auch, dass man dafür nicht in einer Verbindung sein muss. "Ich habe hier auch jede Menge gute Freunde gefunden - ohne in einer Verbindung  zu sein."
Kristian kennt die Vorurteile, ist auch schon auf Skeptiker gestoßen. "Aber das ist meist Unwissenheit", sagt er. Um damit aufzuräumen hat er schon viele Freunde und Kommilitonen ins Verbindungshaus und zu Kneipen und Kommersen eingeladen. "Die haben sich hier immer absolut wohl gefühlt und hatten am Ende eine andere Meinung über Studentenverbindungen."

Alice Büsch

Menschen sind auf Beziehungen angewiesen