|
muz

Die Rückkehr der Götter

Über 30 Millionen Euro für Exzellenzcluster

Die Götter sind zurückgekehrt: Religiöse Phänomene sind in unserer Welt der Massenmedien sichtbarer denn je; sie reichen von esoterischen Privatreligionen bis zu fundamentalistischer Gewalt. Auch an der WWU ist das Thema topaktuell –  in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder wurde im Oktober  die Förderung des Exzellenzclusters "Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne" bewilligt. Der WWU stehen damit in den kommenden fünf Jahren über 30 Millionen Euro zusätzlich für das interdisziplinäre Forschungsprojekt zur Verfügung.

In dem Cluster arbeiten Historiker, Theologen, Juristen, Sozial- und Literaturwissenschaftler eng zusammen, ausgehend von den interdisziplinären Erfahrungen mit neuen kulturwissenschaftlichen Forschungsansätzen an der WWU – unter anderem durch den münsterschen Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution". Die Historikerin Prof. Barbara Stollberg-Rilinger, die als Koordinatorin maßgeblich am Erfolg des Projektantrags beteiligt war, weist auf die Bedeutung der Kooperation hin: "Durch die Zusammenarbeit und die Besinnung auf gemeinsame Wurzeln der Wissenschaften ergeben sich ganz neue Fragestellungen."

Altvertraute europäische Selbstverständlichkeiten wie die strikte Trennung von Staat und Religion sind durch die Erfahrungen der kulturellen und ökonomischen Globalisierung in Frage gestellt, so der Ansatz der Forscher. Im Zuge globaler wirtschaftlicher Verflechtung, Massenmigration und elektronischer Medienrevolution verlieren Staaten und Amtskirchen an Steuerungsmöglichkeiten und nationale Identitäten an Bindungswirkung. Andererseits formieren sich neue Gruppenidentitäten, wobei gerade Religionen eine zentrale Rolle spielen. Fundamentalisten unterschiedlicher Prägung bemächtigen sich des politischen Raums, bekämpfen die Moderne mit eigenen Mitteln und fordern den säkularen Staat unter anderem durch Terroranschläge existenziell heraus. Religion wird erneut zum Feld politischer und sozialer Machtkämpfe. Die münsterschen Wissenschaftler werden historische Phänomene untersuchen, um daraus Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen.

Menschen auf der ganzen Welt sollen in ihren Heimatorten erreicht werden.

Im Rahmen des Clusters sind unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen, um die Forschungsziele zu erreichen. So sollen drei neue Professuren eingerichtet werden: für die Geschichte des Islam, für islamisches Recht/Rechtsvergleichung sowie für jüdische Studien. "Um die wissenschaftliche Kontinuität zu sichern, werden wir fünf Schlüsselprofessuren, deren Inhaber in den kommenden Jahren emeritiert werden, frühzeitig wieder besetzen", so Stollberg-Rilinger. Die Doktorandenausbildung ist durch eine integrierte Graduiertenschule über Fachbereichsgrenzen hinweg systematisch strukturiert. Der Austausch mit internationalen Wissenschaftlern wird gefördert und die Gleichstellung männlicher und weiblicher Wissenschaftler sowie familiengerechtere Arbeitsbedingungen werden angestrebt.

Eine wichtige Maßnahme des Clusters ist die Einrichtung eines Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit: "Wir richten ein Büro für Wissenschaftskommunikation ein", erklärt Stollberg-Rilinger. "Durch eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit dem Fernsehen und überregionalen Printmedien wie der FAZ soll die Öffentlichkeit regelmäßig über unsere Arbeit informiert werden." Zudem sind Vorträge in den internationalen Niederlassungen des Goethe-Instituts der Bundesrepublik Deutschland geplant, um Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen.

"Die Einrichtung des Clusters hat auch Vorteile für unsere Studierenden. Die aktuelle Forschung wird auch in die Lehre einfließen", so Stollberg-Rilinger. Gleichzeitig macht sie klar: "An den grundlegenden Missständen wie überbelegten Seminaren durch fehlendes Lehrpersonal wird die Einrichtung des Clusters nicht viel ändern können. Hierzu müssten Mittel vorhanden sein, die gezielt in die Lehre fließen."

Rund zwei Jahre an Vorbereitung hat es gekostet, bis die Förderung des Clusters in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative bewilligt worden ist. Nach der Bewilligung geht die Arbeit jetzt weiter. "Wir müssen die gesamte Infrastruktur des Clusters einrichten, Stellen ausschreiben und besetzen. Offiziell geht es dann Anfang 2008 mit der Forschung los", beschreibt Stollberg-Rilinger, die ihr Amt als Koordinatorin gerade niedergelegt hat. Ihr Nachfolger, Prof. Gerd Althoff vom Lehrstuhl II der Mittelalterlichen Geschichte, widmet sich nun als neuer Koordinator der Rückkehr der Götter. Er war unter anderem der Betreuer  des Graduiertenkollegs "Schriftkultur und Gesellschaft im Mittelalter".

ch