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Mitspracherecht für die muslimischen Verbände

Münstersche Wissenschaftler an der Diskussion um Islamlehrer maßgeblich beteiligt

In kaum einem anderen Land ist die Verbindung zwischen Staat und Kirche so kompliziert wie in Deutschland. Trotz gesetzlich vorgeschriebener Trennung wird auf vielen Feldern zusammengearbeitet. Ein Ausdruck davon sind die Verträge, mit denen die Mitspracherechte der christlichen Kirchen bei der Ausbildung von Religionslehrern geregelt worden sind. "Das bedeutet aber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten", betont der Rechtswissenschaftler Prof. Janbernd Oebbecke vom Kommunalwissenschaftlichen Institut. "So können die Kirchen ihnen nicht genehme Hochschullehrer nur aus genau definierten Gründen ablehnen."
Ein ähnliches Mitspracherecht wünscht sich der Jurist auch für die muslimischen Verbände. Deshalb hat er in der Deutschen Islamkonferenz mitgearbeitet. "Das war eine sehr fruchtbare Arbeit, insgesamt hat die erste Islam-Konferenz einen sehr großen Fortschritt gebracht." In vielen strittigen Punkten konnten mindestens die rechtlichen Grundlagen geklärt werden wie beispielsweise zum Bau von Moscheen oder zu den Regeln der islamischen Bestattung. Aber eben nicht alle, denn noch immer ist unklar, wie die Beteiligung der muslimischen Verbände an der Ausbildung von Islamlehrern aussehen kann. Das Religionsverfassungsrecht, das sich in der Weimarer Republik herausbildete, ist zugeschnitten auf die christlichen Kirchen und das Judentum, bei denen es klar definierte Ansprechpartner gibt. "An die Muslime, die eine solche Hierarchie nicht kennen, hat damals niemand gedacht", erklärt Janbernd Oebbecke.

"Sicher ist, dass es einen Rechtsanspruch der muslimischen Verbände gibt", ergänzt der Jurist. "Aber wer wird als Religionsgemeinschaft anerkannt und darf daher mitreden? Hier überlagern sich zwei Ebenen: die Sachebene und die Ebene der Anerkennung." Denn noch immer fühlten sich die muslimischen Verbände nicht ernst genommen. "Staat und Hochschule dürfen aber nicht entscheiden, welche Religion wie gelehrt wird. Das muss die jeweilige Religion selbst entscheiden", sagt der Rechtswissenschaftler. Und es bringe nichts, Lehrer auszubilden, die hinterher keinen Arbeitsplatz fänden, da ihre Ausbildung nicht anerkannt sei.

"Es gibt ein Recht auf Religionsunterricht, aber es gibt auch ein Recht des Staates, zu wissen, was gelehrt wird."

Auch für Prof. Klaus Müller vom Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät ist eine Beteiligung der muslimischen Verbänden unstrittig. Er hat an den "Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften" mitgearbeitet. "Konservativ geschätzt, besuchen eine drei Viertel Million muslimischer Kinder die deutschen Schulen. Bislang erhalten sie ihren Religionsunterricht meist von Predigern, die überwiegend aus dem Ausland eingeflogen werden und von denen man häufig nicht genau weiß, welchen Ausbildungshintergrund sie haben und was sie unterrichten", skizziert er die Situation. "Es gibt ein Recht auf Religionsunterricht, aber es gibt auch ein legitimes Recht des Staates zu wissen, was gelehrt wird."  Die Islamkunde, die bislang an deutschen Universitäten betrieben wird, ist nicht bekenntnisgebunden und berührt vor allem die Bereiche Sprachforschung, Soziologie und Geschichte. "Für Professoren, die Religionslehrer ausbilden, ist es aber notwendig, dass sie Mitglieder der eigenen Glaubensgemeinschaft sind", betont der katholische Theologe. Nur so gewinnen die künftigen Lehrer das Vertrauen der Eltern ihrer Schüler.

Die beiden christlichen Kirchen hätten das Projekt universitärer Ausbildung muslimischer Religionslehrer und den Wunsch der muslimischen Verbände nach Mitspracherecht von Anfang an unterstützt. "Dadurch wird die Bedeutung von Religion in der Gesellschaft ernst genommen. Und es gibt Klärungsprozesse auf beiden Seiten: Die Diskussion um muslimische Religionslehrer hat auch Auswirkungen auf die Verfahrensordnungen der christlichen Kirchen", erklärt Klaus Müller. So hat der Wissenschaftsrat etwa eine "dringende Bitte" an die katholische Kirche gerichtet, sich wegen klarer Kompetenzverteilung aus den Habilitationsverfahren zurück zu ziehen.

Selbst wenn geklärt wäre, wer eigentlich die kompetenten Ansprechpartner auf muslimischer Seite sind – die vier größten muslimischen Verbände vertreten nur etwa 20 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime – muss noch festgelegt werden, wie sie konkret beteiligt werden können. Prof. Christian Walter vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, einschließlich Völker- und Europarecht, hat dazu mit Janbernd Oebbecke einen Vorschlag vorgelegt, der Mitte Juni in Berlin diskutiert werden soll. "Es handelt sich dabei um ein fundamentales Rechtsproblem. Wer sitzt im Beirat? Wie wird abgestimmt? Wer richtet ihn ein? Woran muss man beteiligen? Alle diese Fragen warten auf Antworten", beschreibt Christian Walter die Probleme. Probleme, die im Übrigen nur die Deutschen haben. Als Europarechtler verweist der Jurist auf die Situation in den anderen Staaten. "Im laizistischen Frankreich gibt es keine staatliche Ausbildung von Religionslehrern, in England ist die Ausbildung an staatlichen Universitäten nicht bekenntnisgebunden. Hier in Deutschland dagegen unterhält der Staat die Strukturen in Universität und Schule, während die Kirchen die Inhalte bestimmen."

Bis es so weit ist, dass auch die Inhalte der Ausbildung von muslimischen Religionslehrern bestimmt werden können, wird wohl noch geraume Zeit vergehen. "Entscheidend dürfte der Ausgang der Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen sein", vermutet Christian Walter. Und sein Kollege Janbernd Oebbecke hat beobachtet, dass es eine große Bereitschaft der Politik gibt, weiter zu kommen. "Aber es geht nicht so schnell, wie es könnte", meint der Jurist.

Brigitte Nussbaum

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