Vorsichtige Annäherung zwischen den Kulturen

Ethnologie- und Wirtschaftsstudierende arbeiten an gemeinsamen Projekten

Stephan Tietjen und Sarah WesselArbeiten Hand in Hand trotz unterschiedlicher Voraussetzungen: Stefan Tietjen und Sarah Wessel von der Fachschaft Ethnologie bemühen sich um Kontakte zu Betriebswirtschaftlern

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Als Nicola Mackin Ethnologie studierte, mit dem Ziel dieses Wissen später beruflich in der Wirtschaft anzuwenden, sorgte sie unfreiwillig für Probleme mit ihren Kommilitonen. Denn zwischen den Fächern Ethnologie und Wirtschaft liegen Welten voller unfundierter Vorurteile und scharfer Abgrenzungen. Wenn ein Ethnologie-Student sein Wissen der Wirtschaft anbieten will, denken viele seiner Kommilitonen sofort, dass er „seine Seele an den Teufel verkauft“. Dass dies jedoch Humbug ist und Ethnologie und Wirtschaft zusammengehören und der gegenseitige Blick über den Tellerrand für berufliche Perspektiven nur nützlich sein kann, will jetzt die Fachschaft Ethnologie mit dem Projekt "Ethnologie und Wirtschaft" beweisen.

Für Projektleiterin Sarah Wessel geht es zunächst um eine Annäherung von Wirtschafts- und Ethnologiestudierenden, die tradierten Vorurteilen die Luft aus den Segeln nimmt. So betont die engagierte Fachschaftsvertreterin, dass Wirtschaft ein Teil der Kultur ist und sich Ethnologen keineswegs vom ökonomischen Profit instrumentalisieren lassen, wenn sie in der Wirtschaft arbeiten. Energisch fügt sie an, dass selbst die Weltbank in New York bei ihre Kreditvergabe auch kulturelle und soziale Aspekte mit einbezieht und es einige Länder auf der Welt gibt, die sich nicht an Gewinnmaximierungen orientieren, wie beispielsweise Indonesien oder Java. Die Fachschaft Ethnologie will rein in die Köpfe der Studierenden und ihnen verdeutlichen, dass Wirtschaft ebenso wichtig zur Stabilisierung des sozialen Gefüges ist wie die Kultur der Menschen. Es seien auch nicht nur exotische Firmen, die weltweit Ethnologen beschäftigten, sondern auch Konzerne wie "France Telekom". Für ein Unternehmen bietet die Ethnologie die Möglichkeit, andere und neue Perspektiven für ihre Unternehmensprozesse gewinnen zu können und Problemlagen in den Blick zu bekommen, die durch betriebswirtschaftliche Methoden oder interne Betriebsblindheit übersehen werden. Es geht darum, ethnologisches Wissen nutzbringend für wirtschaftliche Prozesse einzusetzen.

Das gilt genauso für Wirtschaftsstudierende, die in den klassischen Ethnologie-Berufen, also in den Medien, Verlagen, Bildungsinstitutionen und Kultureinrichtungen arbeiten und beispielweise durch wirtschaftliches Know-How geisteswissenschaftliche Arbeitsfelder so "updaten", dass es für alle zum Vorteil ist. Die Unternehmensleitungen haben angesichts sich international verändernder Märkte und Gesellschaften bereits die Zeichen der Zeit erkannt und suchen nun nach jungen Hochschulabsolventen, die die Brücke schlagen zwischen Ethnologie und Wirtschaft, da sie ihnen einen echten Mehrwert bieten. Dazu ist es jedoch erforderlich, sein Studium zielgerichteter zu strukturieren, indem man etwa zusätzliche Schlüsselqualifi-kationen erwirbt.

So brauchen die Ethnologen, aus Sicht des Projektteams um Sarah Wessel und Stefan Tietjen, mehr „Hard Skills“, also Kenntnisse über Unternehmensstruktur, Buchhaltung oder Marktanalyse und die Wirtschaftswissenschaftler mehr „Soft Skills“, wie etwa Kenntnisse im Umgang mit anderen Kulturen und Märkten. Mehr Auslandsaufenthalte für die Wirtschaftsstudierenden und mehr Firmenpraktika für die Ethnologen sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit unbedingte Voraussetzung. Die Fachschaft Ethnologie bemüht sich diese wichtigen Kontakte herzustellen, macht aber auch ihrerseits Druck bei den Studenten, dass sie diese wichtigen Chancen vor dem Hintergrund des angespannten Arbeitsmarktes auch tatsächlich ergreifen. Dass die Fachschaftsvertreter mit ihrem Projekt "Ethnologie und Wirtschaft" auf dem richtigen Weg sind, beweisen die seit zwei Jahren überlaufenen „Ethnologie und Praxis“-Seminare und die Projekt-Unterstützung durch Institutsleiter Prof. Josephus Platenkamp.

Übrigens arbeitet die ehemalige Ethnologiestudentin Nicola Mackin mittlerweile sehr erfolgreich bei Daimler-Chrysler. Über ihre Erfahrung berichtet sie am 13. Dezember um 20 Uhr bei der Auftaktveranstaltung des Projektes "Ethnologie und Wirtschaft" in der Stadtbücherei Münster. Weitere Veranstaltungen sind in Vorbereitung. Neben Studierenden und Dozenten beider Fachbereiche werden auch Vertreter der Wirtschaft erwartet.

Bei allen tradierten Vorurteilen zwischen den Fächern Ethnologie und Wirtschaft wiegt eine sichere berufliche Zukunft für jeden Studierenden doch wahrscheinlich mehr, als Standesdünkel um jeden Preis. Außerdem kann man nachhaltige Kulturarbeit nur ermöglichen, wenn man auf beiden Seiten mitdiskutieren kann.
Peter Sauer
Kontakt über: senerah@yahoo.
coms_tietjen01@uni-muenster.de