Vom Ringen um den Rang
Seit einer großen Pest- und Brandkatastrophe im 14. Jahrhundert tragen die Münsteraner Sommer für Sommer in der "Großen Prozession" das Allerheiligste durch die Straßen. Es geht um Buße und Gotteslob, Gebet und Erlösung. Handelt es sich nur um eine fromme, rein religiöse Angelegenheit? Kristina Thies, Doktorandin im Exzellenzcluster "Religion und Politik", verneint das: "In Prozessionen werden immer auch Normen und Werte, Herrschaft und Macht widergespiegelt, ausgehandelt und durchzusetzen versucht."
Thies erforscht unter anderem, wie die Ratsherren der Stadt Münster und der Fürstbischof in der "Großen Prozession" ihren Rang und ihre politische Macht inszenierten. Ihre Ergebnisse wird sie auf einer Tagung vorstellen, die der Sonderforschungsbereich "Symbolische Kommunikation" und der Exzellenzcluster in Zusammenarbeit mit dem Institut für vergleichende Städtegeschichte vom 29. Juni bis zum 1. Juli veranstalten. "Liturgisches Handeln und soziale Praxis. Symbolische Kommunikation im Zeitalter der Konfessionalisierung" ist das Treffen überschrieben.
"Liturgie bewirkt, was sie darstellt: In Gebet und Gotteslob geht es auch und gerade um den gemeinsamen Glauben an eine bestimmte Weltordnung", lautet eine grundlegende These. Die Große Prozession ist nur eines von vielen Beispielen für den Zusammenhang zwischen Gottesdienst und Politik. "Nicht zuletzt, weil sie fast immer eine politische und soziale Bedeutung tragen, sind Rituale und Symbole aber auch umstritten und umkämpft", betont Jan Brademann, Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich.
Im Zeitalter der Konfessionalisierung, das etwa von 1550 bis 1800 dauerte, waren religiöse und politische Entwicklungen besonders eng miteinander verwoben. Aber auch danach wurden mit der Großen Prozession immer wieder politische Konflikte ausgetragen: Im 19. Jahrhundert weigerten sich die preußischen Behörden beispielsweise, den katholischen Kindern schulfrei zu geben. Unter Clemens August Graf von Galen wurde die Prozession zu einer Demonstration gegen die Religionspolitik der Nationalsozialisten.
Mit einem "Gesprächskonzert" verbindet die Eröffnungsveranstaltung der Tagung Kunst und Wissenschaft. Es findet am 29. Juni ab 19.30 Uhr in der Überwasserkirche statt. Der Kammerchor "Canticum novum" aus Münster singt unter der Leitung von Michael Schmutte Kirchenlieder aus vergangenen Jahrhunderten. Zwischendurch erläutert Prof. Irmgard Scheitler den Zusammenhang von Kirchengesang und Konfession.
ha
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