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Dienstleister und Mitgestalter

Dr. Stefan Schwartze wird neuer Kanzler der WWU

Wl801 SchwartzeDr. Stefan Schwartze

Am 1. Februar tritt Dr. Stefan Schwartze sein Amt als neuer Kanzler der WWU Münster an. Brigitte Nussbaum sprach mit ihm über Perspektiven und Herausforderungen seiner neuen Tätigkeit.

Sie haben zuerst ein geisteswissenschaftliches Fach studiert, um dann auf Jura umzusatteln. Woher kommt diese ungewöhnliche Kombination?

Ich habe mit Altgriechisch, Latein und Alter Geschichte angefangen, weil ich einfach Spaß daran hatte und da ich durch einen charismatischen Lehrer geprägt war.

Zur Person

geboren 1966 in Wuppertal

1986 bis 1987 Studium der Altphilologie an der
Universität Heidelberg

1987 bis 1993 Jura-Studium an den Unis Mannheim,
Heidelberg und Münster

2000 Promotion

1994 bis 1996 Referendariat

1998 bis 2000 Referent bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft

2000 bis 2003 Referent im Bundesministerium für Bildung und Forschung

2003 bis 2008 Administratives Mitglied des Vorstandes des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin (MDC)

2008 Ernennung zum Kanzler der WWU Münster

Aber ich bin vielleicht etwas blauäugig an die Sache herangegangen. Lehrer wollte ich nicht werden und eine wissenschaftliche Laufbahn war mir zu unsicher. Deshalb habe ich auf Jura umgesattelt, weil ich dort die größten beruflichen Möglichkeiten sah. Durch eine Tätigkeit als Hilfskraft am damaligen Institut für Römisches Recht der WWU und mit einer Dissertation im mittelalterlichen Kirchenrecht konnte ich aber neben der Juristerei meine geisteswissenschaftlichen Interessen weiter verfolgen.

Die WWU hat ja gerade in den Geisteswissenschaften einen Schwerpunkt. Auch ein Grund, sich hier zu bewerben?

Ja, das hat mich besonders gereizt. Am Max-Delbrück-Centrum wird rein naturwissenschaftlich und fokussiert auf ein bestimmtes Forschungsgebiet gearbeitet. Ich war sehr gerne dort, aber ich freue mich auf das breitere Fächerspektrum, das ich hier vorfinde. Ein weiterer Punkt, den ich sehr reizvoll finde: Neben der Forschung wird hier auch gelehrt. Zwar habe ich am MDC auch ein internationales PhD-Programm mit initiiert und daher eine gewisse Erfahrung mit der strukturierten Doktorandenausbildung, aber die Lehre hat hier ja einen viel größeren Stellenwert.

Mit welchen Erwartungen rechnen Sie von Seiten der Studierenden?

Für die Studierenden ist im Moment die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse ein ganz wichtiger Punkt. Durch die neuen Studiengänge gibt es einen erhöhten Beratungsbedarf, dem die Universität natürlich nachkommen muss. Aber nicht nur auf die akademischen Studienbedingungen müssen wir unser Augenmerk richten. Genauso wichtig sind auch die sozialen Bedingungen wie Studienbeiträge, die Wohnsituation oder die Lebenshaltungskosten. Über die Mitarbeit im Verwaltungsrat des Studentenwerks können wir hier Einfluss nehmen.

Was, glauben Sie, wird Ihnen von Ihren bisherigen Erfahrungen besonders hilfreich sein?

Für meine Arbeit als Verwaltungschef ist die Zeit am MDC mit seinen 850 Mitarbeitern natürlich besonders nützlich. Dort habe ich Infrastrukturprozesse wie das Facility-Management neu organisiert oder verbindliche Mitarbeitergespräche auf allen Ebenen eingeführt. Solche Reorganisationsprozesse werden auch hier eine wichtige Rolle spielen – wobei viel schon angestoßen ist. Ich denke da vor allem an MOVE (MOderne VErwaltung, d. Red.). Ich bin beeindruckt, wie praktisch die Probleme angepackt werden. Da wird kein großer theoretischer Überbau bemüht, das finde ich sehr gut. Ebenfalls am MDC habe ich gelernt, wie bedeutungsvoll langfristige Zielsetzungen sind. Es ist unabdingbar für den Erfolg einer Einrichtung, dass man sich über die Ziele klar wird, zum Beispiel bei der Profilbildung im Forschungsbereich. Ich fühle mich dafür verantwortlich, an der Entwicklung dieser Ziele mitzuarbeiten und sie für sämtliche Mitarbeiter transparent zu machen.

