"Wir alle sind, was wir gelesen"
Als die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 in ganz Deutschland Scheiterhaufen anzündeten, um Bücher zu verbrennen, da war das kein zentral von oben vorgegebener Akt. Nein, für die Studierenden vieler Universitäten war es die Möglichkeit, ihren eigenen Machtanspruch in einer Zeit der politischen Umwälzung zu bekräftigen. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels agierte ausgesprochen zurückhaltend, bei diesem Akt der Barbarei waren Studierende die treibende Kraft. Deshalb wurde jetzt vor dem Fürstenberghaus eine Gedenktafel enthüllt. Unter anderem wird darauf Golo Mann zitiert: "Wir alle sind, was wir gelesen."
Vor dem Fürstenberghaus war am 6. Mai 1933 ein Schandpfahl aufgestellt worden, um die Bücherverbrennung vier Tage später vorzubereiten. Das war ein besonderer Akt der Barbarei, wie der Historiker Prof. Hans-Ulrich Thamer betont: "Der Schandpfahl war ein Akt der symbolischen Verächtlichmachung", so Thamer. "So weit ging man nur in wenigen Städten."
Die Bücherverbrennung war zwar eine improvisierte Aktion, aber die Studierenden konnten sich einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung sicher sein. So schlossen sich beispielsweise die Buchhändler ihnen an. Auch am 10. Mai stellten sich Rektor und Dekane hinter die Deutsche Studentenschaft. Einzig die Katholisch-Theologische Fakultät verurteilte die Vernichtung hunderter Bücher von jüdischen, marxistischen und pazifistischen Autoren. Die Bestände der Universitätsbibliothek blieben weit gehend unberührt.
"Es war keine Einzelaktion, sondern Bestandteil einer normativen und institutionellen Veränderung."
"Es war ein improvisierter, sich selbst radikalisierender Prozess", so Thamer, "und ein Beleg dafür, dass es keine Machtergreifung gab, sondern eine Machtübertragung." Der Schandpfahl und der Scheiterhaufen hätten dazu beigetragen, dass sich die Bevölkerung an den Terror gewöhnte. "In diesem Sinne war es keine Einzelaktion. Die normative und institutionelle Veränderung wurde schrittweise durchgesetzt, so dass sich die Bevölkerung an den Terror gewöhnte", erklärt der Historiker.
"Es wurden nicht nur Unmengen von Papier verbrannt, sondern auch versucht, die auf diesem Papier niedergeschriebenen Gedanken der Freiheit und der Toleranz zu verbrennen", so Dr. Stefan Schwartze, Kanzler der WWU. "Mitglieder der Universität haben sich schuldig gemacht. Diese Schuld trifft die gesamte Universität." Denn zu den ersten Institutionen, in denen die Nationalsozialisten die geistige Oberhoheit erlangten, gehörten die Universitäten. Sie wurden schon früh freigeschaltet, missliebige Lehrende und Lernende entfernt. Dieser Verantwortung stelle sich das Rektorat, so Schwartze. So soll auch auf dem Schlossplatz an die Bücherverbrennung erinnert werden. Der AStA hat ebenfalls angekündigt, dort Gedenksteine errichten zu wollen.
bn