Zu teuer oder zu billig?
Im Jahr 1992 wurde das von allen Studierenden getragene Semesterticket in Münster eingeführt. Es sollte den Studierenden der Münsterschen Hochschulen ermöglichen, preiswert mit Bus und Bahn mobil zu sein. Nicht alle waren damals mit der Mobilitäts-Solidarität einverstanden. Es gab Rechtsstreitigkeiten bis zum Verfassungsgericht. Auch heute wird wieder um das Semesterticket gestritten, und zwar zwischen den Stadtwerken als einem der Anbieter des Semestertickets und den Vertretern der Studierendenschaft. Die einen wollen den Preis des Tickets stufenweise auf runde 86 Euro anheben, die anderen wollen ihn von den heutigen 49,80 Euro auf 42 Euro pro Semester absenken.
Als Ursache für die geplante Anhebung des Preises nennen die Stadtwerke den Wegfall von Förderungen durch das Land. Insgesamt förderte Nordrhein-Westfalen die Semestertickets in den Hochschulstädten mit 30 Millionen Euro. Die Hälfte der Ticketmehrkosten floss damit an die Unternehmen zurück. Dass die Zuschüsse sinken, legte das sogenannte Koch/Steinbrück-Papier fest, das im Jahr 2004 verabschiedet wurde. Bis 2006 sollen die Landeszuschüsse für Schüler- und Studentenbeförderung um 24 Prozent gesenkt werden.
Die Studierenden halten dagegen, dass der Service in den letzten Jahren stark zusammengeschrumpft ist. Nach ihren Angaben fallen früher angebotene Bahnstrecken weg, was die Stadtwerke bestreiten. Außerdem bemängeln sie, dass sie für die Nachtbusnutzung und die Fahrradmitnahme dazuzahlen müssen. Darüber hinaus sei nach Einführung der Studiengebühren für Langzeitstudierende der angebliche "Missbrauch" des Semestertickets unwahrscheinlich geworden.
Wegen der entgegengesetzten Positionen musste ein Schlichter her. Winfried Welter, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadtwerke, Universitätsmitarbeiter und ehemaliger SPD-Ratsherr fällte ein Urteil, das beide Seiten "mit Bauchschmerzen" annahmen. Welter setzte den Preis für das Ticket im Sommersemester 2006 auf 51,85 Euro fest und schlug neue Vertragsverhandlungen bis zum 31. Mai dieses Jahres vor. Falls in diesen Verhandlungen keine Einigung erzielt wird, soll im Wintersemester 2006/2007 der Ticketpreis auf 54 Euro angehoben werden. Den Stadtwerken sind beide Erhöhungen zu niedrig, den Vertretern der Studierenden viel zu hoch. So wurde der Schlichterspruch auch erst in der zweiten Abstimmung durch das Studierendenparlament angenommen.
Einen von beiden Seiten positiv aufgenommenen Vorschlag machte Welter
jedoch: Bis zum 31. März soll ein Gutachten erstellt werden, das anhand
von Nutzungswerten die Basis für die Neuberechnung des Semestertickets
bildet. Die Stadtwerke übernehmen die Kosten. Die Gutachter, die Ziele
des Gutachtens und das methodische Vorgehen werden von beiden
Vertragsparteien gemeinsam beschlossen.
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