Eine Frage der Mentalität

Money makes the WWU go around. Jahrzehntelang wurde an der Universität Münster wie an allen deutschen Hochschulen nach dem kameralen System gewirtschaftet, nun wird die so genannte Integrierte Verbundrechnung eingeführt.
Foto: Peter Grewer
"Wir konnten bisher nicht sagen, wie hoch unser Vermögen ist." Sicher, Finanzdezernent Matthias Schwarte weiß, dass die WWU rund 240 Millionen Euro Landeszuschüsse pro Jahr zur Verfügung hat. Doch wie damit gewirtschaftet wurde, vor allem welche Werte im Laufe der Jahre angeschafft wurden – das ließ sich im bisherigen kameralen System nicht erkennen. Mit der Umstellung vom gängigen Buchhaltungssystem öffentlicher Einrichtungen auf die Kaufmännische Buchführung am 1. Januar wird die WWU eine viel genauere und nachvollziehbarere Buchhaltung haben.
Damit nutzt man die vom Hochschulfreiheitsgesetz eingeräumte Autonomie und reagiert auf geänderte finanzpolitische und organisatorische Rahmenbedingungen. Das Land habe zwar den Hochschulen freigestellt, ob sie die alte oder die neue Buchführung nutzen wollten. Doch wolle man beispielsweise einen Kredit aufnehmen, prüfen Banken die Solvenz, was nur auf der Grundlage üblicher Bilanzen und einer kaufmännischen Ergebnisrechnung erfolgt, erläutert Schwarte. "Auch die Ermittlung unserer Steuerbelastungen erfolgt auf der Grundlage der kaufmännischen Zahlen, diese haben wir bisher per Hand um- und herausrechnen müssen", sagt der Finanzdezernent.
Während andere Hochschulen noch abwarten, geht der Umstellungsprozess an der WWU in die heiße Phase. "Die Universität Münster will mitgestalten, das ist sozusagen auch eine Mentalitätsfrage", erklärt Schwarte, das ginge nicht am grünen Tisch. Es gelte die mit den gesetzlichen Änderungen einhergehenden weit reichenden Kompetenzen für Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen im Sinne der Universität zu nutzen, um national und international wettbewerbsfähig zu bleiben, findet auch Kanzler Dr. Stefan Schwartze.
MACH Die Software-Unterstützung für die Einführung der (IVR) liefert das auf öffentliche Einrichtungen und insbesondere Hochschulen spezialisierte Software- und Beratungshaus "MACH AG". Offene Termine für die Halbtagsschulungen, die mit der neuen Software vertraut machen, sind der 7., 11. und 14. Januar 2010, jeweils von 8.30 bis 12 Uhr. |
Die Integrierte Verbundrechnung (IVR) führt das bestehende System als Nebenrechnung zwar weiter, die Hauptsystematik ist aber die Doppik, das heißt, die Doppelte Buchführung. So entsteht eine Drei-Komponenten-Rechnung aus Finanz-, Vermögens- und Ergebnisrechnung. "Die IVR erleichtert die Steuerung der Finanzen, weil die Rechnungslegungswerke ineinander greifen und die Grundlage für ein flächendeckendes Controlling bietet", erklärt Schwarte. "In den nächsten Jahren werden wir auf dieser Grundlage weitere Schritte umsetzen, beispielsweise die Umsetzung einer Vollkostenrechnung zum Ausweis und Nachweis der Kosten einzelner Leistungen der WWU. Dies wird unter anderem von der EU gefordert, wir brauchen dies auch zum Nachweis, dass wir unsere Leistungen ohne Wettbewerbsverzerrung zu Dumpingpreisen anbieten."
"Nach einer kurzen Umgewöhnungsphase wird alles wieder normal laufen."
Die Umstellung des Finanzwesens auf die Kaufmännische Buchführung soll vor allem eine transparentere und differenziertere Buchführung an der Universität ermöglichen. Im Klartext bedeutet das laut Schwarte: "Im kameralen System wurden wie auf einem Kontoauszug die Einnahmen und Ausgaben aufgelistet. Jeder Geschäftsvorgang war somit gleichartig und einseitig." Dieses System beantworte zwar die Frage, ob die Universität genug Geld zur Verfügung habe und wie groß der Geldbestand auf der Bank ist. Sie sage aber nichts darüber aus, wie tatsächlich gewirtschaftet wurde.
Ist neues Vermögen geschaffen oder ist vom bestehenden Vermögen gelebt worden? "Viele Kommunen beispielsweise haben zwar ein großes Vermögen in Form von Gebäuden oder Grundstücken, sind aber relativ klamm und können diese Vermögenswerte nicht instand halten. Dadurch verlieren sie an Wert", erklärt Schwarte. Dieser Vorgang könne nur mit den Mitteln der doppelten Buchführung abgebildet werden. Zudem berücksichtigt das neue Buchhaltungssystem auch die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, wenn also Vermögensbestände nur anteilig der Hochschule gehören oder noch abbezahlt werden müssen, oder aber Vertragspartner für Drittmittelprojekte noch Leistungen der WWU verlangen können.
Außerdem ist bislang der Wert der Gebäude, Labore und Geräte der Universität nicht in die Rechnung einbezogen worden. Aus diesem Grund mussten sie in einer Inventur des Anlagevermögens aufgelistet und bewertet werden. Dazu kommt das so genannte Umlaufvermögen – das sind Vorräte, die in der Universität beispielsweise als Chemikalien in Laboren oder als Heizstoffe vorrätig vorhanden sind. "Diese Inventur ist aufwändig und bedeutete sehr viel Fleißarbeit", weiß der Finanzdezernent um die zusätzliche Arbeit nicht nur für die Mitarbeiter der Verwaltung, sondern auch in den Instituten oder Fachbereichen.
Für alle Mitarbeiter, die mit Rechnungs- und Budget-Angelegenheiten betraut sind, gibt es seit Ende November und bis Januar 2010 Schulungen, in denen die Arbeit mit den neuen Systematiken, der neuen Software erklärt und der Umgang geübt wird. "Nach einer kurzen Umgewöhnungsphase wird alles wieder normal laufen. Ein zusätzlicher Arbeitsaufwand kommt auf die Mitarbeiter außerhalb des Finanzdezernates nur in kleinerem Umfang zu", beruhigt Schwarte, dem die Sorgen bezüglich der Umstellung bekannt sind.
In Zukunft wird die WWU wie jedes Privatunternehmen auch ihren Jahresabschluss von Wirtschaftsprüfern prüfen lassen. Im kommenden Jahr wird die WWU aber erst einmal eine Eröffnungsbilanz präsentieren. Die wird dann erstmals explizit über das Vermögen der Uni, ihre Finanzierung und ihre finanzielle Entwicklung Auskunft geben. Bis dahin bleibt noch viel Arbeit zu tun, die der Universität am Ende aber einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird, ist sich Schwarte sicher: "Wir haben gleich mehrere Bälle in die Luft geworfen, weil wir umstellen, so lange viele finanztechnische Details noch nicht geregelt sind. Aber genau dadurch haben wir die Möglichkeit, an den gesetzlichen Grundlagen mitzuwirken."
hd