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Alles schläft, einsam wacht die Nachtschicht

Wer an Weihnachten Dienst hat, macht es sich am Arbeitsplatz gemütlich

 Weihnachtsschicht Im Hkw
 

Bringen gute Laune mit ins HKW: Dajana Winkel, Ewald Schmitz, Gerhard  Przybilla und Frank Sommer (v.l.)

 
Während es sich die Familie am 24. Dezember unterm heimischen Weihnachtsbaum gemütlich macht, geht Ewald Schmitz in die Küche und schmiert sich Stullen. Nicht, weil der 52-Jährige nach dem Festessen etwa noch Hunger hätte. Ewald Schmitz muss ins Heizkraftwerk der Uni, er hat Nachtschicht. "Klar, als Fabian und Stefan noch klein waren, war das blöd. Meine Frau Edeltraud musste mit den Kleinen alleine improvisieren. Aber wir haben uns daran gewöhnt." Seit 24 Jahren arbeitet Schmitz im Heizkraftwerk, die Kinder sind groß, Edeltraud besucht zu Weihnachten Verwandte, wenn ihr Mann Dienst hat. Der betrachtet die Sache nüchtern: "Wir haben das Beste daraus gemacht. Absagen geht schließlich nicht." Immerhin ist Ewald Schmitz mit der Nachtschicht dieses Jahr gut bedient, die Spätschicht von 14 Uhr bis 22 Uhr wäre schlimmer gewesen. Das findet auch sein 48-jähriger Kollege Gerhard Przybilla. Beide kommen aus Nordwalde, zusammen fahren sie Richtung Münster, Orleansring, zum Heizkraftwerk. Und gewinnen dem nächtlichen Dienst durchaus Positives ab. "Das geht doch schon bei der Anfahrt los: alles schön ruhig auf den Straßen, wir sind schnell am Ziel. Zimtsterne und Spritzgebäck haben wir natürlich dabei, aus dem Radio tönt weihnachtliche Musik." Gerhard Przybilla lässt wie Kollege Schmitz eine Familie an der festlich gedeckten Weihnachtstafel zurück. Bevor er startet, hat er mit Frau und Söhnen Karpfen, Kartoffeln und Sauerkraut gegessen, der Weihnachtsbaum wurde bereits morgens geschmückt. "Ich bin trotz des Dienstes am Heiligen Abend in der Regel gut gelaunt. Und irgendwie ist mir weihnachtlich zumute."

Weihnachtsschicht Krause 

Dienst ist Dienst, auch an Weihnachten: Uwe Krause sieht die Belastung gelassen.

 
Wenn Ewald Schmitz und Gerhard Przybilla gegen 22 Uhr in der Zentrale des Heizkraftwerkes eintreffen, ist die Freude bei Frank Sommer und Dajana Winkel groß. Sie haben ihren letzten Kontrollgang erledigt, die Spätschicht endet dann. Der 37-jährige Sommer fährt zurück nach Telgte, um dort mit Freundin und Kind den Abend zu genießen, die 35-jährige Winkel macht es sich mit ihrer Katze auf dem Sofa gemütlich. "So kuschelig ist das nun auch wieder nicht", fügt die einzige Frau im Heizkraftwerk hinzu, "meine Familie lebt in Cottbus, Frankfurt beziehungsweise Erfurt. Die Reise dorthin lohnt sich nicht. Am 25. Dezember kann ich ausschlafen, danach geht’s wieder zur Spätschicht, am 26. Dezember wechseln Frank und ich in die Nachtschicht. Neujahr haben wir ab sechs Uhr Frühschicht." Kollege Sommer sieht’s gelassen. "Dajana und mich hat es dieses Jahr hart erwischt. Aber der Wechsel im Schichtdienst ist gerecht und wird rund um Weihnachten und Silvester nicht manipuliert. Was sollen wir Trübsal blasen? Dajana und ich sind ein gutes Team und arbeiten gerne zusammen."

