Mit Ausdauer ihre Ziele verfolgt
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Bekommt nie mehr rote Ohren vom vielen Telefonieren: Edelwida Faber Foto: cr |
Nun sitzt sie in ihrem ehemaligen Büro im Südflügel des Schlosses und genießt die Stille. 500 Azubis wurden unter ihren Fittichen zu Bürofachleuten beziehungsweise Kaufleuten für Bürokommunikation ausgebildet. So gut wie alle sind durchgekommen und konnten größtenteils anschließend übernommen werden. Hinter ihr liegen stundenlange Telefonate, die ihre Ohren Tag für Tag zum Klingeln brachten. Unzählige Male klopfte es an der Tür: "Ich hab’ gehört, Sie sind dafür zuständig." Sie hielt Kontakt zu Schulen, kümmerte sich um Verwaltungsangelegenheiten und setzte immer auf menschliches Miteinander statt Gegeneinander. So schickte Faber schon mal den eigenen Hausarzt zu einer jungen Frau, die sich einen Tag vor der schriftlichen Prüfung zur Kauffrau für Bürokommunikation mit nahezu 40 Grad Fieber nicht mehr zu helfen wusste. Am nächsten Tag rief sie die Ausbildungsleiterin an und berichtete: "Ich hab’s geschafft und bin geschafft und leg’ mich jetzt ins Bett!"
Eigentlich wollte Edelwida Faber Psychologie studieren, dann Lehrerin werden. Doch daheim war das Geld knapp, die sechs Kinder mussten früh selbst dazu verdienen. 1946 wurde die Familie aus Schlesien vertrieben. Dort hatte der Vater einen 120 Morgen großen Bauernhof besessen und unter anderem auch eine private Hengststation betrieben, durch die er weithin bekannt war. Fünf Jahre alt war Edelwida, als es von der Grafschaft Glatz in Viehwaggons nach Westfalen ging. Die achtköpfige Familie landete bei einem Bauern in Laer. Der Vater arbeitete praktisch rund um die Uhr. Weil es in dem zugigen, undichten Kotten von den Decken tropfte, schliefen die Kinder mit Regen-Capes über den Betten, die vier Mädchen teilten sich zwei schmale Schlafstätten. "Das war einfach Pech, dass wir ausgerechnet dorthin kamen. Wir waren froh, wenn wir was Gutes zu essen bekamen." Als beim Vater eine Berufskrankheit diagnostiziert wurde, kam die Wende: Vater Faber nutzte die Zwangspause, kaufte in Borghorst ein kleines Grundstück und baute mit der Familie ein Haus.
Edelwida Faber hat ihre Ziele immer klar vor Augen gehabt. Ihr Leben bestand nach Volks- und Handelsschule sowie der Ausbildung zur Bürogehilfin aus Arbeit, Weiterbildung und sozialem Engagement. Die staatliche Prüfung für Lehrer der Textverarbeitung machte sie nebenbei und fing nach über 23 Jahren Berufserfahrung in der freien Wirtschaft im Sommer 1980 bei der Uni an. Hier opferte sie ihren Urlaub und viele Wochenenden, um im Frühjahr 1983 noch die geforderte staatliche Prüfung als Lehrerin für Kurzschrift abzulegen. Zwischenzeitlich ergab sich die Möglichkeit, in den Schuldienst zu wechseln, doch da wollte sie nicht mehr. "Ich war Anfang 50, das Fach Kurzschrift wurde im Arbeitsalltag nicht mehr so stark nachgefragt und ich hätte aus Münster wegziehen müssen. Es war ja auch nicht so, dass die Arbeit hier keinen Spaß machte. Ich hatte mit Ute Jankrift eine sehr zuverlässige und kooperative Kollegin, viele hilfsbereite Ausbilder und Ausbilderinnen und konnte eigenverantwortlich arbeiten, weil uns die Vorgesetzten immer freie Hand ließen und sehr verständnisvoll waren."
Verständnis ist eines der Lieblingswörter von Edelwida Faber. So versuchte sie immer wieder, ihren Azubis Gemeinsinn zu vermitteln. Dass sich ihre Azubis zu sozialen Menschen entwickelten, war ihr ebenso wichtig wie das Streben nach Erfolg. Was nicht heißt, dass sie keine Prinzipien hat: gute Umgangsformen, gutes Deutsch, gutes Englisch. Schließlich ist das Sekretariat Dreh- und Angelpunkt eines jeden Instituts. Da muss eine Person sitzen, die alles im Griff hat. "Vor allem", sagt sie lachend, "wenn sie auch noch ihren Chef organisieren muss."
Manchmal lachte sie nicht mehr. Wenn Azubis den Zusatzunterricht in Englisch, den die Uni bezahlt, laufend schwänzten, dann zitierte sie diese zu sich und sie scheute sich auch nicht, "Störenfriede" zur Rechenschaft zu ziehen. Kein Pardon kannte sie auch bei fehlerhaften Briefen. "Der Brief ist die Visitenkarte eines Betriebs. Wenn jemand fünfmal einen Brief geschrieben hat und dieser immer noch nicht einwandfrei war, habe ich halt ein fünftes Mal Tipps gegeben, wie man am besten Korrektur liest und wie man sich besser konzentriert", erzählt Faber. "Heute würde ich nicht mehr so viel durchgehen lassen."
Doch viele haben sich gut entwickelt. Deswegen wird Faber ihre Auszubildenden vermissen und sich freuen, wenn sie hört, was aus ihnen geworden ist. Zunächst gehört die Zeit von Edelwida Faber aber Dingen, die vorher zu kurz kamen: Theaterbesuchen, Fahrradtouren, Wanderungen, Saunagängen. Sie wird alte Freundschaften pflegen, die Kontakte zu Deutschen und Polen in ihrer ehemaligen Heimat verstärken und sich weiterhin im Vorstand des "Grafschaft Glatz e.V. Münster", der das kulturelle und religiöse Heimaterbe wach halten möchte, engagieren. Auch das Missionswerk des Großdechanten der Grafschaft Glatz, Prälat Franz Jung in Münster, wird sie weiter unterstützen, für Projekte in Afrika, Asien und Südamerika spenden. So soll auf der philippinischen Insel Mindoro ein Bildungszentrum entstehen.
Im nächsten Jahr möchte sie selbst auf die Philippinen reisen, um die Lebenswelt der Mangyanen ein wenig zu erspüren. Sie hat nicht aufgehört zu träumen, dass jeder die gleichen Bildungschancen hat und kein Kind auf dieser Welt hungern muss.
Conni Rist
