Nicht verkauft

Viele Köpfe, viele Ideen – rund 700 Politiker treten bei der Landtagswahl am 9. Mai an. Drei von ihnen sind der WWU verbunden, als Professor, Studentin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Foto: Peter Grewer
So unterschiedlich die Kandidaten, die Parteien, Wahlprogramme und Biographien auch sind, in einem sind sich alle einig: Nein, mit der Politik sind sie nicht verheiratet, es gibt auch ein Leben ohne sie. Dabei müssen Prof. Thomas Sternberg, Friedrich Paulsen und Petra Pabst in diesen Wochen alle zur Verfügung stehende Zeit in die Politik investieren, denn alle drei möchten am 9. Mai in den Landtag gewählt werden.
Thomas Sternberg kennt sich bestens aus, denn seit einer Legislaturperiode vertritt er dort die CDU und ist deren kulturpolitischer Sprecher. Der 57-Jährige ist nicht nur Leiter des Franz-Hitze-Hauses, sondern auch Honorarprofessor der Katholisch-Theologischen Fakultät. "Das ist kein Job für mich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Ehrensache", erklärt der studierte Theologe sein dreifaches Engagement. "Mir sind die Lehraufträge sehr wichtig und sehr lieb, weil es eine wichtige Verbindung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist." Seine Ursprünge hat Sternberg in der christlichen Archäologie, aber in seinem Lehrangebot nähert er sich den heutigen Themen: Blockseminare zu Kirchenbauten und Kirchennutzung beispielsweise.

Spät eingestiegen: Prof. Thomas Sternberg von der CDU
Foto: CDU
Anders als Sternberg beschäftigt sich Friedrich Paulsen auch im universitären Kontext mit seinem Steckenpferd. Der SPD-Kandidat für den Wahlkreis Steinfurt I promoviert am Institut für Politikwissenschaft. Dank seiner "sehr toleranten Chefin" kann er sich jetzt auf den Wahlkampf konzentrieren. "Wir forschen hier zum ehrenamtlichen Engagement, da kann man das auch in die Praxis umsetzen", sagt der 26-Jährige. Ehrenamtlich, denn keiner der drei Kandidaten bekommt auch nur einen Pfennig persönliche Unterstützung. Das Benzingeld muss selbst gezahlt, die logistische Unterstützung bei Freunden oder in der Partei erbeten werden.

Das Studium ruht fürs Erste: Petra Pabst von der FDP
Foto: FDP
Seine ehemalige Kommilitonin und Noch-Studentin Petra Pabst kann sich die Kandidatur für die FDP nur erlauben, weil die 27-Jährige ihr Studium für den Wahlkampf erst einmal zurückgestellt hat. Als Direktkandidatin für den Wahlkreis Münster-Süd ohne aussichtsreichen Listenplatz wird sie den Landtag wohl vorerst nicht als Abgeordnete von innen sehen. Warum investiert sie dann aber so viel Zeit? " Es geht ja nicht um mich als Person, sondern um die Inhalte, die ich für meine Partei vertreten will. Und das kann ich im Wahlkampf natürlich gut." Auch wenn sie zum ersten Mal als Kandidatin dabei ist, Erfahrung hat sie schon reichlich gesammelt. Bereits zweimal diente sie den jeweiligen Kandidaten bei Europa- und Landtagswahlen als Wahlkampfleiterin. "Da habe ich mir gedacht, da kann ich ebenso gleich selbst kandidieren. Der Aufwand ist derselbe, jetzt bin ich nur ein bisschen nervöser."
Friedrich Paulsen und Petra Pabst haben nicht nur in Seminaren nebeneinander gesessen, sie haben auch beide im Alter von 15 Jahren früh mit der Politik angefangen. Petra Pabst ging zielstrebig vor, ließ sich Programme aller Jugendorganisationen schicken und entschied sich schließlich für die Jungen Liberalen. "Hier steht die Individualität im Vordergund, es spielt eine Rolle, was man macht und was man kann." Insgesamt habe sie sich bei den Julis und später bei der FDP am besten aufgehoben gefühlt. Warum aber überhaupt Politik? "Ich konnte schon immer meinen Mund schlecht halten. Wenn mir was nicht passt, sage ich es auch."

