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Global denken lernen

Die internationalen Alumni fühlen sich der Universität noch immer stark verbunden


Die Heimat nicht ersetzen kann die "Brücke", aber immerhin einen Ort bieten, an dem sich Gleichgesinnte treffen.

Foto: bg

Ein Markenzeichen der Uni Münster sind die weit reichenden Auslandskontakte. Rund 400 offizielle Partnerschafts- und Kooperationsabkommen verbinden sie mit Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in aller Welt. Von den knapp 40000 Studierenden der Universität kommen im laufenden Sommersemester 3534 aus dem Ausland. Die meisten aus Europa, aber etwa ein Drittel auch aus afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern. Der Anteil der ausländischen Studierenden liegt relativ konstant bei acht Prozent. Vielen von ihnen gefällt das Studium und Leben in Münster so gut, dass sie auch nach ihrem Examen und der Rückkehr ins Heimatland den Kontakt zur Hochschule aufrechterhalten wollen.

Walter Frantz ist einer von 1340 internationalen Alumni der Universität, die gerne an ihre Studienzeit in Münster zurückdenken: "Das Studium ermöglichte mir nicht nur einen Zugang zur Welt der Wissenschaft, sondern durch das Miteinander mit Studierenden aus aller Welt auch zur kulturellen Vielfalt", erinnert sich der Brasilianer deutscher Abstammung, der von 1976 bis 1980 am Institut für Genossenschaftswesen studierte. "Ich bewahre ausgezeichnete Erinnerungen an die Lehrkräfte, die Bibliothek und das internationale Zusammenleben an der Universität." Auch die Stadt Münster hat bei dem heutigen Rektor der südbrasilianischen Universidade de Ijuí einen bleibenden Eindruck hinterlassen: "Die Stadt hat eine hervorragende Infrastruktur und bietet hohe Lebensqualität", sagt Frantz. "Meine Frau und ich haben uns in die Stadt verliebt, und bei der Beendigung unseres Studiums blieben trotz aller Freude auf die Heimkehr einige Wurzeln unserer Gefühle in Münster haften." Allerdings hat das Ehepaar Frantz im wahrsten Sinne des Wortes ein Stück Münster mit in die alte Heimat nehmen können: "Neben den Bildern und Souvenirs brachen wir aus Münster mit einem dort geborenem Sohn auf, der uns immer an die Spaziergänge entlang der hübschen Promenade und des Prinzipalmarktes erinnert."

Ähnliche Erinnerungen hat auch Seong-Jae Kim aus Südkorea. Der heutige Professor an der Seoul-Universität studierte in Münster siebeneinhalb Jahre lang Kommunikationswissenschaften und blickt immer noch gerne auf diese Zeit zurück: "Am Anfang war Münster für mich sehr fremd, aber dann habe ich mich ziemlich schnell an die deutsche Kultur gewöhnt, auch weil die Menschen immer sehr freundlich und hilfsbereit waren." Sein Studium in Münster habe sein Leben sehr verändert und sein deutsches Examen sei in Südkorea sehr hoch anerkannt worden. Gerade die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Münsteraner ist auch der an der Universität von Lagos lehrenden Historikerin Eno Blankson Ikpe aus Nigeria im Gedächtnis geblieben, die ab 1988 Neuere Geschichte, Ethnologie und Politikwissenschaft in Münster studierte und 1993 mit magna cum laude promovierte. "Ich bin nach Abschluss meines Studiums den Alumni beigetreten, um weiterhin mit der Universität in Kontakt zu bleiben, die mir eine gute und solide Ausbildung ermöglicht hatte", erklärt Ikpe. "Außerdem wollte ich mein persönliches Netzwerk ausbauen."

Besonders starke Bindung an Münster

Um den internationalen Alumni den Kontakt zu erleichtern und sie an ihre ehemalige Hochschule zu binden, hat die Universität vor zehn Jahren im Internationalen Zentrum "Die Brücke" eigens das Nachkontaktebüro "Alumni International" eingerichtet. "Leider ist es oft schwierig, Ehemalige zu motivieren, den Kontakt zur Universität aufrecht zu erhalten, da meist nur zu den Fachbereichen engere Bindungen bestehen und die Universität als Ganzes eher als abstraktes Gebilde erscheint", erklärt der Leiter der "Brücke", Joachim Sommer. "Allerdings haben wir als Internationales Zentrum den Vorteil, dass die meisten ausländischen Alumni schon als Studenten zu uns in die Brücke gekommen sind, so dass es sich anbot, die Alumni-International-Stelle hier anzusiedeln."

Anders als die deutschen sind die 1340 bei „Alumni-International“ gemeldeten ausländischen Alumni, die zu 75 Prozent aus Entwicklungsländern stammen, in ihrer Heimat überwiegend im wissenschaftlichen Bereich als Hochschulprofessoren, in Ministerien oder nichtstaatlichen Organisationen tätig. Sie haben aufgrund der Eingewöhnungsphase mit dem Erlernen der deutschen Sprache und dem Zusammentreffen mit einer völlig anderen Mentalität und Kultur meist eine stärkere Bindung an Münster als die deutschen oder europäischen Absolventen. "Das haben alle internationalen Alumni gemein und das verbindet sie auch", meint "Brücke"-Leiter Sommer. Um dieses Gemeinschaftsgefühl aufrecht zu erhalten und den ehemaligen Absolventen Gelegenheit zum privaten und wissenschaftlichen Austausch zu geben, hat "Alumni International" in der Vergangenheit bereits mehrere Alumni-Treffen organisiert. Das letzte fand im Dezember 2001 unter dem Thema "Internationalisierung der Hochschule" statt. "Unser Ziel war es immer, dass man sich erst einmal trifft und dann darauf aufbaut", schildert Joachim Sommer die Philosophie der münsterschen Alumni-Treffen. Durch die für beide Seiten vorteilhaften Zusammenkünfte sind bereits Partnerschaften und Kooperationen zwischen hiesigen Professoren und Alumni hervorgegangen, die heute selbst als Professoren in ihrem Heimatland tätig sind.