In der Zentrale des Heizkraftwerks, die einer Feuerwehrzentrale gleicht, haben Schmitz und Przybilla ihre Stullen ausgepackt, das Gebäck auf einen Teller gelegt, Kerzen angezündet. Im Hintergrund flackern bunte Lichter auf zwölf verschiedenen Monitoren. "Von hier aus steuern wir die ganze Anlage", erklärt Schmitz, dessen Blick nebenbei wieder und wieder über alle Computer huscht. "Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen", sagt er. Ebenso die Kontrollgänge, die er oder sein Kollege alle zwei Stunden unternehmen. Dabei wird die Wasseraufbereitung gecheckt, die Pumpen werden inspiziert und alle Dichtungen geprüft. Einer bleibt immer im Kontrollraum, bei einer Störung ertönt ein lautes Signal. So richtig geschwitzt haben die Kollegen des Heizkraftwerks in der Silvesternacht 1999/2000. "Da hätte mit unserer Computeranlage durchaus einiges schief laufen können. Es ist aber zum Glück nichts passiert." Vor wenigen Jahren war die Arbeit im Heizkraftwerk auch körperlich anstrengend, mussten die alten Kohlekessel doch regelmäßig entschlackt werden. Jetzt wird mit Öl und Gas gefeuert, die Anlage ist komplett automatisiert, die erzeugte Wärme geht über Fernleitungen in alle Uni-Institute. Ist die Gefahr einer Störung rund um Weihnachten groß? Schmitz erklärt: "Natürlich fahren wir an den Festtagen eine relativ geringe Leistung. Es kann aber immer etwas passieren." Und genau dann, wenn  etwas schief geht, muss Uwe Krause anrücken. Der Einsatzleiter der technischen Abteilung der Uni hat am 24. Dezember nämlich Rufbereitschaft.

"Ich wünsche mir mildes Wetter zu Weihnachten. Temperaturen zwischen fünf und zehn Grad verheißen mir ein ruhiges Fest." Uwe Krause zischt los, wenn Strom oder Heizung ausfallen, Rohre brechen, die Toiletten verstopft sind oder Einbrecher die vermeintliche Gunst der Stunde nutzen, um just am Heiligen Abend in eins der Uni-Institute einzusteigen. "Sobald ich einen Anruf aus dem Heizkraftwerk bekomme, fahre ich los Richtung Leonardo-Campus. Dort ist unsere Werkstatt und von dort aus geht es dann direkt zum Ort des Geschehens." Der 50-Jährige prüft genau, ob der Schaden bis zum nächsten Werktag mit einem Provisorium begrenzt werden kann, oder ob er weitere Experten benachrichtigen muss. Der gelernte Heizungsinstallateur hat schon mit einem Team von fünf Leuten im knöcheltiefen Wasser gestanden und literweise Schlamm aus einem Instituts-Keller geschleppt. "So ein Rohrbruch ist meistens ein dickes Ding, da verlieren wir keine Zeit." Obwohl Uwe Krause mit 16 Jahren Erfahrung als Dienstleiter ein alter Hase ist, fährt er lieber einmal zuviel raus, als einmal zuwenig. "Das gilt auch zu Weihnachten. Dienst ist Dienst, dafür werde ich schließlich bezahlt."

Vor allem, wenn dieser Hilferuf aus der Universität kommt, ist Krause in Windeseile zur Hilfe: Mitarbeiter eingeschlossen! "Das kommt gar nicht so selten vor. Und es trifft meistens die Mitarbeiter, die hinter ihrem Schreibtisch, im Labor oder zwischen Bücherreihen in der Bibliothek nie ein Ende finden." Was Frau und Tochter zum Dienstplan von Uwe Krause sagen? "Die sehen das nicht so eng. Von Braten und Rotkohl mit köstlichen Klößen lassen wir uns trotz Rufbereitschaft keinesfalls abbringen. Wenn es gut läuft, klingelt mein Handy überhaupt nicht und ich kann schön zuhause bleiben."

 Weihnachtsschicht Im Ziv 

Behalten stets den Überblick im Kabelgewirr: Stefan Wolter (l.) und Markus Speer, die an den Feiertagen Rufbereitschaft für das Zentrum für Informationsverarbeitung haben.   

