Noch fehlt bei vielen das Wissen
Studierende können sich nicht mit neuen Abschlüssen anfreunden
![]() |
Noch skeptisch über die neuen Abschlüsse sind die drei Studentinnen Pia, Sandra und Isabella. Foto: Peter Sauer |
Kein Wunder, müssen sich doch die Lehrenden auch erst mal schlau machen, was da im kommenden Wintersemester auf sie zukommt. Deshalb hält Fenna Neuborn von der Fachschaft Erziehungswissenschaft die noch verbleibende Vorbereitungszeit von zehn Monaten für solch eine einschneidende Studienreform einfach für zu kurz. Gerade auch deshalb weil für eine qualitative Umsetzung alle Fachbereiche sehr eng kooperieren müssten. Dazu müssten aber zunächst die bisherigen, teilweise recht großen Kommunikationslücken gestopft werden. Ob das in weniger als einem Jahr zu schaffen ist, hält sie für sehr fraglich. Dennoch bemüht sich die Fachschaft Erziehungswissenschaft um Informationsbrücken, damit die Fachbereiche sich richtig auf die neuen Erfordernisse einstellen können. Dazu gehört es auch, die Studierenden umfassend zu informieren. Doch viele von ihnen, wissen noch gar nicht, was da so alles auf sie zukommt und verwechseln „Bachelor“ auch mal mit der gleichnamigen Kuppel-Show im Fernsehen.
Genau Bescheid wissen jedoch offenbar Johanna und Christine, Archäologinnen im dritten Semester. Sie begrüßen im Schatten des Landesmuseums die neue Studienreform, da durch die neuen Leistungsmodule – nach ihrer Kenntnis – die Qualität der Ausbildung besser werden soll und mehr ausgesiebt wird. Wahrscheinlich dachten da die beiden vor allem an die bislang oft restlos überfüllten Seminarräume. Ganz anders sieht das jedoch zum Beispiel Fenna Neuborn von der Fachschaft Erziehungswissenschaft, die eine Elitenbildung heftig kritisiert. Es sei ohnehin schon sehr grenzwertig, dass künftig im Prinzip jede Leistung, jedes Referat, jede Vorlesung mit Punkten bewertet würden und gerade Erziehungswissenschaftler in der Summe die geforderten Punkte, um sich vom Bachelorstudium für das Masterstudium qualifizieren zu können, nach den bisherigen Vorgaben kaum erreichen könnten. Thomas Miesseler von der Fachschaft Geschichte moniert die mit den neuen Abschlüssen einhergehende starke Tendenz zur Verschulung. Diese fördere nicht gerade jene Selbstständigkeit, die später im Berufsleben gefordert werde. Bachelor und Master verlangen jedoch schon vom Studienablauf her nach einer deutlich verstärkten Begleitung durch die Lehrenden.
Stefanie Schröder vom AStA-Vorstand wirkt zwar ein wenig geknickt, weil das Gesetz bereits „über alle Köpfe hinweg“ beschlossen worden sei, signalisiert auf Nachfrage aber deutlich, dass die Studierendenvertretung alles möglich tun werde, um noch das beste daraus zu machen. Sie erinnert daran, dass auch unter den Professoren Panik herrsche, da diese zur Vorbereitung der neuen Abschlüsse einige Arbeit vor sich haben, die neben der Tagespraxis erledigt werden muss. So gingen Bachelor und Master bereits jetzt schon zu Lasten von Forschung und Lehre. Auch kritisiert der AStA, dass die Wahlfreiheit der Studenten zu sehr eingeschränkt wird, etwa auch durch eine verbindliche Teilnahme an Vorlesungen und das rigide neue Punktesystem.
Thomas Miesseler hätte gerne die Zugangsvoraussetzungen gelockert. Gerade im Fachbereich Geschichte sei geplant, Lern- und Prüfungsmodule nur noch nach Epochenbildungen zuzulassen. Dies grenze den bisherigen Spielraum sehr extrem ein. Hier müsste ebenso nachgebessert werden, wie bei der fehlenden Kompatibilität der neuen Abschlüsse, ergänzt Fenna Neuborn von der Fachschaft Erziehungswissenschaft. Es gebe bei neuen Studiengängen- und Abschlüssen Bachelor und Master deutschlandweit und international noch viele Unterschiede, die eigentlich doch gar nicht im Sinne des Erfinders sein dürften. An den Fachbereichen Biologie und Wirtschaftswissenschaften hat sich das Bachelor-Master-System übrigens in einer Probephase bereits eingebürgert. Auch wenn manche Studierende hier die verkürzte Studienzeit und – vor allem in VWL – die international bekannten Abschlüsse schätzen, mit denen Auslandsaufenthalte einfacher werden sollen, sind einige jedoch skeptisch. Sie denken daran, dass Bachelor und Master bei den Firmenchefs noch nicht den gleichen guten Ruf genießen, wie die alten Abschlüsse. Der 24-jährige Lutz Biermann macht deshalb zum Beispiel erst mal in BWL sein Diplom, weil es einfach doch noch einen höheren Stellenwert in der freien Wirtschaft habe. Ob er dann einen Master anhängt, wird sein Bewerbungserfolg auf dem Stellenmarkt zeigen.
PS
