Solidarische Individualisten
Die anhaltende Diskussion, ob zu straffe Lehrpläne den neuen Bachelor- und Master-Studierenden Zeit für außeruniversitäres Engagement ließen, hat das Zentrum für Nonprofit-Management (npm) zum Anlass für eine Befragung gemeinnütziger Organisationen (NPO) genommen. Ziel der nicht-repräsentativen Studie war es, die Klagen der Studierenden zu überprüfen und festzustellen, ob NPOs tatsächlich einen spürbaren Rückgang studentischen Engagements feststellen.
Erstaunt sind die Initiatoren vor allem über die ambivalenten Ergebnisse. Denn gute 51 Prozent der befragten NPOs erkennen keine nennenswerte Veränderung im Verhalten der Studierenden. Damit schreiben aber immerhin 49 Prozent der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge eine deutliche Änderung zu. Viele NPOs können sich an die neuen Gegebenheiten jedoch relativ gut anpassen. Die Befragung zeigt aber auch, dass knapp ein Drittel der Organisationen bestehende Projekte mangels studentischen Engagements abbrechen musste. Ein gutes Viertel der befragten Organisationen kämpft zudem mit vermehrten Austritten von Studierenden.
"Tue Gutes – für Dich selbst und andere."
Anstelle der klassischen organisationsbezogenen Formen werden vermehrt projektbezogene Engagements nachgefragt. Außerdem möchten sich Studierende nicht mehr längerfristig an eine Organisation binden und bevorzugen kurzfristige, schnell zu lösende Arrangements. Auch die Motive haben sich geändert. So stehen bei den Studierenden weniger andere Menschen als vielmehr die individuelle Verwirklichung und das eigene Vergnügen im Mittelpunkt.
Damit bestätigt die Kurzstudie andere wissenschaftliche Erkenntnisse der Dritte-Sektor-Forschung, die mit dem Schlagwort Wandel vom klassischen "Ehrenamt" hin zum "bürgerschaftlichen Engagement" zusammengefasst werden können. Studierende gehören offenbar dem "neuen Engagementtyp" an, den Prof. Annette Zimmer vom Institut für Politikwissenschaft der WWU und Prof. Michael Vilain von der EFH Darmstadt als "solidarischen Individualisten" kennzeichnen. "Grob gesprochen handelt dieser Typ nach dem Motto 'Tue Gutes – für Dich selbst und andere'", meint npm-Mitarbeiterin Janina Ueschner. Inwieweit die festgestellten Veränderungen beim studentischen Engagement also tatsächlich den neuen Studiengängen zuzuschreiben oder eher durch den allgemeinen Wertewandel bedingt sind, konnte in der Studie nicht geklärt werden.
Neben dem Spaß an der Vereinsarbeit wird ehrenamtliches Engagement immer mehr als notwendige Aneignung von Qualifikationen angesehen. Engagement dient den Studierenden danach klar der Vorbereitung auf das Berufsleben.
Die Zertifizierung ehrenamtlicher Leistungen bietet vielen Nonprofit-Organisatiopnen offenbar eine erfolgsversprechende Strategie im Umgang mit diesen geänderten Motiven. So offerieren 84 Prozent der Befragten für Studierende spezielle Praktikumsplätze in ihren Organisationen. "Wir bieten unsere Praktika über die Praktikumsbörse Münster an", so Nina Heckmann vom DRK Münster, "denn die ist speziell für gemeinnützige Organisationen. Immerhin haben wir über diese Börse bereits vier Studenten hier gehabt, von denen zwei geblieben sind." Ein Trend, den die Studie bestätigt: 56,3 Prozent der Nonprofit-Organisationen gewinnen Studierende auf diese Weise als neue Ehrenamtliche.
ju