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Promotion im China-Restaurant

Doktoranden der Germanistik stellen sich zum Jahr der Geisteswissenschaften vor

 Muz 703 Ja Wort 

Was für ein Moment! Mit dem Ja-Wort als performativem Sprechakt ändert sich ein ganzes Leben binnen eines Augenblicks. 

  Foto: Peter Schramböck

 

"Gerade in einer Gesellschaft, die der Ökonomie verpflichtet ist, müssen wir zeigen, dass es Wissensbestände gibt, die genauso wichtig sind." Die Germanistin Prof. Martina Wagner-Egelhaaf kämpft für ihr Fach und hat deshalb im Rahmen des Jahrs der Geisteswissenschaften den ersten Promovierendentag des Germanistischen Instituts organisiert. Am 23. Mai werden 16 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler das Motto "Raus aus dem Elfenbeinturm!" wörtlich nehmen und ihre Promovotionsvorhaben an so unterschiedlichen Orten wie in einem China-Restaurant oder im Allwetterzoo vorstellen.

 

"Wir wollen ein kritisches Bewusstsein dafür schaffen, dass die Gegenwart eine gewachsene Gegenwart ist, die veränderbar ist und nicht einfach hingenommen werden muss", so Wagner-Egelhaaf. Da die Wahrnehmung der Wirklichkeit in entscheidendem Umfang von Sprache abhängt und durch Sprache beschrieben wird, seien die Geisteswissenschaften in besonderem Maße prädestiniert, zu erklären, wie dieses Instrument in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen funktioniert.

Da ist zum Beispiel das kleine Wörtchen "Ja". Im Alltag gerne und häufig gebraucht, bekommt es lebensentscheidende Bedeutung, wenn es vor einem Standesbeamten ausgesprochen wird. Das Aussprechen des "Ja"-Worts wird zum performativen Sprechakt, der Wirklichkeit schafft. Ein weiteres Beispiel für performative Sprechakte ist die Floskel "Ich begrüße Sie". Alexander Schnütgen wird im Standesamt in der Hörsterstraße um 15 Uhr sprachphilosophische Überlegungen zum Ja-Wort anstellen.

Gesellschaftlich höchst brisant sind die Überlegungen, was Tier und Mensch voneinander unterscheidet und was letztlich den Menschen ausmacht. Das spielt nicht nur in der Debatte um geklonte Tiere eine Rolle, sondern auch in der Diskussion um Organtransplantation oder um Tierrechte. Julia Bodenburg wird sich um 16 Uhr im Menschenaffenhaus des Allwetterzoos mit Tieren in der Literatur beschäftigen. Den Sängerkrieg auf der Wartburg nimmt sich um 14.15 Uhr Jan Hallmann im Verhandlungssaal 101B des Amtsgerichtes vor. Bereits am Vortag wird Jens Kloster im Cuba Nova eine Single-Party ausrichten, um mit ihr das Dilemma moderner Liebe zu demonstrieren.

"Die Vorgabe war, dass unsere Promovierenden möglichst kreativ und unakademisch an die Sache herangehen sollen", beschreibt Wagner-Egelhaaf die Aufgabe. Die Wahl der Orte beweist, dass die 16 sich durchaus Gedanken gemacht haben. "Aus denen wird einmal etwas werden", ist sich Wagner-Egelhaaf sicher, "einfallsreich und motiviert, wie sie sind." So, wie aus den meisten Absolventinnen und Absolventen des Instituts. "Die Arbeitsmarktlage ist lange nicht so schlecht, wie man immer glaubt. Gut ausgebildete Germanistinnen und Germanisten haben eine hohe Kommunikationskompetenz und können vielseitig eingesetzt werden", so Wagner-Egelhaaf. Zwar seien die Berufsfelder weniger klar umrissen als beispielsweise in der Ökonomie oder Medizin, aber darin liege auch eine Chance. "Der Zufall spielt zwar immer eine Rolle, aber man darf die Berufswahl nicht dem Zufall überlassen."

Weniger zufällig als bisher soll auch die Promovierendenausbildung am Institut werden. Zum 1. April kommenden Jahres wird die Graduate School "Practices of Literature" eingerichtet. Hier werden die Doktorandinnen und Doktoranden strukturiert zur Promotion geführt, nicht mehr nur durch einen Doktorvater oder -mutter. Sie erhalten stattdessen ein interdisziplinär besetztes Betreuungspanel, in dem auch auswärtige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beratend mitwirken sollen.

Diskutiert über Chancen und Möglichkeiten der Promotion sowie über zukunftsfähige Modelle der Promovierendenausbildung wird auf der Podiumsdiskussion "Promovieren – heute und morgen", die den 23. Mai beschließt. Eingeladen sind unter anderem Dr. Helga Knigge-Illner, Studienberaterin an der FU Berlin und Autorin des Ratgebers "Der Weg zum Doktortitel", sowie Christian Säfken, Vorsitzender des bundesweiten Promovierendennetzwerks "THESIS". Sie findet ab 18 Uhr im Hörsaal F1 statt.

bn

Das Programm ist unter  www.uni-muenster.de/Germanistik/jahr_der_geisteswissenschaften zu finden.