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Mittler zwischen den Kulturen ist Prof. Assaad Elias Kattan. Foto: pg |
Der 37-Jährige weiß um die Macht von Glaubenskriegen und Spaltungen, weist doch gerade die orthodoxe Kirche verschiedene Richtungen auf. Zwei große Familien gibt es: die byzantinisch-orthodoxe und die orientalisch-orthodoxe Kirche. Zu ersterer gehören unter anderem griechisch-orthodoxe und russisch-orthodoxe Gläubige, zu letzterer unter anderem Kopten und Syrisch-Orthodoxe. Die beiden Familien trennten sich im Jahr 451 auf dem vierten ökumenischen Konzil von Chalcedon. Grund war die Frage, ob Jesus von Nazareth zwei Naturen habe, nämlich eine göttliche und eine menschliche, oder nur eine einzige "fleischgewordene" Natur. "Inzwischen haben wir festgestellt, dass es im Grunde ein Streit um Begriffe war. Beide Zweige akzeptieren, dass Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist", sagt der gebürtige Libanese. Er selber gehört der byzantisch-orthodoxen Kirche von Antiochia an.
In der Vielfalt der verschiedenen autonomen Einheiten weist die orthodoxe Kirche sozusagen ein Mittelmodell zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche auf. Ein zentrales Oberhaupt aller Orthodoxen wie im Katholizismus fehlt. Mit über einer Million Mitgliedern ist sie die drittgrößte christliche Glaubensgemeinschaft in Deutschland, vor allem durch Einwanderer, die auch in den jeweiligen Bundesländern die Ausprägung bestimmen. In Nordrhein-Westfalen leben vor allem Anhänger des griechisch-orthodoxen Ritus. Ihre Kirche ist als einzige unter den orthodoxen Kirchen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. "Deshalb sind wir hier in NRW in einer bevorzugten Situation. In anderen Bundesländern sind beispielsweise einige Fragen des Religionsunterrichtes immer noch ungeklärt", so Kattan. Sein Vorgänger Prof. Anastasios Kallis, der noch heute Vorsitzender der Komission orthodoxer Kirchen in Deutschland (KOKiD) ist, engagierte sich deutschlandweit von 1979 bis 1999 für die Ausbildung orthodoxer Religionslehrer. Diesen Schwerpunkt will auch Kattan fortführen und weiter aufbauen.
Kattans Lebenslauf spiegelt die Begegnung verschiedener Kulturen wider. 1967 in Beirut geboren, studierte er im Libanon, Thessaloniki, Erlangen und Marburg, wo er 2001 promovierte. Danach wechselte er zurück in sein Heimatland an die Universität von Balamand, um schließlich im vergangenen Jahr als Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg zu arbeiten. Auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit bemüht er sich um den Austausch zwischen den Religionen: So gehört zu seinen Schwerpunkten die Rezeption moderner Hermeneutik in islamischen Kreisen des Libanon. "Heutzutage ist keine Theologie mehr möglich, ohne auch den Islam zu berücksichtigen", stellt Kattan fest. "Und ich komme ohnehin aus einer kirchlichen Tradition, in der der Dialog mit den Muslimen sehr stark gepflegt wird" – eine Tradition, für die er am Centrum für Religiöse Studien die perfekten Partner findet.
bn
