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Von klein zu groß

Biologen feiern Darwinjahr mit Symposium

Wenn an biologischen Instituten und Fakultäten im Jahr 2009 häufiger die Sektkorken knallen als sonst, liegt das an einem doppelten Geburtstag: Vor 200 Jahren kam Charles Darwin auf  die Welt und vor 150 Jahren veröffentlichte er sein epochales Werk "Über die Entstehung der Arten". An der WWU ist die Evolutionsbiologie mit dem Institut für Evolution und Biodiversität (IEB) besonders stark vertreten – klar, dass auch hier die Korken fliegen.

Evolutionsbiologie ist von zentraler Bedeutung. "Ihre Erkenntnisse sollten bei jeder biologischen Forschung berücksichtigt werden", sagt Prof. Joachim Kurtz vom IEB. "Viele Forschungsergebnisse der Molekularbiologie und Genetik kann man zum Beispiel erst verstehen, wenn man sie vor dem evolutionären Hintergrund betrachtet." So müssen Wissenschaftler, die bestimmte Tierarten als Modellorganismen einsetzen, den evolutionären Stammbaum der Tiere kennen. Sonst können sie nicht beurteilen, ob die Forschungsergebnisse verallgemeinerbar sind und ob sie auch auf den Menschen übertragbar sind.

Nicht nur in der Wissenschaft spielen Evolutionsprozesse eine Rolle. "Evolution findet im Alltag statt", so Prof. Kurtz. Sie zeigt sich zum Beispiel bei Zugvögeln, die ihr Wanderverhalten aufgrund veränderter Klimabedingungen variieren oder in Fischpopulationen, in denen die Tiere immer kleiner werden – abhängig von der Maschenweite der Fischernetze.

Ein bekanntes Beispiel ist die Entstehung antibiotikaresistenter Bakterien. Wird ein Mensch mit einem Antibiotikum behandelt, können einige Bakterien zufällig ein Merkmal tragen, das sie gegen das Antibiotikum widerstandsfähig macht. Diese vermehren sich dann stärker als ihre Artgenossen, sodass die resistenten Bakterien sich verbreiten. Im schlimmsten Fall entstehen Bakterien, die gegen verschiedene Antibiotika resistent und daher nur schwer zu beseitigen sind. "Evolutionsprozesse spielen auch bei der Bekämpfung anderer Krankheitserreger wie Malaria eine Rolle. Um langfristig Erfolg zu haben, müssen sie daher bei der Entwicklung von Bekämpfungsstrategien berücksichtigt werden", so Kurtz.  

 In Deutschland zählt das IEB zu den herausragenden Einrichtungen zum Thema Evolutionsbiologie. "Es gibt nur eine Handvoll Standorte, an denen Evolution wie bei uns Fachgrenzen überschreitend erforscht wird. Wir untersuchen evolutive und ökologische Themen an verschiedenen Organismengruppen sowohl theoretisch als auch experimentell", so Prof. Kurtz. Sein Kollege Prof. Erich Bornberg-Bauer ergänzt: "Evolutionsbiologie gewinnt zunehmend an Bedeutung. In den vergangenen fünf Jahren war das Thema der wichtigste Förderschwerpunkt der Volkswagen-Stiftung in Deutschland." Das IEB gehört dabei zu den Top-Gewinnern. Neben einer Förderung für ein innovatives Ausbildungskonzept zu einem Masterstudiengang im Bereich Evolutionsbiologie erhielt das Institut zwei Postdoktoranden- und ein Doktorandenstipendium. Zudem wurde dem IEB ein Projekt im Rahmen des Ideenwettbewerbs "Evolution heute" bewilligt. Für alle VW-Projekte am IEB beträgt die Fördersumme zusammen rund eine Million Euro.  

Ein vorläufiger Höhepunkt der VW-Initiative ist das erste Statussymposium Evolutionsbiologie, das vom IEB ausgerichtet wird. Das Symposium findet vom 25. bis zum 27. Februar in Velen im Münsterland statt. Unter dem Motto "Micro to Macro – Evolutionary Change" sollen von der Initiative geförderte Forscher Gelegenheit haben, ihre aktuellen Projekte und Forschungsergebnisse vorzustellen, Kontakte zu knüpfen und Kooperationen zu initiieren, um die Evolutionsbiologie weiter zu stärken.   

Das VW-Symposium ist nicht der einzige "Sektkorken", den die Evolutionsbiologen im Darwinjahr knallen lassen. Zum Beispiel wird die traditionelle Bernhard-Rensch-Vorlesung in diesem Jahr ganz unter dem Stern Darwins stehen. "Mit Axel Meyer, der vor allem durch seine Forschung zu Buntbarschen in afrikanischen Seen wie dem Viktoriasee bekannt geworden ist, haben wir einen herausragenden Evolutionsbiologen gewinnen können", so Bornberg-Bauer. Zudem werden zwei Professuren und eine Juniorprofessur wiederbesetzt, wodurch das IEB im Darwinjahr weiter gestärkt wird.  

Der Fachbereich Biologie der WWU hat noch einen weiteren Grund zur Freude: Pünktlich zum Darwinjahr wird er nach rund einjähriger Renovierung auch die Neueröffnung des IEB feiern. Dann werden Darwins "Enkel im Geiste" einmal mehr anstoßen.

ch