Ein gewisses Maß an Demut
Am 30. März erhält Prof. Burkhard Wilking vom Mathematischen Institut den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Brigitte Nussbaum sprach mit dem fünften Leibniz-Preisträger des Fachbereiches Mathematik und Informatik.

Prof. Burkhard Wilking erhält Ende März den höchst dotierten deutschen Wissenschaftsschaftspreis von der DFG.
Foto: Angelika Klauser
Prof. Wilking, herzlichen Glückwunsch zum Leibniz-Preis. Hatten Sie schon eine Ahnung, dass Sie an der Reihe sind, nachdem im vergangenen Jahr schon Ihr Kollege Wolfgang Lück ausgezeichnet wurde?
Nein, ich war vollkommen überrascht. Man wird nicht darauf von der DFG vorbereitet.
Sie sind schon der fünfte münstersche Mathematiker, der mit dem höchst dotierten deutschen Wissenschaftspreis ausgezeichnet wird. Gibt es einen fachbereichsinternen Wettbewerb?
Überhaupt nicht. Da es so viele Leibniz-Preisträger bei uns gibt, besteht nicht die Gefahr, dass man die Bodenhaftung verliert. Aber es ist natürlich eine tolle Anerkennung, über die mich sehr freue.
Die Zahl der Leibniz-Preisträger innerhalb Ihrer Fakultät dürfte nicht nur in der Universität Münster, sondern auch deutschlandweit einmalig sein.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nichts vergleichbares gibt. Auch in Bonn arbeiten fünf Leibniz-Preisträger in der Mathematik, aber die sind auf die Universität und das Max-Planck-Institut sowie auf verschiedene Disziplinen aufgeteilt. Hier in Münster beschäftigen sich alle Preisträger mit der reinen Mathematik.
Woher kommt diese Leistungsdichte?
Es ist einfach: Gute Leute ziehen andere gute Leute an. Insbesondere der Sonderforschungsbereich hat dazu beigetragen. Durch ihn haben wir zusätzliche Mitarbeiter, wir können Gäste einladen, Workshops organisieren und selbst reisen. Außerdem haben wir hier sehr gute, sehr flexible Berufungskommissionen. Wenn man eine Koryphäe haben will, muss man ihr entgegen kommen.
Was bedeutet der Leibniz-Preis für Ihre Arbeit?
| ZUR PERSON Burkhard Wilking, der jüngste der insgesamt elf neuen Leibniz-Preisträger, gilt international als einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Differentialgeometrie. Mit seinen Arbeiten hat er vor allem die so genannte Riemann’sche Geometrie entscheidend beeinflusst. Sowohl auf dem Gebiet der Klassifikation Riemann’scher Mannigfaltigkeiten positiver Krümmung als auch im Bereich der Konvergenz des Ricci-Flusses sind ihm spektakuläre Durchbrüche gelungen. Dabei verbindet Wilking auf sehr originelle Art und Weise algebraische Methoden mit geometrischer Intuition, wodurch ihm ein tiefes Verständnis geometrischer Eigenschaften von Mannigfaltigkeiten gelingt. Neben seiner bereits mehrfach ausgezeichneten Arbeit als Forscher hat er sich auch als akademischer Lehrer einen Namen gemacht. |
2,5 Millionen Euro für sieben Jahre sind eine Menge Geld, insbesondere für einen Mathematiker. Ich weiß noch nicht genau, wie ich es verwenden werde. Ich will auf jeden Fall eine größere Arbeitsgruppe aufbauen und vielleicht eine Professur auf Zeit ausschreiben. Geld schafft Unabhängigkeit und enorme Freiheiten. Es ist schön, wenn man sich keine Gedanken machen muss, ob man den Mitarbeitern, die man haben möchte, vernünftige Angebote machen kann.
Mathematik gilt vielen als eher weltfremde Wissenschaft. Gerade haben wir das „Jahr der Mathematik“ gefeiert. Hat das die Scheu der Menschen vor den Zahlen ein bisschen aufgehoben?
Ich denke schon. Die Mathematik hat deutlich mehr Beachtung bekommen als vorher. Was viele nicht wissen: Die Mathematik hat viele überraschende Anwendungen, auch die reine Mathematik, wie ich sie betreibe.
Nämlich?
Ich beschäftige mich mit den Riemann’schen Mannigfaltigkeiten.
Ein Bereich, der außerhalb der Vorstellungswelt jedes Nicht-Mathematikers liegt.
Aber vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen erkläre, dass beispielsweise die allgemeine Relativitätstheorie in der Sprache der Riemann’schen Geometrie formuliert ist. Und Einsteins Theorie wiederum hat zum Beispiel für Navigationsgeräte sehr konkrete Auswirkungen. Denn zur Programmierung von GPS-Geräten muss man sich klar sein, dass Zeit relativ ist.
Oder nehmen Sie die medizinische Bildgebung: Dabei werden in unterschiedlichen Verfahren Signale gemessen, die durch den Körper strömen. Sie haben unterschiedliche Geschwindigkeiten. Um die beschreiben zu können, braucht man die Riemann’sche Geometrie.
Warum haben Sie sich der Mathematik gewidmet?
Ach, das hat sich in der Schule so ergeben, ich habe einfach gemerkt, dass ich es gut konnte. Gerade Beweise haben mir viel Spaß gemacht. Die akademische Laufbahn hat sich dann einfach ergeben. Ich habe immer einen Schritt nach dem anderen gemacht.
Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines Mathematikers?
Neugier und Hartnäckigkeit und ein gewisses Maß an Demut. Man rennt ständig gegen eine Wand, durch die man nicht durchkommt. Die meisten Ideen, die man hat, sind falsch. Wenn man da wirklich gut werden will, braucht man wohl Leidenschaft dazu. Aber wenn dann der Durchbruch erreicht ist, sieht man die Dinge auch klarer.