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Hier werden alle Meinungen respektiert

Internationales Zentrum "Die Brücke" wird 50 Jahre alt



Immer volles Haus ist im „Café Couleur“ der Brücke. Hier treffen sich ausländische Studierende aus über 70 Nationen.

Fotos (3): Michael Billig


"Wir wollen, dass alle Meinungen hier respektiert werden." Seit nunmehr 50 Jahren werden diese Worte, wie sie Geschäftsführer Joachim Sommer gegenüber dieser Zeitung formulierte, im Internationalen Begegnungszentrum "Brücke" gelebt. Heute kommen rund 3.800 Studierende der Universität Münster von außerhalb Deutschlands, die meisten aus Entwicklungs- und sogenannten Schwellenländern. Mit dem Haus in der Wilmergasse haben sie eine erste und vielleicht dauerhafte Anlaufstelle.

"Hürriyet", "Le Monde", "L’intelligent (Jeune Afrique)", "Politika", "al majdal", "Taiwan Journal", "sinorama", "Kayhan", "Pusheh" – im Zeitalter des Internets sind es zwar weniger geworden, aber die Zeitungs- und Zeitschriftentitel, die vor und hinter dem Tresen im Café Coleur ausliegen, zeugen noch immer von der Internationalität der "Brücke" – und somit auch von Universität und Stadt. Im Jahr 1956 waren gerade einmal 115 ausländische Studierende an der Uni Münster eingeschrieben. Trotzdem beschloss damals die Universitätsleitung, für sie ein Zentrum zu schaffen. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine Neugründung, sondern vielmehr um eine Neuorientierung der "Brücke", die bereits 1947 in Münster, wie in vielen anderen Städten der westlichen Besatzungszone auch, von den Briten installiert wurde. Ziel dieser Kultureinrichtungen war es zunächst, Brücken auf dem Weg zurück zur Demokratie zu schlagen. So kam das heutige Internationale Begegnungszentrum zu seinem Namen. Als die Bundesrepublik Deutschland Mitte der 50er Jahre, der "Eiszeit" im "Kalten Krieg", fest an der Seite demokratischer Staaten stand, erschien die ursprüngliche Bedeutung der "Brücken" aufgehoben und sie wurden deutschlandweit aufgelöst oder in Volkshochschulen eingegliedert. Nicht so in Münster, wo sie inzwischen dem Auslandsamt der Universität angehört. "Es ist ein Qualitätsmerkmal der Uni, dass sie sich die Brücke leistet", betont Sommer, der hier seit 1977 die Geschäfte führt.

50 Jahre nach Institutionalisierung der "Brücke" als Internationales Begegnungszentrum gibt es im Haus eine iranische, eine ungarische und eine kroeanische Bibliothek. Nachhilfe in Deutsch und Kurse in interkultureller Kompetenz gehören ebenfalls zu den Angeboten des Hauses. "Auf was muss ich in Deutschland achten? Wie schätzen die Deutschen mein Verhalten ein?" Das sind Fragen, die erörtert werden. Darüber hinaus gibt es Wechselausstellungen und zahlreiche kulturelle Veranstaltung. Die koreanische Filmwoche war beispielsweise ein Höhepunkt im vergangenen Jahr. Gut besucht und beeindruckend gemacht war auch "Outspoken", eine Veranstaltung "wider das Verstummen". Sie wurde von Chantal-Fleur Skähr, Studentin der Kommunikationswissenschaft und der angehenden Buchhändlerin Kabasia Chuwa organisiert. Jörg Rostek, Student der Politikwissenschaft, hat einen Literaturabend ins Leben gerufen. Die drei machten deutlich, dass man sich mit einer Idee und mit Engagement jederzeit an die "Brücke" wenden kann.



Ansprechpartner für Studierende aus Afrika ist Ahmed Sekou Tidiane Toure, der seit zwei Jahren in der "Brücke" arbeitet.


Ahmed Sekou Tidiane Toure arbeitet seit knapp zwei Jahren als Hilfskraft in der "Brücke". Er hat nicht nur Thekendienste, sondern steht anderen afrikanischen Studierenden als Ansprechpartner zur Verfügung und untersützt sie bei Behördengängen und der Zimmersuche. Toure selbst ist 1997 aus der Elfenbeinküste nach Deutschland gekommen. 2000 begann er in Münster das Studium der Politikwissenschaft, Wirtschaftspolitik und Kultur, Kommunikation und Management. Seitdem geht er in der "Brücke" ein und aus, liest hier ein Magazin, welches regelmäßig über sein Heimatland und den gesamten Kontinent berichtet. 2003 war er an der Gründung der Afrikanischen Studierenden Union beteiligt. "Wir diskutierten darüber, wie man Afrika hier zeigen kann", erzählt Toure. Nach ungefähr einem Jahr ging die Union aber wieder auseinander. Zwar besteht sie formell noch heute, aber die Mitglieder kommen nicht mehr zu den Treffen. "Die meisten müssen nebenbei arbeiten, um sich über Wasser zu halten. Abends bleibt daher keine Zeit mehr, so viel zu besprechen", so Toure, der das zu bedauern scheint. "Ich kann es aber gut nachvollziehen. Entweder machst du nach der Arbeit noch etwas für die Uni oder isst noch etwas und gehst dann ins Bett", zeigt er Verständnis.



