Das Herzblut der Bauern

Begeistert von der eigenen Ware ist Sarah Wessel. Die Ethnologin vertreibt griechisches Olivenöl, das sie direkt von den Bauern bezieht.
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In ihrer Studentenwohnung in Münster stapeln sich die gelben und silbernen Kanister. Stets hat Sarah Wessel frische Oliven im Haus. Denn die frisch examinierte Ethnologiestudentin verkauft als selbständige Unternehmerin griechisches Olivenöl, direkt vom Erzeuger aus dem kleinen Dörfchen Kitriés bei Kalamata, auf dem mittleren Finger des Peloponnes.
Angefangen hatte alles ganz romantisch. Ihre Mutter Lilo verliebte sich in einen Olivenbauern. "Er sah aus wie Che Guevara", weiß Tochter Sarah von alten Fotos. Über den Griechen lernten Mutter und Tochter das harte Geschäft um das Olivenöl kennen. "Der Preis für ein Kilo Olivenöl lag in Griechenland bei etwa 800 Drachmen. Das sind umgerechnet gerade mal 2,50 Euro", rechnet Sarah vor. Gepanschte Billigöle, etwa aus Italien und Spanien, sorgen für ein starkes Preisgefälle auf dem Markt. Das ist ein hartes Los für die griechischen Bauern, denn ihr Aufwand ist deutlich höher als ihre Einnahmen. Die Oliven sind handgepflückt oder werden mit Stangen von den Bäumen auf ausgebreitete Netze gestreift. Sofort nach der Ernte werden sie kaltgepresst verarbeitet. "Das macht ihren tollen Geschmack aus", weiß Sarah, die mehrfach bei der Schweiß treibenden Ernte mitgeholfen hat. "Das grüngoldene Öl ist das Herzblut der Bauern", sagt Sarah. Deshalb verkaufen sie es ohne jeden Zusatz.
Sarah und ihre Mutter waren sich schnell einig, den Olivenbauern zu helfen. Erst brachten sie das Öl nur ihren Freunden mit, dann gründeten sie die Wessel GbR. Ohne Zwischenhändler verkaufen sie das Öl. Mutter Lilo von Speyer aus und Sarah von Münster aus, es lagert in ihrer Studentenbude. Regelmäßig transportiert die Ethnologiestudentin die Ölkanister von Speyer nach Münster. Mittlerweile sogar im Kofferraum ihres Autos. "Am Anfang war das beschwerlicher. Da fuhr ich Bahn und hatte alles im Rucksack." Seit einiger Zeit versucht die 28-Jährige im Großraum Münster neue Liebhaber für ihre Öle zu finden. "Unser Maniátiko-Olivenöl schmeckt ganz anders als das aus den Supermärkten", wirbt Sarah, "es ist aus dem Fruchtfleisch und aus dem Kern von Oliven gepresst. Es hat einen feinen, zitronig-grasigen Duft und einen milden harmonischen Geschmack."
"Das mit der Buchhaltung war schon ein harter Brocken", sagt Sarah. Da kam es ihr gelegen, dass sie früher einmal ein BWL-Studium angefangen hatte. Mittlerweile gibt sie auch schon ihr Wissen weiter. Im Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster referierte Sarah auf der "Go Up"-Messe über die Vorteile studentischer Existenzgründung. "Ich kann nur jeden ermutigen, sich während des Studiums selbständig zu machen. Allerdings braucht man ein gutes Alleinstellungsmerkmal."
"Wenn ich kein Öl in der Küche habe, weiß ich nicht, was ich kochen soll."
Ihr Olivenölhandel bescherte ihr sogar ein Praktikum in der Deutschen Botschaft in Ägypten und machte TV-Koch Johann Lafer neugierig. Sarah überzeugte ihn im TV-Studio mit ihren Zitronenkartoffeln, Tomatenrührei und, natürlich, griechischem Bauernsalat. Ohne Olivenöl kann sich Sarah ihr Leben gar nicht mehr vorstellen: "Ich bin so abhängig vom Öl. Wenn ich keines mehr in der Küche habe, weiß ich nicht, was ich kochen soll."
Auch wenn Sarahs Olivenölhandel noch in den Kinderschuhen steckt, er hat den griechischen Bauern neuen Mut gegeben. Es gibt gegenseitige Besuche und Sarah ist schon ein vollwertiges Dorfmitglied – inmitten der traditionellen griechischen Männergesellschaft. Regelmäßig fragen die Bauern sie um Rat. Sarah kämpft weiter für einen fairen Preis für ihr Öl. "Damit sie nicht aus Frust ihre Olivenhaine mit Touristenhäusern platt machen", was immer häufiger geschehe. "Das ist ein unverzeihlicher Eingriff in die Natur. Da bin ich auch als Ethnologin gefragt."
Jetzt will Sarah Wessel promovieren und später in der Politikberatung arbeiten. Vielleicht kann sie dann auch von ganz oben etwas für die Olivenbauern tun. Auf jeden Fall kann sie sich eine Zukunft ohne Olivenöl nicht vorstellen. "Wenn ich 80 Jahre alt bin, sitze ich mit Ouzo und frischen Oliven vor meinem Olivenladen und meiner Ouzoria in Berlin und lasse es mir gut gehen."
ps
www.olivenoelwelt.de