|
muz

Agenten für den Wandel

Studierenden-Initiative „sneep“ engagiert sich für nachhaltiges Wirtschaften

Fast automatisch geht der morgendliche Griff an der Kühltheke des Discounters zur Milch für 55 Cent. Am Nachmittag schnell noch ein neues T-Shirt für 7,90 Euro bei H&M kaufen, um es abends beim Essen mit den Freunden zu tragen. Das Hackfleisch für die Bolognese-Soße kommt ebenfalls aus dem Discounter. "Junge Leute wissen, dass viele Unternehmen moralisch-ethisch fragwürdig handeln. Aber sie sehen nicht oder wollen nicht sehen, dass sie tagtäglich mit ihren eigenen Kaufentscheidungen ein Teil dessen sind und auch selbst Verantwortung tragen", sagt Svenja Haverkamp vom bundesweiten Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik "sneep".

"sneep" hat es sich zum Ziel gesetzt, im universitären Raum ein Bewusstsein für moralische Fragen des Wirtschaftens zu schaffen und das als festes und interdisziplinäres Thema in der Lehre zu verankern. Warum es aber schwierig ist, Mitstreiter zu finden, liegt für die Studentin auf der Hand. Zum einen fehle die Sichtbarkeit. „Wir brauchen mehr Unterstützung von der Universität mit ihren Lehrstühlen“, wünscht sich Svenja Haverkamp. "Wirtschaftsethik ist höchstens ein Thema am Rande, Pflichtveranstaltungen gibt es nicht." Zum anderen bedeuteten die Bachelor- und Master-Studiengänge für die Studierenden oft so großen Zeit- und Arbeitsaufwand, dass außeruniversitäres Engagement zu kurz kommt. Außerdem kratzt "sneep" am tagtäglichen Verhalten der Studierenden: "Natürlich muss man sich selbst auf den Prüfstand stellen. Gerade BWL-Studenten fühlen sich schnell angegriffen, weil sie denken, wir verurteilen das Verhalten von Wirtschaftsunternehmen per se." Dem sei aber ganz und gar nicht so: "Natürlich müssen Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften, um am Markt zu bestehen. Aber die Unternehmen tragen Verantwortung für ihre Mitarbeiter und die Folgen ihres Handelns in allen Bereichen", ist Svenja Haverkamp überzeugt. Der Textil-Discount "Kik" ist ein aktuelles Negativbeispiel, findet sie. "In Bangladesh, wo die Kleidung gefertigt wird, sind die Arbeitsbedingungen für die Näherinnen miserabel, von den Löhnen ganz zu schweigen."

"Wir gehen sinnbildlich auch mit Negativ-Firmen ins Bett"

Es gibt aber auch positive Beispiele wie den Naturkosmetikhersteller Weleda. Im Jahr 2009 wurde er zum vorbildhaftesten Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit gekürt. Denn Weleda produziert nicht nur mit umweltverträglichen Rohstoffen, sondern steht auch für einen sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Als eines der ersten deutschen Unternehmen hat  Weleda freiwillig eine Umwelterklärung und einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt.

Auch wenn sie selbst nicht in Läden wie H&M oder Kik kauft und nur fair gehandelter Kaffee sowie Bio-Milch und -Fleisch auf ihrem Einkaufszettel stehen, will sie und will auch "sneep" nicht den moralischen Zeigefinger erheben. "Sich immer und überall moralisch-ethisch einwandfrei verhalten zu wollen, ist nicht möglich. An so einem Anspruch geht man irgendwann kaputt", ist die Erfahrung der 24-Jährigen.

Immer wieder trifft sie auf Unverständnis. Im Gespräch mit einem Kommilitonen über die schlechten Arbeitsbedingungen von Textilarbeitern in China zum Beispiel: "Wenn man hört, dass die Leute sich halt eine andere Stelle suchen sollen, macht das wütend. Denn die Abhängigkeit der Arbeiter wird ignoriert", erzählt die Studentin. Es gibt aber nicht nur "schwarz und weiß". "Wir gehen sinnbildlich auch mit Firmen ins Bett, die nicht als Vorbild ausgezeichnet würden. Dennoch sehen wir bei diesen Unternehmen Ansätze zu mehr Verantwortung und Nachhaltigkeit." Sich von diesen "grauen" Unternehmen zu distanzieren, wäre das falsche Signal, denn gerade hier müssten junge Berufseinsteiger mit hohen Idealen anfangen, um etwas zu bewegen. Svenja Haverkamps Vorgänger im Vorstand arbeitet mittlerweile bei Siemens, einem Unternehmen, das auch nicht nur positiv in der Presse auftauchte. Bei "sneep" nennen sie solche Menschen "change agents" – Agenten für den Wandel.

Hanna Dieckmann

"sneep" steht für "student network for ethics in education and practice". Die münstersche Gruppe ist klein und sucht noch Mitglieder. "sneep" trifft sich jeden Montag zum Mittagessen um 12.30 Uhr im Café Weltbühne am Breul 43.

www.sneep.info/muenster

E-Mail: muenster@sneep.info