Ruhender Pol: Joachim Sommer leitet seit 1977 die "Brücke". Er hat für alle Sorgen der Studierenden ein offenes Ohr.


Ökonomischer Druck hat zugenommen

Sommer sagt, dass sich die "Brücke" künftig verstärkt auf die Betreuung ausländischer Studierender konzentrieren wird. Die politische Arbeit ist angesichts des zunehmenden ökonomischen Drucks weniger geworden. "Jeder möchte inzwischen so schnell und so gut wie möglich abschließen", sagt Sommer. Das war in den 70er und 80er Jahren noch anders gewesen. Damals hat sich die "Brücke" auch als Zentrum politischer Kultur in Münster etabliert. Dabei ging es nicht immer so ruhig zu wie heute. Im November 1981 kam es zu den heftigsten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen. "Die einen waren Flüchtlinge aus Afghanistan, das in jener Zeit von der sowjetischen Armee besetzt war. Die anderen waren afghanische Studierende, pro-sowjetisch. Sie unterstützten hier einen türkischen Kulturabend." Sommer erinnert sich noch genau an diesen Tag, wie er auf einem Tisch stand, versuchte, die Gemüter zu beruhigen, während um ihn herum eine wilde Schlägerei stattfand. "Die junge Leute bringen die Probleme aus ihren Heimatländern mit an diesen Ort. Hier werden sie aufgefangen", so der Sozialpädagoge. Um so bedeutender sind auch die Aufgaben der zwölf studentischen Hilfskräfte einzuschätzen. Sie kommen wie viele "Brücke"-Besucher aus allen Teilen der Welt: "Sie können die Problematik ihrer Landsleute am ehesten verständlich machen und zwischen den verschiedenen Kulturen vermitteln." So gelingt es, dass palästinensische, kurdische, iranische, griechische, bulgarische und afrikanische Vereine unter einem Dach wirken können. "Es geht darum, ein Klima zu schaffen, dass alle diesen Ort als ihr Zentrum betrachten", betont Joachim Sommer.

Im Erdgeschoss des Hauses ist auch das Büro von Alumni International untergebracht. Montags und freitags ist dort Ximena Meza Correa-Flock zu erreichen. Sie kommt gebürtig aus Santiago de Chile und studierte in Münster. Die diplomierte Pädagogin pflegt seit 1997 die Kontakte zu den Ehemaligen. Im gleichen Jahr gab es in der "Brücke" ein erstes Wiedersehen von Alumni aus Griechenland. "40 bis 50 Leute sind da zusammengekommen", erinnert sich Correa-Flock. "Anfangs haben wir den Kontakt über E-Mails halten können. Inzwischen erreichen uns so viele Nachrichten, dass ich nicht mehr so schnell hinterher komme, allen zu antworten", erzählt sie weiter und fügt hinzu: "Da ist eine Menge Potenzial vorhanden." Das sieht auch Sommer so und gibt zu bedenken: "Jemand, der sein Studium hier absolviert, geht als Botschafter für Deutschland in sein Land zurück." Beispiele dafür gibt es viele, um nur einige zu nennen: Dr. Kébé Kante (Elfenbeinküste) und Patricio Juna Barrios (Ecuador) sind heute in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Dr. M.O. Kehinde (Nigeria), Prof. Abdulkader Saleh (Eritrea), Prof. Usama Antar (Palästina), Prof. Seong-Jae Kim (Korea) sowie Dr. Marcos Gomez (Brasilien) haben an Universitäten in ihren Heimatländern einen Lehrauftrag bekommen.

Ahmed Sekou Tidiane Toure kann sich für die Zukunft eine Aufgabe in der Entwicklungszusammenarbeit vorstellen. Bei der Konrad-Adenauer-Stiftung hat er deswegen schon vorgesprochen. Zurzeit schreibt Toure aber noch an seiner Magister-Arbeit über Kinderarmut im Senegal.

Am 28. Apri findet in der Brücke ein internationaler Musikabend mit Musik aus Afrika, Bulgarien und Ägypten statt. Eine Podiumsdiskussion über "Dialog oder Konflikte der Kulturen?" folgt am 11. Mai. Bereits am 20. Mai steigt das Internationale Sommerfest auf dem Schlossplatz. Und als krönender Abschluss findet am 13. Juni in der Aula des Schlosses eine Festveranstaltung "50 Jahre - Die Brücke" statt.

Michael Billig