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Konkurrenz verdirbt die Qualität

Monopolzeitungen sind journalistisch besser
Wl 0902 Zeitungen


Konkurrenz belebt das Geschäft, so heißt es, und auf viele Branchen trifft das auch zu. Der Wettbewerb unter den Telefonanbietern beispielsweise hat für den Kunden nur Vorteile gebracht. Das sollte, so möchte man meinen, auch für Zeitungen gelten. Doch Regionalzeitungen müssen sich immer seltener gegen einen Konkurrenten behaupten. Konnte der deutsche Leser Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch im Schnitt zwischen drei Tageszeitungen auswählen, sind es heute durchschnittlich nur noch 1,5 Zeitungen. Das hat allerdings der Qualität der einzelnen Zeitung nicht geschadet, wie Prof. Frank Marcinkowski vom Institut für Kommunikationswissenschaft jetzt in der ersten Untersuchung zum Zusammenhang von Marktbedingungen und Berichterstattungsqualität bei deutschen Regionalzeitungen nachgewiesen hat.

Dazu nahm er insgesamt 66 Regionalzeitungen unter die Lupe, 32 davon in einer Monopolstellung ("Ein-Zeitungs-Kreise"), 34 mit genau einer Konkurrenzzeitung im Kreisgebiet. Damit konnte er rund 60 Prozent der Konstellationen dieser Art in Deutschland abdecken. Die Zeitungsausgaben einer Woche durchforstete er mit seinen Studierenden zwei Semester lang nach bestimmten Qualitätskriterien. "Dazu mussten wir journalistische Qualität erst einmal definieren. Die Auflage konnte es nicht sein, denn das würde ja auch bedeuten, dass die Sendung im Fernsehen die beste ist, die die meisten Zuschauer hat. Und das ist unzweifelhaft nicht der Fall", so Marcinkowski.

Vier inhaltliche Merkmale, festgemacht an jeweils drei Einzel-Kriterien, legte Marcinkowski schließlich fest: Die Vielfalt maß er durch die Zahl der "O-Ton"-Geber, die Themenvielfalt und die Vielfalt der behandelten Orte. Die Ausgewogenheit durch die Berichterstattung über Parteipolitik, der stets auftretenden Verzerrung in der Berichterstattung für die Regierungspolitik und das Verhältnis zwischen so genannter "alter" und "neuer" Politik, also jener Politik, die sich mit materiellen Gütern wie Wirtschaft oder Sicherheit befasst und jener, die postmaterielle Güter wie Ökologie oder Bildung im Blick hat. Die Professionalität einer Zeitung untersuchte er, indem er die Eigenständigkeit der Beiträge, die Transparenz der Quellen und die Meinungsbildung berücksichtigte. Die Relevanz der Berichterstattung schließlich wird seiner Meinung nach durch die Politisierung des Blattes, das Verhältnis von "Hard" und "Soft News" sowie durch "Anti-Provinzialismus" bestimmt. "Über diese Festlegung kann man natürlich streiten, aber ich glaube, wir haben damit einen guten Maßstab gefunden."


"Die Nachfrage richtet sich nicht automatisch auf das qualitativ beste Produkt."

Nur in vier der zwölf Merkmale unterschieden sich Monopol- und Konkurrenzblätter überhaupt – und in dreien davon zugunsten der Monopolblätter. In puncto Akteursvielfalt, Politisierung und Anti-Provinzialismus standen sie eindeutig besser da. Die Konkurrenzblätter schnitten nur bei dem Faktor "materielle/postmaterielle Politik" besser ab.  Marcinkowski berechnete danach die Wettbewerbsintensität, indem er die Auflagenzahlen ins Verhältnis zur Gesamtmarktgröße setzte. Und auch hier zeigte sich: Je weniger intensiv der Wettbewerb war, desto besser schnitten die Zeitungen ab. Wieder waren es Akteursvielfalt, Politisierung und Anti-Provinzialismus, mit denen die Zeitungen unter geringem Wettbewerbsdruck punkten konnten. Dazu kamen bessere Werte in Sachen Themenvielfalt. "Die meisten Merkmale sind vollständig unabhängig davon, ob eine Zeitung im Wettbewerb steht. Aber wenn es einen Zusammenhang gibt, stehen die Monopolisten besser da", so Marcinkowski. Und das gelte für alle untersuchten Zeitungen, die seien sich sehr ähnlich.

Sollte man nicht annehmen, dass eine Zeitung, die sich gegen eine andere behaupten muss, größere Anstrengungen unternimmt als eine, die konkurrenzlos ist? "Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, vor allem aus der amerikanischen Forschungsliteratur. Ein Grund sind schlicht die Finanzen: Ein Monopolist kann seine Redaktion besser stellen als eine Konkurrenzzeitung, die sich die verkaufte Auflage mit einer anderen Zeitung teilen muss." Das Postulat der neoliberalen Wirtschaftstheorie, Produzenten bemühten sich bei Konkurrenz tatsächlich darum, das bestmögliche Produkt zum bestmöglichen Preis anzubieten, funktioniere nur dann, wenn die Leser tatsächlich Qualität nachfragen. "Das ist nicht unbedingt der Fall. Journalistischen Produkten kann man ihre Qualität nicht direkt ansehen, anders, als es bei Autos der Fall ist. Deswegen richtet sich in Medienmärkten die Nachfrage nicht automatisch auf das qualitativ beste Produkt."

Wenn also für den Leser die journalistische Qualität kein Kriterium ist, dann aber zumindest für die Zeitungsmacher selbst. Der amerikanische Politikwissenschaftler John Zaller hat die These aufgestellt, dass auch Journalisten rational handelnde Menschen sind. Das ist auf den ersten Blick nicht weiter verwunderlich und führt dazu, dass Journalisten, um ihre Karriere zu fördern, um Verleger und Konkurrenten zu beeindrucken, automatisch immer ein nach professionellen Maßstäben gutes Produkt abliefern wollen. "Das funktioniert aber nur, wenn die Verlage mitspielen, sich wenig in redaktionelle Belange einmischen und Spielraum für Qualitätsjournalismus schaffen. Das ist unter Monopolbedingungen offenbar eher der Fall", so Marcinkowski.

Lange Zeit hat die Kommunikationswissenschaft so genannte "Leitmedien" wie "Spiegel" oder "Frankfurter Rundschau" im Blick gehabt. "Neben allem anderen war es jetzt interessant, zu sehen, was die Menschen tatsächlich lesen – nämlich die meist nur in ihrer Region bekannte Tageszeitung", erzählt Marcinkowski. Sie mögen im Einzelfall nur Auflagen im niedrigen sechstelligen Bereich haben, doch zusammen prägen sie das Weltbild von Millionen.

bn