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Wir bessern ständig nach

Debatte zwischen Lehrenden und Studierenden der Biologie über Bologna
Wl 1001 Biologie

Ein reger Austausch fand zwischen Prof. Eva Liebau, Dr. Robert Klapper (rechts) und dem Master-Studenten Jens Daniel statt.

Foto: Peter Grewer

Der Fachbereich Biologie hat die längsten Erfahrungen mit dem Bologna-Prozess, der erste Bachelor-Studiengang startete hier 2002. Hanna Dieckmann traf Studiendekanin Prof. Eva Liebau, Studienkoordinator Dr. Robert Klapper und Student Jens Daniel zum Erfahrungsaustausch.

Der Bologna-Tag hat viele Schwachstellen der Bachelor- und Masterstudiengänge thematisiert, wie sieht es im Fachbereich Biologie aus?

KLAPPER: Viele der allgemeinen Probleme haben wir hier nicht. Der Ein-Fach-Bachelor ist quasi überlappungsfrei. Jeder Biologe muss in den Grundlagenmodulen Chemie, Mathematik, Physik und Informatik studieren, das ist mit den Fächern aber gut koordiniert.
DANIEL: Allerdings gibt es das Problem, dass man sich gerade am Studiumsanfang aus der großen Masse der Studierenden kaum durch individuelle Fähigkeiten auszeichnen kann. Durch die vielen Multiple-Choice-Prüfungen kann man gar nicht richtig zeigen, was man wirklich kann.
KLAPPER:  Das war im Diplom aber auch schon so. Am Anfang müssen in Biologie eben bestimmte Fachkenntnisse vermittelt und abgeprüft werden. Man muss sozusagen erst die Vokabeln lernen, bevor man eine Sprache sprechen kann. Im Laufe des Studiums kommen dann andere Prüfungsformen hinzu, die sich dem Studienniveau anpassen.
DANIEL: Mir fällt auf, dass am Anfang diejenigen besonders gut sind, die fleißig sind. Später kriegen sie dann aber Probleme, wenn es um die Zusammenhänge und den praktischen Bezug geht. Ich hätte mir gewünscht, dass man schon früher im Studium praktisch arbeitet und nicht nur auswendig lernt.
LIEBAU: Aber Ihr habt zumindest direkt die Pipette in der Hand. Ich habe anfangs nur Lehrbücher gewälzt. Ihr habt von Anfang an Praxisbezug und werdet gut betreut. Allerdings wird es tatsächlich erst richtig schön, wenn es in die kleinen Arbeitsgruppen und die Projektarbeit geht.

Wo sehen Sie die zentralen Vorteile der reformierten Studiengänge?

KLAPPER: In den Diplomstudiengängen bekamen die Studierenden das erste Feedback mit dem Vordiplom im vierten Semester. Manchmal kam die Kritik für die Studierenden völlig unvorhergesehen, weil sie sich selbst anders eingeschätzt hatten. Wir haben hier jemanden im 28. Fachsemester ohne Vordiplom. Heute haben wir einen besseren Überblick.
LIEBAU: Wir kennen die Studierenden viel besser und haben einen engeren Kontakt. Dass jemand  durchs Raster fällt, ohne dass es jemand merkt, ist heute nicht mehr denkbar.
KLAPPER: Wenn wir Probleme sehen, laden wir die Betreffenden zum Beratungsgespräch ein.
LIEBAU: Das können ja auch persönliche Probleme sein. Manche müssen neben dem Studium arbeiten, müssen Familienangehörige pflegen oder sind selbst chronisch krank. Es gibt ja auch Fälle, in denen Studierende panische Angst vor dem leeren Blatt haben. Kann man dann bei den Prüfungsleistungen variieren?
KLAPPER: Ja, wir wollen gerade durchsetzen, dass bei den Prüfungsformen variiert werden kann.

Wie empfinden denn die Studierenden die Prüfungsbelastung?

DANIEL: Ich hab Kommilitonen schon heulend zusammenbrechen sehen, weil sie wegen der vielen Prüfungen unheimlichen Stress hatten. Eine andere Sache ist, dass Leute mit guten Noten ihren Wert verstärkt über Leistung definieren. Der Konkurrenzkampf wird einfach größer.
LIEBAU: Ich war schockiert, als ich meine ersten Masterabsolventen hatte. Da gab einen regelrechten Wettbewerb darum, wer als Erster im Fachbereich den Master in der Tasche hat. Da fragt man sich schon, wo dieses Denken herkommt. Wir schüren das nicht.
KLAPPER: Das ist aber auch kein biologiespezifisches Problem, das ist leider das Prinzip der heutigen Leistungsgesellschaft.

Lassen sich Auslandsaufenthalte überhaupt noch ins Studium integrieren?

KLAPPER: Das funktioniert schon ganz gut. Rund ein Drittel der Studierenden im fünften Semester sind unterwegs. Die gehen als Kinder weg und kommen als Erwachsene wieder.
LIEBAU: Deshalb nehmen wir gerne unsere Studenten mit Auslandserfahrung für die Arbeitsgruppen. Sie sind methodisch oft gut drauf, aber vor allem sehr selbständig und packen direkt an.
DANIEL: Allerdings gibt es oft auch Probleme bei der Anerkennung der andernorts erbrachten  Leistungen.

Hängen bestimmte Probleme auch damit zusammen, dass Sie als erste umgestellt haben und deshalb viel nachbessern müssen?

LIEBAU: Wir bessern ständig nach, weil wir versuchen wollen, die Bedingungen hier weiter zu optimieren.
KLAPPER: Wir wollten bewusst die Ersten sein, damit wir noch möglichst viele Freiheiten haben.
LIEBAU: Der Impuls, einen alten Studiengang neu zu strukturieren, kam zur rechten Zeit. Ich finde die Umstellung trotz vorhandener Probleme, die es aber immer geben wird, positiv. Wir haben ja auch nicht einfach umetikettiert, sondern eine völlig neue Sache ins Leben gerufen.

Was wird denn aus den Bio-Absolventen?

KLAPPER: 80 Prozent setzen den Master drauf. Allerdings glaube ich, dass auch der Bachelor-Abschluss für die Arbeitgeber interessanter wird. Das sind junge, flexible und auch günstigere Arbeitskräfte. Generell gibt es den typischen Biologen gar nicht. Die Absolventen sind vielfältig einsetzbar. Als Unternehmensberater, in den Medien ...
DANIEL: Allerdings bleibt die Angst bei den Studierenden, dass man nach dem Master-Abschluss keinen Job findet, wenn man nicht noch promoviert.

Was haben Sie am Bologna-Tag gelernt?

KLAPPER: Wir wollen zu Beginn des Sommersemesters einen eigenen Bologna-Tag zusammen mit unseren Studierenden veranstalten.
LIEBAU: Der Diskussionsbedarf ist auch in der Biologie sehr groß. Das schöne an diesem Fachbereich ist aber, dass großer Wert auf die Lehre gelegt wird. Als ich "zum Vorsingen" auf die Professur nach Münster kam, wurden mir viel mehr Fragen bezüglich der Lehre gestellt und auch die Studierenden hatten die Möglichkeit, mich eine Stunde lang auszufragen. Ich fand gut, dass nicht nur die Forschung und Einwerbung von Drittmitteln zählen.
DANIEL: Die Lehre ist im Fachbereich Biologie tatsächlich sehr gut.