Erstklassig!

Steil nach oben auf der Karriereleiter soll es für die Teilnehmerinnen des Mentoring-Programmes "Erstklassig!" gehen.
Foto: Peter Grewer
"Ich habe in den 1970er Jahren studiert. Als die erste Professorin an meinen Fachbereich berufen wurde, war das eine kleine Sensation." Prof. Susanne Günthner ist Germanistin, arbeitet also in einem Fach mit überdurchschnittlich hohem Frauenanteil, doch noch immer sind Frauen unter den Professoren eine Rarität. Von den 565 Professoren an der WWU sind derzeit 15,7 Prozent weiblich. Deshalb hat das Gleichstellungsbüro gemeinsam mit der Personalentwicklung das Mentoring-Programm "Erstklassig!" aufgelegt, das gerade in die zweite Runde gestartet ist.
Über 18 Monate werden die maximal 20 Nachwuchswissenschaftlerinnen in einem ausgefeilten Programm betreut. Die Bewerbungsvorschläge für das Stipendienprogramm kommen aus den Fachbereichen, eine überdurchschnittlich gute Promotion ist die Voraussetzung. Das Karriereziel ist klar: Die geförderten Frauen sollen einmal eine Professur besetzen. Eine, die das schon geschafft hat, ist Prof. Anette Rohmann. Sie stand schon in der ersten Runde von "Erstklassig!" kurz vor der Habilitation und wurde Ende vergangenen Jahres an die Fachhochschule Münster berufen. Dort lehrt sie Sozialpsychologie mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Kompetenz und Gruppenprozesse. "Das Programm war eine tolle Möglichkeit, gezielt und strukturiert an der Karriere zu arbeiten", sagt die 37-Jährige. Auch der Dialog mit den anderen Mentees sei sehr angenehm gewesen. "Und im Austausch mit der Mentorin konnte ich sehr gut das eigene Profil beleuchten und reflektieren."
Drei Bausteine hat "Erstklassig!": Da ist zum einen der intensive Kontakt mit einer auswärtigen Mentorin, die selbst Professorin im Fach ist und um die Tücken und Voraussetzungen einer wissenschaftlichen Karriere weiß. "Diese Mentorinnen suchen sich die Teilnehmerinnen selbst", erklärt Dr. Christiane Frantz, Frauenbeauftragte der WWU. "Mit der Mentorin wird eine individuelle Zielvereinbarung getroffen, was in den 18 Monaten passieren soll." Erwünscht ist ein möglichst monatlicher Kontakt, persönlich, per Telefon oder per E-Mail. Dr. Aurica Nutt beispielsweise hatte keinerlei Probleme, eine Mentorin zu finden: "Ich kenne sie schon länger persönlich. Als ich sie fragte, ob sie zur Verfügung stehen würde hat sie sofort und uneingeschränkt 'Ja!' gesagt." Die katholische Theologin weiß um die Probleme, die gerade in ihrem Fach auf eine Frau zukommen. Fünf Professorinnen hat der Fachbereich und liegt damit schon über der Norm. "Ich erhoffe mir von dem Mentoring-Programm, dass ich mit größerer Entschlossenheit undSelbstverständlichkeit eine wissenschaftliche Karriere einschlagen kann", sagt Aurica Nutt.
Dafür ist es nicht nur wichtig, dass die Nachwuchswissenschaftlerinnen weibliche Vorbilder haben, die ihnen zeigen, dass auch Frauen in der Wissenschaft Karriere machen können. Sie müssen auch die passenden Strategien erlernen. Dazu dient der zweite Baustein, die Intensivseminare, die für die Mentees veranstaltet werden. "Das Workshop-Programm hat einen Wert von ungefähr 3000 Euro für die einzelnen Teilnehmerinnen und besteht aus Kursen beispielsweise zum Zeit- und Selbstmanagement, zur Karriereplanung, zur Drittmitteleinwerbung und zu Berufungsverfahren", erzählt Christiane Frantz.
"Wenn eine Familie geplant ist, wird eine wissenschaftliche Karriere wegen der mangelnden Sicherheit noch unattraktriver."
Beim dritten Baustein kommt Susanne Günthner ins Spiel: Beim "Mentoring at home" treffen sich die Mentees einmal im Monat in informeller Runde mit Professorinnen der eigenen Hochschule. "Wegen meiner eigenen Erfahrung finde ich das Programm ganz, ganz wichtig. Nicht nur für die strategische Lebensplanung, manchmal auch für die kleinen Probleme des Alltags: Wie viel soll ich veröffentlichen? Welche Seminare anbieten?" Deshalb nimmt die Germanistik-Professorin nicht nur am WWU-eigenen Programm teil, sondern hat selbst zwei Jahre lang eine Schweizer Mentee betreut. Dazu gehört natürlich auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: "Über 50 Prozent der Professorinnen haben keine Kinder. Aber je mehr Frauen eine wissenschaftliche Karriere anstreben, desto mehr wird man auch auf ihre Bedürfnisse eingehen müssen", sagt Susanne Günthner. Dazu gehöre es beispielsweise, Gremiensitzungen nicht immer nach 18 Uhr anzusetzen – im familienfreundlichen Frankreich beispielsweise sei so etwas undenkbar.
Zwei kleine Kinder hat Anette Rohmann – und eine sehr gute Kinderbetreuung. "Wir haben die Arbeit gleichberechtigt aufgeteilt und ein gutes Zeitmanagement, da kann ich mich glücklicherweise ganz auf die Arbeit konzentrieren, wenn ich in der Fachhochschule bin", sagt sie. Aurica Nutt weist auf die Problematik der Position der Mittelbauerin hin. "Es gibt kein eigenes Stellenprofil mehr für Postdocs und kaum feste Stellen wie früher die der Akademischen Rätinnen. Wenn Familie geplant ist, wird eine wissenschaftliche Karriere wegen der schlechten Bezahlung und mangelnden Sicherheit noch unattraktiver."
Trotzdem kann Susanne Günthner nur jeder Wissenschaftlerin empfehlen, eine Karriere an der Uni anzustreben: "Aber es ist wichtig, seine Forderungen durchzusetzen, um diese Karriere auch zu ermöglichen." Und wenn Frauen den Schritt wagen, haben sie inzwischen gute Chancen: Im vergangenen Jahr waren über 40 Prozent aller Neuberufenen Frauen.
Brigitte Nussbaum