 
Davon träumt der 46-jährige Markus Speer, Diplom-Mathematiker und Dienst habender Kollege des Zentrums für Informationsverarbeitung (ZIV). Zwar muss Speer nicht in seinem Büro an der Röntgenstraße auf das Klingeln seines Diensthandys warten, gleichwohl schleppt er es im weihnachtlichen Getümmel zwischen seiner Frau, den Söhnen Jan und  Timo und den beiden Töchtern Franziska und Patricia, die zwischen einem und 16 Jahren alt sind, mit sich herum. Speer ist verantwortlich für das Datennetz der Universität und des Klinikums, und das darf – Weihnachten hin, Lichterglanz her – auch am 24. Dezember nicht zusammenbrechen. Falls es ruckelt im Getriebe der Netz-Infrastruktur, an der alle Rechner in den Instituten und die Server aller Fachbereiche hängen, ist Netz-Experte Speer gefragt. "Ich bin nicht direkt für die an das Netz angeschlossenen PCs zuständig, sondern habe es eher mit Routern und Switches zu tun." Das sind Gerätetypen, die den unternehmenskritischen Netzbetrieb an der Uni und im Uni-Klinikum gewährleisten. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit für Störungen rund um Weihnachten gering, doch Markus Speer ist für alle Fälle gewappnet: Neben dem Diensthandy hat er auch ein Notebook griffbereit, über das er sich den Zugang ins Uni-Netz verschaffen kann. "So behebe ich kleinere Katastrophen von zuhause aus. Da muss ich nicht extra raus fahren." Was seinen Dienstplan angeht, hat Markus Speer Glück gehabt: Am 25. Dezember übernimmt ein Kollege den Dienst, dann kann der Familienvater voll und ganz abschalten.

So hätte es auch Diplom-Ingenieur Stefan Wolter am allerliebsten. Zusammen mit Speer wacht er per Rufbereitschaft über die Netz-Infrastruktur der gesamten Universität und des Klinikums mit über 35.000 Anschlüssen. Rund um die Uhr, immer aufmerksam und hellwach! "Wenn beispielsweise das Netzwerk der Unfall-Chirurgie abstürzt, haben die Ärzte dort keinen Zugang mehr zu wichtigen Daten und der Notfallbetrieb ist empfindlich beeinträchtigt." Sofort handeln, lautet dann das Motto, die Freundin, Eltern und Geschwister des 35-Jährigen bleiben alleine unterm Weihnachtsbaum zurück. Aber wie bei allen anderen Kollegen ist es auch bei Stefan Wolter nicht das erste Mal, dass er zu Weihnachten Dienst hat.

Weihnachtsschicht Konrad Gr
 

Vermittelt in der Uni: Konrad Große Thier

Fotos (4) Peter Grewer


"Das kann ich von mir ebenfalls behaupten", sagt Konrad Große Thier, der als Herr über 15.000 Nebenanschlüsse in der Fernsprechzentrale der Uni sitzt. Von dort ist er zuständig für Universität, Klinikum, Fachhochschule und Kunstakademie. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist der Teamleiter an seinem Bedienplatz der einzige Kollege, der die Fernsprechverteilung regelt. An einem normalen Werktag sitzen bis zu sechs Kollegen in der Zentrale. Große Thier winkt ab: "So ein Feiertag ist mit einem normalen Werktag nicht zu vergleichen." Bei ihm laufen die Fäden gewissermaßen zusammen: sowohl für externe Anrufer als auch für interne Nachfragen ist er der richtige Ansprechpartner. Ausfallen darf er nicht. Und damit andere Kollegen sehen, ob bei Große Thier alles okay ist, drückt der alle halbe Stunde auf einen Kontrollknopf. An dieser Stelle schließt sich der Kreis unter den Kollegen mit Weihnachtsdienst: Sobald Große Thier seinen Knopf betätigt, leuchtet bei den Mitarbeitern im Heizkraftwerk ein Lämpchen auf. Ein gutes Zeichen: Alles ist in Ordnung, der Betrieb läuft planmäßig.

 

cb