Island sucht Hilfe an der WWU

Thomas Hoeren
"Teaching-Staff Mobility“, also Wissenschaftleraustausch im Bereich der Lehre, bekommt eine immer größere Bedeutung für die Internationalisierung, ist aber noch ausbaufähig. Das Programm ERASMUS bietet die Möglichkeit, für ein bis sechs Wochen an einer europäischen Universität zu lehren. Der Jurist Prof. Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht flog nach Island. Hier sein Erfahrungsbericht:
"Wo könnte man wohl die Kultusministerin direkt anmailen und mal eben um einen universitären Vortrag bitten? Wohl nur in Island. Im September war ich für zwei Wochen in Akureyri und lehrte in Nordisland Medien- und Presserecht. Bedingt durch die Bankenkrise besteht im 300.000-Einwohner-Eiland seit einiger Zeit ein starkes Interesse an einer Neuordnung des Medienrechts. Das Ziel besteht auch darin, neue Investoren ins Land zu bringen und Island zu einem "Switzerland of bits" zu machen. Neben einer Umgestaltung des bisherigen Presserechts sollen neue Schutzbestimmungen zugunsten eines verstärkten Schutzes journalistischer Informationsquellen eingeführt werden. Begünstigt werden soll die anonyme Veröffentlichung von Texten, das so genannte "Whistleblowing". Auch soll die Haftung für Internetprovider stark liberalisiert werden. Das isländische Parlament hat – schon damals auch aufgrund eines Gutachtens von mir – den Plan gebilligt."
30 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter der WWU haben im vergangenen Jahr das ERASMUS-Programm genutzt. Finanziert werden Reisekosten und Aufenthaltskosten in 27 Mitgliedstaaten der EU sowie nach Island, Liechtenstein, Norwegen, in die Türkei und die Schweiz. „Das ist für so eine große Universität sehr wenig. Von daher müssen wir noch viel tun, um die Anerkennung des Engagements für Auslandsbeziehungen und Internationalität zu steigern“, erklärt Maria Homeyer, im International Office für das Programm zuständig. "Im Moment ist es schwierig, das Programm anzustoßen. Dabei können auch junge Wissenschaftler profitieren: An den ausländischen Universitäten kann man Lehrveranstaltungen übernehmen, die in Münster Professoren vorbehalten sind." Was für Prof. Hoeren aber nicht der Anreiz war ...
„Eine ERASMUS-Einladung der Universität Akureyri war für mich der Anlass, Akteure und Kritiker des Gesetzes-Vorstoßes in die Vorlesung zu bitten. Mit eigenem Flugzeug und allen Beratern kam Kultusministerin Katrín Jakobsdóttir. Sie betonte, wie wichtig in Island klare Regeln zur Internethaftung seien; hier gebe es großen Nachholbedarf in einem Land, das versuche, nationale Identität zu verteidigen und aus der derzeitigen Krise zu lernen. Es folgten Vorträge von Smári McCarthy von der „Icelandic Internet Digital Society“ und Ragnar Guðmundsson, dem Gründer des Internets in Island. Man habe kurz vor einem eventuellen Beitritt zur EU die Chance, eine neue Medienordnung zugunsten der Netcommunity zu entwickeln. Auch das Urheberrecht müsse neu strukturiert werden; Wissen dürfe nichts kosten und Wissenserwerb nicht bestraft werden, wie insbesondere Ragnar Guðmundsson anhand von Beispielen aus dem isländischem Gefängnisalltag beschrieb."
Über 400 ERASMUS-Partnerschaften pflegt die Universität Münster. Um am Programm zur "Staff Mobility" teilnehmen zu können, braucht man eine Einladung einer anderen Universität. "Die Dozenten suchen ihre Ziele selbst, haben aber nicht immer einen Ansprechpartner vor Ort", erzählt Maria Homeyer. "Da kann es hilfreich sein, auch mal einen fachfremden Kontakt zu nutzen." Heißt im Klartext: Der Chemiker kann auch mal den Historiker fragen, ob er jemanden an der Pariser Universität oder in der Schweiz kennt.
"Die Vorträge in Island stießen auf ein breites nationales und internationales Echo, unter anderem in Dänemark und Frankreich. Der Rektor der Universität betonte die Wichtigkeit weiterer Zusammenarbeit, auch als Entwicklungshilfe für das krisengeschüttelte Land. Ich werde die wissenschaftlichen Kontakte zu den isländischen Kollegen intensivieren; Schon gibt es Anfragen aus Reykjavik, die aufgrund des Kolloquiums Kontakt nach Münster suchen. Erste Publikationen zu den Forschungsergebnissen sind bereits von einer deutschen und einer britischen Fachzeitschrift zur Veröffentlichung angenommen. Für das Ministerium und das Parlament in Island werde ich weiter das Gesetzgebungsprojekt begleiten – und 2012 (so ERASMUS will) wieder nach Akureyri reisen."
Nicht nur münstersche Wissenschaftler reisen mit ERASMUS ins Ausland, auch ausländische Wissenschaftler kommen nach Westfalen. "Wir wollen jetzt eine Datenbank aufbauen, damit die Kontakte besser genutzt werden und Netzwerke geknüpft werden können", sagt Maria Homeyer. Deshalb bittet sie darum, dass sich jeder, der einen ausländischen Kollegen bei sich aufnimmt, im International Office meldet. Das bietet auch Service bei der Unterbringung und während des Aufenthaltes an. Auch fachübergreifend tragen Gastwissenschaftler zur Internationalisierung bei. Das International Office fördert dies beispielsweise durch die Bekanntmachung von Veranstaltungen, die auch Studierenden anderer Fachbereiche offen stehen, im neuen Veranstaltungsverzeichnis, "The Larger Picture".
Brigitte Nussbaum