Promoviert über Politik: Friedrich Paulsen von der SPD
Foto: SPD
Anders als Petra Pabst wusste Friedrich Paulsen sofort, welche Partei die richtige für ihn war, nachdem Gerhard Schröder 1998 erstmals gewonnen hatte: "Das Wechselgefühl hat mich politisiert." Und als Roland Koch in Hessen die Wahl gewann, "da wollte ich mich auf die richtige Seite stellen und Farbe bekennen", erzählt Friedrich Paulsen. Man spürt die Dankbarkeit gegenüber der alten SPD-Bildungspolitik, wenn er davon berichtet, dass er beinahe ein Arbeiterkind geworden wäre, wenn sein Vater nicht auf dem zweiten Bildungsweg studiert hätte. Deshalb engagiert er sich vor allem in der Schul- und Bildungspolitik. Das tun auch Petra Pabst und Thomas Sternberg. Sehen die Lösungsansätze naturgemäß auch unterschiedlich aus, so ist allen dreien anzumerken, dass ihnen ein gerechtes und frei zugängliches Bildungswesen am Herzen liegt.
Anders als seine jungen Mitbewerber ist Thomas Sternberg ein Spätberufener. Zwar trat auch er schon in jungen Jahren in die CDU ein, doch engagierte er sich nie innerhalb der Partei. Erst 2003 wurde er Mitglied der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages, 2005 dann Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen. "Ich bin sehr stark katholisch geprägt und möchte Politik aus christlicher Verantwortung mitgestalten." Sollte er sein Landtagsmandat verlieren – womit er nicht rechnet –, wäre das für ihn trotzdem kein Verhängnis: "Mein Leben hängt nicht von der Politik ab." Er weiß, wie viel Arbeit in den Legislaturperioden zu leisten ist, wie viel zu kurz kommt, wenn man sich politisch engagiert: "Hobby und Familie fallen weitgehend weg. Wenn die Kinder noch klein wären, täte ich es sicherlich nicht."
"Die wissenschaftliche Sprache ist nicht die, die draußen gesprochen wird."
Petra Pabst dagegen leistet sich ein Hobby: Sie tanzt in einer lateinamerikanischen Formation in Emsdetten. "Ich finde es ganz wichtig, nicht nur Politik zu machen, das darf das Leben nicht komplett bestimmen", sagt die 27-Jährige. Trotzdem haben sie und Friedrich Paulsen sogar Politikwissenschaft studiert. Hat das was gebracht? "Hier lernt man halt die Wissenschaft. Die wissenschaftliche Sprache ist aber nicht die, die draußen gesprochen wird", meint Doktorand Paulsen lapidar. Die Kommunikation mit den Menschen und die Möglichkeit, all jenen ein Sprachrohr zu geben, die keines haben, ist seine Motivation. "Man lernt im Studium nur wenig, etwas zu vertreten und sich mit etwas auseinander zu setzen", meint auch Petra Pabst eher skeptisch. Die Kunst, Kompromisse zu schließen, lerne man nicht im Studium, meint sie.
Nützlich kann so ein Studium trotzdem sein – zum Beispiel für die Studierenden der Kommunikationswissenschaft. Die haben sich den Landtagswahlkampf zum Untersuchungsgegenstand auserkoren und alle rund 700 Kandidaten angeschrieben. "Wir wollen herausfinden, welche Sicht die Kandidaten von den Massenmedien haben und wie sie das in ihren eigenen Wahlkampfaktivitäten beeinflusst", erklärt Prof. Frank Marcinkowski. Die These lautet: Wer daran glaubt, dass traditionelle Medien einen großen Einfluss besitzen, wird eher versuchen, über eigene Online-Medien diesen Einfluss zu brechen. Die Ergebnisse sind nach der Landtagswahl zu erwarten ...
Brigitte Nussbaum