"Lass Dich nicht aufhalten!"
Noch immer sind Physikerinnen eine Minderheit. Rund 60 bis 70 Professorinnen, so schätzt Prof. Cornelia Denz, gibt es in Deutschland. Doch die Zahl der Studentinnen und der Schülerinnen, die sich für Physik interessieren, nimmt stetig zu. Um sie zu ermutigen, hat Denz gemeinsam mit der Berliner Wissenschaftshistorikerin Dr. Annette Vogt den Band "Einsteins Kolleginnen – Physikerinnen gestern und heute" geschrieben.
"Tu, was Dir Spaß macht und lass Dich nicht aufhalten", ist eines der Leitmotive, die sich durch die Biografien der 16 zeitgenössischen deutschen Physikerinnen zieht. Von der grundlagenorientierten Forscherin bis hin zur Experimentalphysikerin sind alle Bereiche abgedeckt. Acht Bahnbrecherinnen der Physik von Marie Curie bis hin zu Lise Meitner sowie fünf junge Physikerinnen, die ihre Karriere noch vor sich haben, ergänzen die Lebensbilder. Während die historischen Vorbilder noch allein deshalb diskriminiert wurden, weil sie Frauen waren und beispielsweise erst ab 1920 habilitieren durften, müssen die Physikerinnen heute andere Entscheidungen treffen. Vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ein Problem, weiß Denz, die in Frankreich arbeitete und ihre Kinder dort ganz unproblematisch betreuen lassen konnte.
"Verzichte auf nichts, gib nicht das eine für das andere auf", ist denn auch bei fast allen Physikerinnen der Gegenwart herauszulesen. Klar wird auch, dass Kind und Karriere nur möglich sind durch eine tiefe Liebe zur Physik. Für fast alle stellte sich erst gar nicht die Frage, ob ein anderer Lebensweg möglich sei. "Von Meitner ist überliefert, dass sie sich ohne Physik nicht habe denken können", so Denz. "Es ist so befriedigend, an einem wissenschaftlichen Problem zu arbeiten und dann eine Lösung zu finden, das ist wie ein kreativer Akt."
Ein kreativer Akt, um den Frauen lange ringen mussten. Fast nie konnten sie auf die Unterstützung männlicher Kollegen wie Max von Laue bauen, der am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut Frauen als Assistentinnen förderte. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, mussten einige der Physikerinnen wie Lise Meitner emigrieren, weil sie Jüdinnen waren. Andere waren durch die Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch neue, "linientreue" Chefs oder durch die Idealisierung der Frau als Mutter und Hausfrau gefährdet. Einstein selbst unterstützte zwar die Emigrantinnen mit großem Engagement, nahm sie aber nicht unbedingt als wissenschaftliche Kolleginnen wahr.
"Wir wollen zeigen, dass viele Wege zu einem erfüllten Leben mit Physik führen. Die porträtierten Frauen haben ganz unterschiedliche Lebenswege, Ausbildungen und Entscheidungen, die sie zur Physik führten. Sie eint jedoch die Liebe und Begeisterung zum Fach", unterstreicht Denz ihre Intention. Das gilt für die heute etablierten Physik-Professorinnen, dass gilt aber auch für jene, die ihre Zukunft noch vor sich haben: "Die Studentinnen von heute wissen, dass sie alles tun können, ohne dabei noch geschlechtsspezifische Bedenken zu haben."
bn
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