Vor Ihrer Tätigkeit am Max-Delbrück-Centrum waren Sie Referent bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und im Bundesministerium für Bildung und Forschung, bringen also auch reichhaltige hochschulpolitische Erfahrungen mit.

Das ist richtig. Meine "Grundausbildung" im Bereich Wissenschaftsmanagement habe ich bei der DFG erhalten, in deren Geschäftsstelle ich das Emmy Noether-Programm aufgebaut habe. Ich finde die Grundidee der DFG, die auf die nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft zurück geht, bis heute wegweisend – dass die  knappen Gelder von Wissenschaftlern verteilt werden und nicht von Politikern oder  Bürokraten, denn Wissenschaftler wissen am besten, welche Projekte gut sind. Ich bin immer skeptisch, wenn die Politik zu starke inhaltliche Vorgaben macht.

Dann muss Ihnen die derzeitige Politik des Landes zumindest in puncto Hochschulen liegen.

Oh ja, zumindest was die größere Autonomie der Hochschulen angeht. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Helmholtz-Gemeinschaft habe ich diesen Prozess mit großer Neugier verfolgt. Insbesondere bin ich sehr gespannt, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Hochschulrat entwickeln wird. Das Kuratorium des MDC wurde von den Geldgebern, also von Bund und Land, dominiert. Das wird bei den nordrhein-westfälischen Hochschulen anders sein, da das Land ja nicht in den Hochschulräten vertreten sein wird. Ich werde dafür eintreten, dass wir die Freiheiten, die wir haben, auch wirklich nutzen.

Können Sie schon Schwerpunkte Ihrer Arbeit benennen?

Das ist natürlich schwierig, da ich die Uni noch nicht von innen kenne. Wichtig ist mir, dass sich Verwaltung und Infrastruktureinrichtungen als Dienstleister für Forschung und Lehre verstehen. Das ist sicherlich ohnehin schon für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverständlich, aber wir müssen stetig daran arbeiten, dass das in guter Weise verfolgt wird. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Themen, die immer wieder wichtig sind, wie zum Beispiel der Ausbau des Technologietransfers oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ein Punkt, der mich auch am MDC sehr beschäftigt hat, ist die deutsche Besonderheit, dass es nur hier eine solch starke außeruniversitäre Forschung gibt. Das ist ein strukturelles Problem, weil die besten Forscher an die finanziell bestens ausgestatteten außeruniversitären Institute gehen. Da können die Universitäten einfach nicht mithalten. Das heißt aber auch, dass die besten Wissenschaftler für die Lehre fehlen und dass sie umgekehrt keinen Zugang zu den besten Studierenden haben. Deshalb werde ich großen Wert darauf legen, die Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin und dem Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung weiter zu verbessern.

Das neue Hochschulmedizingesetz wird eine Herausforderung sein. Ich habe schon bei meiner bisherigen Tätigkeit interessante Erfahrungen mit Kooperationen im medizinischen Bereich gemacht. So haben wir am MDC mit Kliniken der Charité kooperiert, bei denen Forschung und Lehre bei der Charité liegen, die Krankenversorgung aber einem privaten Betreiber übertragen ist. Als dritter Partner hat das MDC die Translation von der Grundlagenforschung in die klinische Forschung betrieben. Das ist ein Feld, das mich sehr interessiert, und ich freue mich, dass ich kraft Amtes Mitglied im Aufsichtsrat des Klinikums bin.

Eine letzte Frage: Was haben Sie für ein Selbstverständnis als Kanzler?

Ich habe bewusst keine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen, bewundere aber jeden Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin, der oder die sich dafür entscheidet und dem enormen Leistungsdruck standhält. Meinen eigenen Werdegang habe ich demgegenüber als viel einfacher empfunden. Schon aus diesem Grund verstehe ich mich als Dienstleister, der denjenigen, die wissenschaftlich arbeiten, den Rücken frei hält. Innerhalb des Rektorates möchte ich für die langfristige Entwicklung der Universität Mitverantwortung übernehmen. Ich bin also auf der einen Seite Dienstleister, auf der anderen Seite Mitgestalter.