Auf der Suche nach den tödlichen Kombinationen
EU unterstützt virtuelles Institut in der Chemie
Der Fachbereich Chemie/Pharmazie hat wieder einen Erfolg zu verbuchen: Die Europäische Kommission hat beschlossen, das „European Virtual Institute for Speciation Analysis“ – kurz EVISA – an der Universität Münster zu installieren. Damit laufen in Zukunft die Fäden dieses fortschrittlichen Wissenschaftsbereichs der Analytischen Chemie im Institut für Anorganische und Analytische Chemie zusammen. Koordinator ist Dr. Wolfgang Buscher. Mit rund 1,5 Millionen Euro unterstützt die Europäische Union die führenden Wissenschaftler in diesem Forschungsbereich dabei, das „Institut ohne Gebäude“ aufzubauen, dessen virtuelles Portal jetzt gerade fertig gestellt worden ist. Auf der Internet-Seite www.speciation.net befindet sich das EVISA-Portal, das – verglichen mit einem realen Institut – dem Eingangs- und Empfangsbereich entspricht, von wo aus man zu allen Informationen und Angeboten des Instituts gelangt. In den meisten Gesetzen mit Grenzwerten für Schwermetalle oder andere Schadstoffe werden diese Grenzwerte als Gesamtelementkonzentrationen angegeben, weil die Analytische Chemie bis vor kurzem nur Methoden entwickelt und für entsprechende Messungen zur Verfügung gestellt hatte, die eine Bestimmung von Element-Gesamtkonzentrationen ermöglicht. Fataler Weise hängen aber die chemischen, physikalischen und insbesondere die toxikologischen Eigenschaften sehr stark von der chemischen Form ab, in der ein Element vorliegt. So wie die bekannten gefährlichen chemischen Schadstoffe Dioxin oder DDT, können Metalle ebenfalls als organisch gebundene Schadstoffe vorliegen, die unter Umständen extrem toxische Wirkung entfalten können. Quecksilber ist beispielsweise bekannt als sehr giftiges Schwermetall. Liegt es aber als Methylquecksilber vor, dass sich tückischer Weise beispielsweise im Fettgewebe von Fischen anreichert, so ist seine Giftigkeit etwa 10000 mal größer. Verzehrt man also einen Fisch, dessen Gesamtquecksilbergehalt gerade noch oder sogar deutlich unter dem Grenzwert für Quecksilber liegt, dieses aber im Wesentlichen als Methylquecksilber vorliegt, so ist man einem Risiko ausgesetzt, das mit dem ursprünglichen zum Schutz der Verbraucher eingeführten Quecksilber-Grenzwert nichts mehr zu tun hat. Auch Zinn, das normalerweise keine großen Toxizitätspotenziale mit sich bringt, kann zum Beispiel in Form der organischen Verbindung Tributylzinn in geringsten Konzentrationen extreme Schädigungen hervorrufen. Diese vom Menschen „erfundene“ chemische Verbindung wirkt dabei ähnlich wie Medikamente, also nicht akut toxisch, was ihr Gefährdungspotenzial extrem erhöht und schwer einschätzbar macht. Wenn man weiß, dass solche Verbindungen unter anderem zum Schutz von Textilien verwendet werden, wird sehr schnell deutlich, dass eine Einrichtung wie EVISA lange überfällig war und heute mehr denn je dringend dafür gebraucht wird, die modernsten Möglichkeiten der Analytisch-Chemischen Wissenschaften in die entsprechenden industriellen und Laboratoriums-Anwendungen zu transportieren.
Gemäß der Europäischen Kommission sind virtuelle Institute „neue Kompetenzzentren, die durch Verknüpfung von geographisch verstreuter, komplementärer Expertise im Forschungs- und industriellen Sektor mit dem Ziel geschaffen werden, Forschungsergebnisse in reale Anwendungen zu transferieren und implementieren“. Die europaweit führenden Wissenschaftler und hochkarätige industrielle Partner bilden dabei ein Wissensnetzwerk, indem nach Möglichkeit sämtliche Bereiche des betreffenden wissenschaftlichen Spektrums abgedeckt werden sollen.
Zusammen gründet dieses Netzwerk eine geeignete Rechtsform, welche durch kommerzielle Transfer- und andere Aktivitäten eine nachhaltig positive Finanzierungssituation erreichen soll. Ausgangspunkt für diesen innovativen Ansatz war der offenkundige Mangel der europäischen Wissenschaftler, ihre hochkarätigen Forschungsergebnisse in wirtschaftlich verwertbare Produkte umzusetzen.
wb