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Viele Rollen, eine Identität

Camelia Buss-Ciontoiu hat den DAAD-Preis erhalten
Wl 0901 Buss-ciontoiu

Rollen-Spielerin: Camelia Buss-Ciontoiu bei den Erziehungswissenschaftlern, wo sie ihre Diplomarbeit geschrieben hat.

Foto: Peter Grewer

Sie hat viele Rollen und sie hat gelernt, sie zu genießen. Sie ist Mutter, Studentin, Rumänin, Ehefrau und Mitarbeiterin einer Werbeagentur. Sie ist außerdem DAAD-Preisträgerin als beste ausländische Studierende im Jahr 2008, eine Ehre, die nicht nur für gute Studienleistungen, sondern auch für außergewöhnliches soziales Engagement verliehen wird. Es scheint, dass Camelia Buss-Ciontoiu gerade aus ihren vielen unterschiedlichen Rollen ihre Kraft zieht. "Es ist kränkend, wenn man nur auf einen Aspekt seiner Persönlichkeit reduziert wird", sagt sie entschieden.  

Geboren ist die 32-Jährige in Rumänien, doch seit gut neun Jahren lebt sie in Deutschland. Sie ist hier angekommen und sagt von sich selbst: "Münster ist toll, Münster ist meine Heimat geworden." Ihre Tochter sei schließlich hier geboren und sie habe hier viele Freunde. Wenn sie – selten – nach Bukarest fliegt, dann freut sie sich darauf, ihre Familie zu sehen. "Aber ich bleibe auch fremd in der dortigen Realität." Gerade in der Großstadt komme es nur noch darauf an, dass man Geld habe. "Seit Rumänien in der EU ist, hat sich viel entwickelt. Man hat dort den gleichen Standard wie in Deutschland, was die Möglichkeiten angeht. Man muss nur das Geld dafür haben …" Doch das sei leider sehr ungleich verteilt, alles richte sich ausschließlich an der Leistung aus. "Es gibt in den Städten keine soziale Sicherung mehr. Zum Glück ist das in den Dörfern um Bukarest  anders, dort halten die Menschen noch zusammen."

Das Geld war es ursprünglich auch, was Buss-Ciontoiu nach Deutschland führte. Sie wollte jobben, um in ihrer Heimat zu studieren. "Am Anfang habe ich überhaupt kein Deutsch gesprochen, aber dann habe ich gemerkt, dass die Sprache erreichbar ist", so Buss-Ciontoiu. Inzwischen spricht sie hervorragend Deutsch. Die Sprachkurse hat sie privat finanziert, danach noch ein Jahr das Studienkolleg in Frankfurt/Main besucht. "Das war sehr schön, denn auf eine gewisse Weise waren wir alle gleich. Es war nicht schlimm, wenn man etwas nicht wusste, denn das ging allen so. Deshalb hat man sich eher etwas getraut."

Anders dann an der Universität in Münster, wo sie Pädaogik, Psychologie und Soziologie studierte: "Das war ein großer Raum voller Menschen und man selbst war ganz klein." Nicht nur die Sprache musste Buss-Ciontoiu lernen, auch das Lernen selbst. Denn sie war zur Schule gegangen, als Ceausescu noch regierte. "Freies Denken, freies Fragen war für mich in der ersten Hälfte meiner Schulzeit undenkbar." Inzwischen stellt sie viele Fragen, unter anderem in ihrer Diplomarbeit nach dem Nutzen der interkulturellen Kompetenz in der Beratungsarbeit. "Das Thema hat natürlich auch mit meiner eigenen Biografie zu tun. Ich wollte durch narrative Interviews mit verschiedenen Behörden heraus finden, was wichtig ist für die Kommunikation." 

Woher jemand kommt, wie gut man die Kultur des jeweiligen Landes kennt, ist dabei nebensächlich, hat sie erfahren. "Das wichtigste ist, zu vermitteln, dass man offen ist für jemanden. Nicht die fremde Kultur ist das Problem im Dialog, sondern das Gefühl von Vertrauen", meint Buss-Ciontoiu. "Menschen sind nicht gleich, der Rheinländer ist anders als der Bayer und Afrikaner sind anders aufgewachsen als Asiaten. Wir müssen Menschen individuell behandeln." Es sei immer gefährlich, wenn man zu sehr generalisiere und Menschen in einen Topf werfe. "Andererseits ist es notwendig, die Gemeinsamkeiten zu betonen und nicht die Unterschiede."

Buss-Ciontoiu hat sich selten ungerecht behandelt gefühlt. Aber die vielen Diskussionen, wenn wieder einmal alle Ausländer als Sündeböcke herhalten mussten, die haben sie genervt. "An der Uni ging es offener zu, da bin ich nie diskriminiert worden." Doch einmal, sie war gerade mit ihrer wenige Monaten alten Tochter und einer Freundin unterwegs, da hörte eine Passantin, wie die beiden Frauen rumänisch miteinander sprachen. Sie schlug die Tochter und beschimpfte die Frauen. "Die Polizei hat mir damals nicht geholfen und mich nicht ernst genommen", erzählt Buss-Ciontoiu. Dass deswegen alle Deutschen Rassisten seien, das hat sie nie geglaubt.

Eine "große Frage" hat Buss-Ciontoiu noch, die sie am liebsten in einer Doktorarbeit beantworten würde: Welche Identität entwickeln Migranten in Deutschland? Die Wissenschaft kennt die Begriffe der "hybriden Identität", der "Identität zwischen den Kulturen" oder der "Patchwork-Identität". Und Buss-Ciontoiu, welche Identität hat sie? "Ich fühle mich nicht dazwischen, ich denke, ich habe eine durchaus stabile, komplexe Identität mit unterschiedlichen Rollen." Und die Tatsache, dass sie in Rumänien geboren und aufgewachsen ist, ist nur eine dieser Rollen, mit denen sie spielt und in denen sie sich wohlfühlt.

bn