|
muz

Schelte und Lob per Mausklick

Bewertungsplattformen werden immer beliebter

Muz706 Bewertung 

Nicht als Scharfrichter, sondern als faire Benoter treten die Studierenden im Netz auf. Die meisten der bewerteten Professoren der WWU erhielten ein „befriedigend“ oder besser.

Foto: Peter Grewer

 
Im Seminar nichts verstanden und die Klausur vergeigt: Schuld daran war natürlich nur der Professor, der nicht erklären konnte. Und außerdem war die Zeit zu knapp. Und überhaupt, der Stoff viel zu umfangreich ... Seinem Unmut darüber Luft bei Kommilitonen machen – das war gestern. Heute führt der Weg direkt an den Computer, wo bei Plattformen wie "MeinProf.de" oder im "StudiVZ" jeder seine Meinung öffentlich kundtun kann. „Mehr Transparenz“ sieht Kommunikationswissenschaftler Prof. Christoph Neuberger als Vorteil der Angebote zum Prof-Benoten. Während früher nur Forschungsleistungen öffentlich nachprüfbar waren, sind es nun auch Leistungen in der Lehre. "Das Internet demokratisiert auf diesem Gebiet", sagt der Online-Experte.

Dennoch: Der Kommunikationswissenschaftler Neuberger steht den Bewertungsplattformen kritisch gegenüber. Zu groß sind immer noch die Missbrauchsmöglichkeiten, zu klein die Bemühungen der Betreiber, valide Bewertungsverfahren einzuführen. "Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet", findet er und verweist auf einen Professor der FH Kaiserslautern, der die Flopliste anführt – mit nur 37 Bewertungen. Darüber hinaus gibt es noch keine Handhabe gegen Mehrfachklicks durch eine Person. Manche Professoren, so haben die Betreiber anhand der IP-Adressen beobachtet, beauftragen ganz offensichtlich Mitarbeiter und Studenten, ihnen möglichst viele Einser zu geben. Andere polierten ihr Image kräftig auf, indem sie sich auf der Plattform einfach selbst einloggten und bewerteten.

"Hochschuleigene Evaluationen sind aussagekräftiger als Bewertungsplattformen."

Doch nicht alle Lehrenden versuchen ihr Renommee virtuell zu beeinflussen, einige probieren es direkt vor realen Gerichten wie jener Kläger in Berlin, der im Forum von seinen Studenten als "Psychopath" beschimpft wurde. Erfolg hatte er damit nicht: In zweiter Instanz verlor er vorm Landgericht Berlin gegen die Seitenbetreiber. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich Hochschuldozenten in ihrer Funktion öffentlicher Kritik stellen müssten. Eine pauschale Unterlassungserklärung, um kritische Kommentare zu verhindern, könne nicht eingesetzt werden. Auch könne den Betreibern niemand zumuten, Kommentare zu prüfen, bevor sie veröffentlicht werden. Momentan laufen keine weiteren Verfahren. Medienrechtler Prof. Thomas Hoeren prophezeit jedoch: "Die jetzigen Urteile sind noch nicht das Ende der Fahnenstange."

Als Medienrechtsexperte stand er den Seitenbetreibern von "MeinProf.de" während des Prozesses nicht nur bei. Der Jurist ist auch ein ausgemachter Fan solcher Foren. Kein Wunder: Mit einer Durchschnittsnote von 1,8 kann sich er sich schließlich bei "MeinProf.de" sehen lassen. Kein Einzelfall, wie Betreiber Thomas Metschke bestätigt: "Nach anfänglicher Skepsis finden die meisten der Dozenten das Portal inzwischen gut und bereichernd." Sogar ein eigenes Diskussionsforum habe man für die neue Nutzergruppe eingerichtet.

Internet-Experte Neuberger hält die Bewertungsplattformen für eine vorübergehende Erscheinung. Die hochschuleigene Evaluation, wie sie derzeit durchgeführt wird, sei aussagekräftiger. "Das geschieht auf einer solideren Basis", begründet er. Mit der Evaluationsordnung, die der Senat Anfang 2006 beschlossen hat, schuf die WWU dafür eine Grundlage. Sie sieht neben einer externen Begutachtung durch Wissenschaftler des Fachs auch studentische Veranstaltungskritik vor – einsehbar für Lehrende und Studierende.
Umstritten war bislang, wie die Ergebnisse veröffentlicht werden – ob als beschränkt zugänglicher Datensatz im BSCW-Server oder auf den Internetseiten der Institute. Der Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften hat sich auf folgende Lösung geeinigt: Die Evaluationsergebnisse werden in diesem Wintersemester erstmalig auf der Internetseite des Fachbereichs veröffentlicht, teilt der Kommunikationswissenschaftler Dr. Armin Scholl mit. Eine Idee hat ihn durch ihre bestechende Einfachheit besonders beeindruckt: Die Mathematiker haben ihre Evaluationsdaten einfach ausgedruckt und aufgehängt.

jri