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Wissenschaftliche Heimat für den Islam

Warum Bund und Länder Zentrums-Aufbau fördern

Die allwöchentliche Rektoratssitzung war in vollem Gang, als Rektorin Prof. Ursula Nelles um kurz vor zehn Uhr eine kurze Pause nutzte, um allen Teilnehmern die mit Spannung erwartete und letztlich gute Nachricht zu übermitteln. "Jetzt steht es fest", sagte sie, "die Universität Münster ist tatsächlich eine von bundesweit drei deutschen Hochschulen, an denen mit Mitteln des Bundes Islamische Zentren entstehen." Kurze Freude rund um den Konferenztisch, zu mehr blieb jedoch an diesem Donnerstag keine Zeit.

Wenige Minuten zuvor hatte Bundesforschungsministerin Annette Schavan in Berlin mit Münster, Osnabrück und Tübingen die lange geheim gehaltenen Namen der Universitäten bekannt gegeben: In den kommenden fünf Jahren werden an diesen Standorten mit jeweils bis zu vier Millionen Euro Forschungsprofessuren, Mitarbeiter und Nachwuchsgruppen finanziert. Die WWU war aus Sicht der CDU-Politikerin offenbar von Beginn der Auslese an erste Wahl. "Münster ist ein starker Standort theologischer und religionsbezogener Forschung und Lehre", betonte Annette Schavan im Gespräch mit "wissen.leben". Die Universität biete damit "großes Potenzial für den Akademisierungsprozess der islamischen Studien".

Mit eben dieser Islam-Akademisierung verbindet die Politik, speziell Ministerin Schavan, große Hoffnungen. Der verstärkte theologische Diskurs an den deutschen Hochschulen soll wesentlich dazu beitragen, dass die mindestens 700.000 muslimischen Kinder in Deutschland auch an staatlichen Schulen Religionsunterricht erhalten, und dass die mehr als vier Millionen Muslime "in unserer Gesellschaft beheimatet sein können". Für die muslimischen Kinder sei es "von großer Bedeutung, ihre Religion und die damit verbundenen Werte kennen zu lernen, um ihre Position als Muslime in Deutschland zu finden". Zudem sei es sehr wünschenswert, dass an den drei Islam-Zentren auch Imame ausgebildet würden. Damit könnten Religionsgelehrte aus den Reihen der deutschen Muslime in den vielen Moschee-Gemeinden tätig seien. Ein großer Integrationstag-Tag für Deutschland also - so hofft zumindest die Christdemokratin Schavan.

Die NRW-Landesregierung, die im zu Ende gehenden Auswahlverfahren auf politischer Bühne noch einmal Werbung für den Standort Münster machte und eine zusätzliche Förderung über 500.000 Euro ankündigte, sieht sich bestätigt. "Mit dem neuen Institut bekommt der Islam in Nordrhein-Westfalen eine wissenschaftliche Heimat", teilte Forschungsministerin Svenja Schulze am Tag der Entscheidung mit. Im Gespräch mit "wissen.leben" hob die Sozialdemokratin zudem hervor: "Mit der Entscheidung wurde wahrgenommen, dass Münster ein exzellenter Standort für theologische Forschung und eine exzellente Universität ist. Dass dieser theologische Schwerpunkt mit der Förderzusage noch ausgeweitet wird, finde ich fantastisch."

Mit Blick auf den mitunter holprigen Weg der Integration in Deutschland sieht NRW-Sozial- und Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) in der Ausbildung von Religionslehrern und Imamen eine wichtige Voraussetzung, "um den Islamunterricht von den Hinterhöfen an die Schulen zu holen."

Für die WWU bedeutet der Zuschlag eine Anerkennung und Bestätigung der bisherigen Anstrengungen und Leistungen bei der Ausbildung islamischer Religionslehrer. Schließlich war es die Universität Münster, die am "Centrum für Religiöse Studien" (CRS) im Jahr 2004 die bundesweit erste Professur für die "Religion des Islam" installierte. Auf den sechsjährigen Erfahrungen will die Hochschule aufbauen, wenn es in den kommenden Monaten darum geht, die eigenen Stärken am Standort Münster auszubauen und gleichzeitig ein Kooperationskonzept mit der Universität Osnabrück zu erstellen.

"Ich bin sicher, dass auch die Muslime in Deutschland davon profitieren werden."

Neben der erfolgreichen Arbeit am CRS kann das Islam-Zentrum auf jahrzehntelange Erfahrungen der Wissenschaftler in den etablierten christlichen Fakultäten in Münster setzen. Der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Konrad Hammann, unterstrich: "Meine Kollegen und ich begrüßen den geplanten Aufbau eines Islam-Zentrums sehr. Ich bin sicher, dass auch die Muslime in Deutschland davon profitieren werden, weil sie damit besser in unsere Gesellschaft integriert werden." Prof. Gerd Althoff, Sprecher des münsterschen Exzellenzclusters "Religion und Politik", pflichtet dem bei. "Wir bieten den angehenden Lehrern und Geistlichen die verschiedenen Perspektiven von Wissenschaften, die sich mit Fragen beschäftigen, die eine vergleichende Betrachtung des Islam beinhalten – und daher auch für künftige Islamlehrer und Imame interessant sind."

Juliane Albrecht/Norbert Robers

Die Kooperation

Die Universität Münster selbst hatte bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Münster und Osnabrück ins Spiel gebracht. In Anspielung auf die bereits bestehenden Kooperationen in einigen geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern heißt es in der münsterschen Antragsskizze für das Islam-Zentrum: „Der historische Friedensreiterweg (Westfälischer Friede von 1648) ist durchaus noch in Funktion.“ Mitte November werden sich Rektorin Prof. Ursula Nelles und der Präsident der Universität Osnabrück, Prof. Claus Rollinger, sowie die Islam-Experten beider Universitäten zu ersten Gesprächen treffen.


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