Nicht nur bürokratische, auch kulturelle Hürden

Auch mit der fremden Sprache fühlt sich Soumaya Elkhauoda inzwischen wohl. Für Psychotherapeuten ist sie das wichtigste Hilfsmittel.
Foto: Peter Grewer
Als erste Marokkanerin, die in Deutschland eine Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin gemacht hat, musste Soumaya Elkhaouda größere Hürden überwinden als ihre deutschen Kommilitonen – erst wurde ihr marokkanisches Diplom nicht anerkannt, so dass sie die Diplomarbeit noch einmal schreiben und einige Kurse nachmachen musste, dann musste sie einen Rattenschwanz von Anerkennungen und Bewilligungen beibringen und die deutsche Sprache erlernen. "Das war ein großes Abenteuer, bis ich zur Promotion zugelassen war. Ohne die Unterstützung meiner Betreuerin Renate de Jong-Meyer hätte ich das nie geschafft", erinnert sich die Marokkanerin. Doch nun ist sie nicht nur approbierte Psychologische Psychotherapeutin, sondern auch frisch gebackene Doktorin. Denn die Psychologen sind neben den Medizinern die einzigen, die ein Kombi-Programm bieten: Berufsausbildung und Promotion.
Wer in Deutschland als Psychotherapeut arbeiten und von den Krankenkassen anerkannt werden will, muss nach seinem Diplom eine genau definierte Ausbildung mit anschließendem Staatsexamen mitmachen, so will es das Psychotherapeuten-Gesetz von 1998. Der jahrzehntelang vorherrschende Wildwuchs ist damit eingedämmt worden. Nur wenige Hochschulen können diese Ausbildung anbieten, deshalb wurde an der WWU vor zehn Jahren ein An-Institut gegründet, an dem die Universität, aber auch die Christoph-Dornier-Stiftung beteiligt sind. 106 Absolventen – 16 Teilnehmer werden jedes Jahr aufgenommen – haben die dreijährige Ausbildung bislang erfolgreich durchlaufen und mit einer Approbation abgeschlossen. Soumaya Elkhaouda ist die 35., die gleichzeitig promoviert wurde. "Wir haben ein sehr großes Interesse daran, parallel berufspraktische und akademische Ausbildung anzubieten", erklärt Prof. Fred Rist, Leiter des Ausbildungsinstituts. Zwar wollten die Absolventen später überwiegend praktisch arbeiten und nicht an der Hochschule bleiben. "Aber es ist für jedes Fach außerordentlich wichtig, dass die akademischen Grundlagen weitergegeben werden können."
4200 Stunden, darunter 600 Stunden Theorie, müssen die Teilnehmer innerhalb von drei Jahren absolvieren, berichtet Koordinatorin Dr. Gisela Bartling. Die Zeit für die Promotion kommt noch dazu, so dass die meisten deshalb vier Jahre benötigen. "Wir haben die höchste Quote an Promotionen von allen universitären Ausbildungsinstituten in Deutschland", erzählt Gisela Bartling nicht ohne Stolz in der Stimme. Dazu mag beitragen, dass das Institut die Promovierenden aktiv unterstützt, sei es durch die Finanzierung von Reisen zu wissenschaftlichen Kongressen, sei es durch die Bezahlung von Probanden.
Letzteres konnte auch Soumaya Elkhaouda für ihre Doktorarbeit über geschlechtsspezifische Unterschiede bei Depressionen in Anspruch nehmen. Dass sie sich für eine verhaltenstherapeutische und nicht für eine psychoanalytische Ausbildung entschlossen hat, ist in ihrem Heimatland eine Besonderheit: "Als ehemalige französische Kolonie gibt es bei uns keine Tradition in dieser Richtung, jede Form von Ausbildung gibt es nur im Bereich der Psychoanalyse." Um in Marokko, wohin sie noch in diesem Jahr zurückkehren will, eine verhaltenstherapeutische Praxis aufbauen zu können, musste sie sich also für eine Ausbildung im Ausland entscheiden.
Die Hürden waren dabei nicht nur bürokratischer, sondern auch kultureller Natur: "Anfangs war die Sprache ein extremes Hindernis, denn in der Therapie spielt sie eine große Rolle. Andererseits hatte ich auch arabisch sprechende Patienten, die erleichtert waren, mit jemandem in der Muttersprache sprechen zu können", erzählt die 35-Jährige. Vollkommen ungewohnt in ihrem Heimatland seien lange, sich hinziehende Therapieansätze. "Es gibt keine Versicherungspflicht, so dass viele Kranke die Behandlung selbst zahlen müssen. Sie gehen nur zum Therapeuten, wenn es wirklich schlimm und nur so lange, wie wirklich nötig ist", berichtet Soumaya Elkhaouda. Da bietet sich die Einführung einer Verhaltenstherapie an, da mit ihr kürzere Behandlungsstrategien möglich sind.
Auch die Krankheiten unterliegen kulturellen Unterschieden. Während überall auf der Welt Schizophrenien denselben Anteil haben – sie treten bei ungefähr einem Prozent der Menschen auf –, überwiegen in Deutschland im Vergleich zu Marokko die Angststörungen, während in Marokko Depressionen häufiger sind. Bei allen Unterschieden, Soumaya Elkhaouda fühlt sich gut gerüstet für ihre neue Aufgabe in ihrem Heimatland. Und Renate de Jong-Meyer, Fred Rist und Gisela Bartling sind stolz auf ihren Schützling: "Das war etwas Besonderes, was sie geleistet hat."
Brigitte Nussbaum