Neue Lehrer will das Land
"Es gibt noch erheblichen Diskussions- und Veränderungsbedarf und von Seiten des Rektorats in verschiedenen Punkten eine grundlegende Kritik am Reformvorhaben." Prorektorin Dr. Marianne Ravenstein, zuständig für Lehre, Studienreform und studentische Angelegenheiten, begrüßt zwar die Zielsetzung der geplanten Reform der Lehrerausbildung, doch sieht sie in wesentlichen Punkten noch großen Änderungsbedarf am vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform der Lehrerausbildung. Die Universität Münster zählt seit dem Wintersemester 2005/06 zu den fünf Modellhochschulen in Nordrhein-Westfalen, die die Bachelor- und Master-Abschlüsse auch für die Lehrerausbildung anbieten. Künftig sollen an allen elf Standorten in NRW die eutopäischen Abschlüsse angeboten werden. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man an der WWU nun sehr genau sagen, was funktioniert und was nicht.
Die Prorektorin begrüßt den Schritt in die Verantwortungsverlagerung zur kompetenzorientierten Gestaltung der Lehramtsstudiengänge an die Universitäten. Aber anders als angekündigt greife das Schulministerium viel zu weit reichend in die curriculare Verantwortung der Hochschulen ein. Zwar schreibe der Gesetzentwurf nicht vor, was im Einzelnen in den Fachwissenschaften und den Didaktik-Fächern gelehrt werden soll. Doch werde in einer eigenen Verordnung festgelegt, welche Voraussetzungen die künftigen Lehrer mitbringen müssen, um für das nunmehr einjährige Referendariat aufgenommen zu werden. "Wir begrüßen die Stärkung des Output-Prinzips bei der Lehrerausbildung", so Ravenstein. Dabei werde nur festgelegt, welche Qualifikationen ein Studiengang vermitteln solle, nicht aber, was im Einzelnen gelehrt werden soll. Das werde aber durch die detaillierten, für den Vorbereitungsdienst notwendigen Nachweise wieder aufgehoben.
"Man fragt sich, warum überhaupt auf Bachelor und Master umgestellt wurde, wenn kein Wechsel mehr möglich ist."
Sorgen macht sich Ravenstein auch um die Polyvalenz der Studiengänge – ein Punkt, auf den in Münster von Anfang an viel Wert gelegt wurde. Polyvalenz bedeutet, dass die Bachelor-Studierenden sich erst nach ihrem ersten Abschluss entscheiden müssen, ob sie den "Master of Education"-Abschluss anstreben und Lehrer werden oder einen anderen fachwissenschaftlichen Masterabschluss ansteuern. Der Gesetzentwurf sieht jetzt allerdings schon eine Spezialisierung auf das Lehramt im Bachelor-Studium vor, so dass ein Wechsel zu einem fachwissenschaftlichen Masterstudium nicht mehr möglich sein wird. "Wir müssten nach dem Entwurf ganz eigene Bachelor-Studiengänge für die Lehramtskandidaten aufbauen. Da fragt man sich, warum die Lehramtsstudiengänge überhaupt auf Bachelor und Master umgestellt wurden, wenn kein Wechsel nach dem Bachelor-Studium mehr möglich ist", so Hans-Joachim von Olberg, Studiendekan bei den Erziehungswissenschaftlern.
Problematisch wird es auch bei dem Status, den die Zentren für Lehrerbildung erhalten sollen. Sie sollen wie "Quasi-Fakultäten“"agieren und beispielsweise auch bei Berufungsverfahren mitentscheiden dürfen. Ravenstein dagegen sieht die Aufgabe eher in der Koordination der Praxisphasen und in der Beratung der Fächer. "Eine zentrale Aufgabe wird die Organisation des Praxissemesters in der Master-Phase sein", so die Prorektorin. Dieses werde von allen begrüßt und erwünscht, bringe aber gerade für Münster auch Schwierigkeiten mit sich. "Wir haben derzeit fast 9400 Lehramststudierende, das heißt, wir müssen zukünftig pro Studienjahr für rund 1000 Studierende Praktikumsplätze organisieren. Wie sollen wir das leisten? Die logistischen Probleme sind für den Standort Münster noch nicht gelöst", so Ravenstein.
Aber natürlich gibt es auch positive Aspekte im Gesetzentwurf. Einer der wichtigsten: Die Ausbildungsdauer für alle Lehrämter wird auf fünf Jahre festgelegt. Drei Jahre davon entfallen auf das Bachelor-Studium, zwei auf das "Master of Education"-Studium inklusive Praxissemester. Allerdings wird das Referendariat auf nur ein Jahr verkürzt, was die Prorektorin nicht für wünschenswert hält. "Viele handwerkliche Fehler" beispielsweise in den Modulgrößen oder der Frage der Abschlussarbeiten mahnt Ravenstein außerdem am Gesetzentwurf an. Und auch die Erziehungswissenschaftler sehen für ihr Fach noch Nachbesserungsbedarf. Für jede der fünf Schulformen werden die erziehungswissenschaftlichen Anteile anders benannt. "Müssen wir da etwa jeweils durchweg spezifische Module anbieten?", fragt von Olberg.
"Wenn wir die Ausbildung verbessern wollen, brauchen wir schlicht und einfach mehr finanzielle Mittel."
Führen die neuen Ausbildungsstrukturen auch zu besseren Lehrern? "Wir bekommen dann besser ausgebildete Lehrer, wenn wir auch an der WWU mehr Lehrende haben und eine bessere Betreungsrelation garantieren können. Die neuen Studienstrukturen bedeuten eine stärkere Praxisorientierung des Studiums und einen erheblich höheren organisatorischen Aufwand", mahnt Ravenstein an. "Wenn wir die Praxisanteile und die Fachdidaktiken stärken und damit auch die Ausbildung verbessern wollen, dann brauchen wir schlicht und einfach mehr finanzielle Mittel."
bn