"Ich bin vor allem alles"

"Eigenartige" Instrumente baut Stephan Froleyks in seiner Freizeit.
Foto: Peter Grewer
"Ich bin musikalisch schon etwas aus der Art geschlagen", erinnert sich Stephan Froleyks. Aufgewachsen in einer Akademikerfamilie, in der die frühe musikalische Förderung groß geschrieben wurde, lernte der heute 48-Jährige das Klavier- und Blockflötenspiel. "Das gehörte einfach dazu", weiß er heute. Der musikalische Klassiker könnte man also sagen. Mit zwölf Jahren schlug der heutige Professor für Schlagzeug aber einen anderen Weg ein. Schlagzeug und Tuba wollte er spielen, bekam Unterricht und entdeckte seine Leidenschaft. Es sei der unkonventionelle Zugang zur Musik gewesen, der ihn gereizt habe. Das Schlagzeug als eher randständiges Instrument lag ihm und liegt ihm noch heute, weil "es auch eine physische Herausforderung ist. Als klassischer Gitarrist wäre ich nicht glücklich geworden."
Auf zahlreichen Festivals wie in Donaueschingen, London oder Amsterdam wurden seine Stücke aufgeführt. Konzertreisen führten ihn als Interpret und Improvisationsmusiker durch ganz Europa bis nach Südamerika und Asien. Seit 2000 ist Stephan Froleyks Professor an der Musikhochschule. Bei der Fülle seiner beruflich-musikalischen Tätigkeiten stellt sich die Frage, als was er sich eigentlich selbst am meisten fühlt. "Ich bin vor allem alles", antwortet er schmunzelnd und macht deutlich, dass man ihn nicht in eine Schublade stecken kann. Die Möglichkeit, vielseitig zu arbeiten, sich immer wieder neu zu erfinden, habe ihn sehr gereizt. "Wenn ich eine Sache gemacht habe, bin ich irgendwann auch froh, etwas anderes anzufangen", verdeutlicht er seinen Durst nach immer neuen Aufgaben. So erklärt sich auch seine Freude am Konstruieren und Bauen neuer und wie er selbst sagt, "eigenartiger" Instrumente. Den Messertisch hat Stephan Froleyks mit Messern von Freunden aus aller Welt bestückt. Aus seinen Instrumenten erklingen ganz verschiedene Musikstile, "ein jedes Instrument fordert seine spezielle Bearbeitung und schafft sich seinen ohne es nicht denkbaren musikalischen Kosmos", beschreibt der Schlagzeugprofessor. Die "Saitenwanne" mache sich beispielsweise auf zu Exkursionen ins Obertongebirge. Die "geschweifte Tuba" dagegen sei raumgreifend im wörtlichen Sinn – blubbernd, geschwätzig, plappernd, imposant-majestätisch.
"Künstler haben eigentlich schon seit Jahren das Arbeitszeitmodell der Zukunft."
Dass er großes Glück mit seinen Lehrern gehabt habe, sieht der Hobbyläufer als einen der Gründe an, warum er es in seiner Profession weit gebracht hat. "Sie haben mich früh einfach machen lassen und haben mir ein gutes Gespür für Freiheit und Disziplin vermittelt", erinnert sich Stephan Froleyks an sein Studium. Das hatte er nach dem Abitur und Zivildienst an der Musikhochschule in Hannover aufgenommen. Er wählte natürlich das Schlagzeug und die Tuba als Fächerkombination, zusätzlich zur Musiktheorie.
Einer der unorthodoxen Lehrer Froleyks, die den Werdegang des 48-Jährigen geprägt haben, war der Musiktheoretiker und Komponist Diether de la Motte, über den er heute sagt: "Ein toller und lustvoller Musiker und Lehrer. Vorher kannte ich nur die Standardwerke der Musiktheorie. Bei de la Motte gab es aber kein 'Schema F'."
Mit dem Diplom 1987 und dem Abschluss als Musiklehrer 1988 in der Hand, wechselte Stephan Froleyks an die Folkwang-Universität in Essen und legte dort sein Schlagzeug-Konzertexamen ab. In den 90ern folgten für den Schlagzeuger Jahre der freiberuflichen Arbeit – Jahre, in denen er seine musikalische Vielfältigkeit unter Beweis stellen konnte. Er arbeitete und arbeitet noch heute international als Komponist, Interpret, Autor, Kurator und Erfinder neuartiger Instrumente. Für seine Kompositionen, Installationen, Hörstücke, multimedialen Arbeiten und Theatermusiken erhielt er mehrfach Stipendien und Kunstpreise. "Für einen jungen Musiker ist das sehr wichtig. Das, was man tut, ist ja kein Hobby, sondern der Beruf. Da ist Anerkennung sehr wichtig", erklärt Stephan Froleyks. Dass ihm als freiberuflicher Künstler eine lange Zeit finanzielle Sicherheit gefehlt habe, stört ihn indes nicht: "Vielmehr ist es für die musikalische Entwicklung wichtig, risikofreudig und flexibel zu sein." Sonst höre man auf, sich weiterzuentwickeln. "Künstler leben eigentlich schon seit Jahren das Arbeitsmodell der Zukunft", ist sich der Schlagzeuger sicher, der immer neue Herausforderungen sucht.
Seinen Studenten will der Hochschullehrer nicht nur das Schlagzeug-Handwerk beibringen. Er möchte auch sie zu vielfältigen Musikern machen: So werden sie die Stabspiele Vibra-, Marimba- und Xylofon genauso spielen lernen wie die Pauke und das Drum-Set. Wie es ihm schon seine eigenen Lehrer vermittelten, legt auch Stephan Froleyks, der seinen eigenen musikalischen Schwerpunkt in der zeitgenössischen Musik sieht, großen Wert auf Selbstständigkeit. "Ich liebe es, wenn Studenten Eigeninitiative zeigen. Wenn sie zum Beispiel in Pop-, Rock- oder Jazzbands spielen", erklärt er. Aber, obwohl er die Zügel manchmal bewusst locker lasse, könne er auch sehr penetrant sein, wenn es um handwerkliche Details ginge. Dass er irgendwann nur noch an der Uni lehrt, kann sich Stephan Froleyks nicht vorstellen: "Das wäre auch nicht gut für die Studenten, ich brauche den Input verschiedener Projekte."
Privat versucht der Schlagzeuger, sich hier und da "musikfreie" Zonen zu schaffen: "Es ist auch einfach mal schön, mit Freunden essen zu gehen, die nichts mit der Musik am Hut haben. Und wenn dann in dem Restaurant gerade keine Musikberieselung läuft, finde ich es umso besser." Natürlich geht Stephan Froleyks auch in seiner Freizeit gerne in Konzerte, aber da verschwimmt dann schon wieder die Grenze zwischen Beruf und Freizeit: "Für einen Musiker gibt es eben keinen klassischen Arbeitstag, der nach acht Stunden endet."
Hanna Dieckmann