|
muz

Keine Liebesheirat

Jens Seipenbusch, Chef-Pirat, über seine neuen Erfahrungen in der Politik
Wl 1001 Seipenbusch

Schwimmt obenauf: Jens Seipenbusch hat als Chef der Piratenpartei bewiesen, dass ihm nicht so leicht die Puste ausgeht.

Foto: Peter Grewer

Die Augenklappe fehlt, das Holzbein ebenfalls, und das freundliche Lächeln deutet auch nicht darauf hin, dass ein leibhaftiger Piratenkapitän vor einem steht – dass Jens Seipenbusch im Handstreich als Bundesvorsitzender der Piratenpartei die deutsche Politik gekapert hat, ist dem 41-Jährigen nicht anzumerken. Sein Geld verdient er als stellvertretender Leiter der IVV der Rechtswissenschaftler, in seiner Freizeit kämpft er für das Recht auf Privatsphäre im Internet. "Ich war schon immer politisch interessiert, aber ich habe mich nie engagiert", erzählt er. Das lag nicht an mangelndem Elan, sondern an mangelndem Vertrauen in die etablierten Parteien.

Der Schritt in die Politik 2006 war dann auch "keine Liebesheirat, sondern eine Notwendigkeit". Denn ob Software-Patentdebatte, Urheberrechtsreform oder Vorratsdatenspeicherung – keine Partei beschäftigte sich mit den Themen, die Seipenbusch am Herzen lagen. "Natürlich kann man sich außerhalb der etablierten Strukturen betätigen und beispielsweise Blogs schreiben. Aber ausrichten tut man damit nicht viel", meint der gebürtige Wuppertaler. Deshalb war er mit dabei, als im September 2006 die Piratenpartei gegründet wurde.

"Die technische Entwicklung lässt immer mehr Möglichkeiten zu. Aber eine gesellschaftliche Debatte, welche Richtung es gehen soll, hat noch nicht stattgefunden und schon werden politische Entscheidungen getroffen, die diese Richtung festlegen", erläutert Seipenbusch. "Diese Debatte wollen wir anstoßen." Deshalb konzentriere sich die Piratenpartei auf einige wenige Kernthemen. Bei denen habe man Kompetenz und andere Themenfelder wie Wirtschaft oder Umwelt würden auch von anderen Parteien bedient.

Anfangs belächelt, ist die Piratenpartei schnell zu einem Machtfaktor mit 11.500 Mitgliedern und Sitzen in Kommunalparlamenten heran gewachsen. "Die politische Praxis ist teilweise ernüchternd, aber das war uns vorher klar. Wir müssen jetzt erstmal heraus finden, wie der Meinungsbildungsprozess funktionieren kann", erzählt er.

Und dafür nutzt die Partei natürlich das Internet: In Mailingslisten und Foren diskutieren die Mitglieder beispielsweise, wie ihre Mandatsträger abstimmen sollen. "Wir wollen unsere Entscheidungen stringent und transparent machen", verspricht der Jung-Politiker. Für seine politische Arbeit ist Seipenbusch anders als ein Mandatsträger nicht freigestellt, sie frisst fast seine komplette Freizeit. Geld bekommt er auch keines: "Wir wollen so viel wie möglich ehrenamtlich machen und nicht zu professionell werden, damit noch alle mitreden können."

Dass die Piraten eines Tages absaufen könnten, davor hat der Parteichef keine Angst: "Die Themen, die wir besetzen, sind auch in 20 Jahren noch aktuell. Und selbst wenn: Es gibt ja noch genügend andere Institutionen, bei denen man sich engagieren kann." Es war eben keine Liebesheirat ...

bn