Beispielsweise findet zwischen dem Institut für Politikwissenschaft und der brasilianischen Universidade de Ijuí in Person von Prof. Frantz nicht nur ein reger wissenschaftlicher Dialog über Lehre und Forschung, sondern auch ein personeller Austausch von Wissenschaftlern und Studenten statt. "Diese Beziehungen sind für mich persönlich wie auch für meine Heimathochschule wichtig, weil es dank der Beteiligung von Hochschullehrern der WWU und von Führungskräften der Stadt Münster möglich war, bestimmte Projekte in unserer Region zu verwirklichen", erläutert Frantz die Bedeutung der wechselseitigen Kooperation. Außerdem sei das Studium in Münster auch in beruflicher Hinsicht ein entscheidender Faktor für ihn gewesen, da es ihm neben theoretischen Kenntnissen auch neue Horizonte eröffnet hätte. "Ohne diese Erfahrungen und dieses Zusammenleben in Deutschland hätte ich einige meiner Initiativen in Brasilien sicher nicht ergriffen", ist der Brasilianer überzeugt. "Während meines Studiums in Münster erwachte mein Interesse an der Regionalentwicklung und an Umweltfragen. Seither fördere ich hier in unserer Region ähnliche Projekte und Aktivitäten."

Auch Eno Blankson Ikpe beeinflussen die in Münster gemachten Erfahrungen bis heute. "Meine Professoren waren alle sehr nett zu mir und zeigten Verständnis und Toleranz. Sie nahmen sich geduldig meiner Probleme an und halfen mir bei deren Lösung", erinnert sich die Nigerianerin. "Dieses Verhalten hat meinen heutigen Umgang mit meinen eigenen Studenten wirklich stark beeinflusst. Ich habe bei meinen Kursen in deutscher und europäischer Geschichte ebenfalls Verständnis für sie, versuche ihre Probleme zu lösen und ihren Stress zu vermindern."

Der palästinensische Politikwissenschaftler Usamar Antar versuchte während seiner dreijährigen Lehrtätigkeit an der Al-Azhar Universität in Gaza ebenfalls, sein in den Jahren 1991 bis 1998 in Münster erworbenes Wissen an seine jungen Studenten weiterzugeben. "Die meisten von ihnen hatten nie die Möglichkeit, den Gazastreifen zu verlassen. In meinen Vorlesungen habe ich daher oft Beispiele aus Deutschland verwendet", erklärt der heutige Programmmanager der Friedrich-Ebert-Stiftung im Gazastreifen. "Ich würde sagen, dass unser Studium in Deutschland aus uns Botschafter für die Sache Deutschlands gemacht hat."

Über diese Art der Netzwerkbildung hinaus können die Alumni-Treffen wie im Falle Usamar Antars auch eine wichtige Entscheidungshilfe für ein weiterführendes Studium in Münster darstellen. "Den Alumnitagungen ist es zu verdanken, dass wir miteinander verbunden bleiben, dass wir gemeinsam Verständigung und Dialogbereitschaft zeigen und praktizieren und dass wir gemeinsam global und füreinander denken können“, beschreibt der Palästinenser den Wert der Alumni-Treffen. „Die Alumnitagung 2001 hat mir so gut gefallen, dass ich mich entschied, meine Promotion doch in Münster zu schreiben."

Neuauflage des Alumni-Treffens gefährdet

Allerdings ist eine Neuauflage dieses interdisziplinären Treffens, an dem 40 Alumni mehrerer Fachbereiche, Nationalitäten und Kulturkreise teilnahmen, stark gefährdet. Denn der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), der die Treffen bisher finanziell unterstützt hat, hat nach dem Motto "lebenslanges Lernen" seinen Förderungsschwerpunkt von der Netzwerkbildung auf den Bereich der Fortbildung verlegt. Um weiterhin finanzielle Unterstützung durch den DAAD zu erhalten, müsste das nächste Treffen eine Art Sommerschule mit inhaltlichem Schwerpunkt und der Unterstützung eines Fachbereichs sein und die geforderte Weiterbildungskomponente mit fachlichem Austausch beinhalten. "Das ist zwar auch für uns von Interesse", meint Joachim Sommer, "die Frage ist allerdings, ob wir unter unseren Arbeitsvoraussetzungen so etwas auch leisten können." Denn während andere Universitäten bereits über die vom DAAD vorausgesetzten etablierten Strukturen verfügen, sind Ximena Meza Correa-Flock und Georgios Sivvas als Mitarbeiter des hiesigen Nachkontaktebüros noch mit dem Aufbau eines Netzwerkes beschäftigt. "Ohne eine feststehende Finanzierung und dem nötigen Personal ist es jedenfalls schwierig, nochmals ein interdisziplinäres Treffen professionell durchzuführen", schildert Ximena Meza Correa-Flock die derzeitige Problematik. Daher ist das erklärte Hauptziel von "Alumni International" die Einrichtung einer entsprechenden Sommerschule, möglichst zum Goldenen Jubiläum der "Brücke" im nächsten Jahr. "Das wäre schon ein Highlight", gibt Joachim Sommer zu, "die Ehemaligen hierher zu holen, nicht nur um gemeinsam unser Jubiläum zu feiern, sondern ihnen auch zwei Wochen Gelegenheit zu geben, sich fachlich fortzubilden und Kontakte zu Fachbereichen und Professoren hinsichtlich einer internationalen Zusammenarbeit herzustellen."

bg