„An die Hand genommen wird man wohl nicht“

Drei Studierende erzählen von ihren Erwartungen an den Berufseinstieg
Die Uni ist zuende und alles wird wie neu sein? Christian Boeckmann hat drei Studierende kurz vor dem Abschluss nach ihren persönlichen Einschätzungen und Erwartungen gefragt. In der Gesprächsrunde saßen: Tobias, 26 Jahre, Fächer: Philosophie, Sozialwissenschaften und Deutsch auf Lehramt Sekundarstufe I/II. Berufsziel: Klar, Lehrer. Mareike, 24 Jahre, Fächer: Deutsche Philologie, Philosophie und Allgemeine Sprachwissenschaft, Abschlussziel Magister. Berufswunsch: Lektorin in einem Verlag. Felix, 30 Jahre, Fächer: Politikwissenschaft, Geschichte, Philosophie, Abschlussziel ebenfalls Magister. Berufswunsch: Wirtschafts- oder Politikberater.

Wie sehen eure Erwartungen an eure Arbeitsplätze aus?
student_tobias

Tobias, 26 Jahre

Tobias: Eine Erwartungshaltung macht nur dann Sinn, wenn man sich die tatsächlich existierenden Beschränkungen anguckt. Und das hängt im Lehrerberuf von den Kapazitäten ab, um sachgerecht ausgebildet werden zu können. Mein Wunsch wäre natürlich, dass ich an die Hand genommen und durch den Schulalltag geführt werde, langsam hinein in die Praxis, weil die Universität natürlich nicht so praxisbezogen ist, sondern eher auf das Fachwissenschaftliche fokussiert. Das ist etwas, was oft an den Geldmitteln scheitert und auch vielleicht am Engagement an der Schule.

Mareike: Man muss sich darauf einstellen, dass man wahrscheinlich nicht an die Hand genommen, sondern eher ins kalte Wasser geschmissen wird. Stichwort „Praxisschock“. Ich würde mir wünschen, dass es einen Ansprechpartner gibt, aber einfach mal Dinge selbst ausprobieren, ist auch o.k.
Felix: Ich würde mir auch wünschen, dass man gerade am Anfang ein bisschen herangeführt wird an die Arbeit. Ich glaube aber nicht, dass es so stattfindet, sondern, dass zusätzliche Betreuung eher eingespart wird. Letztlich profitiert aber auch der Arbeitgeber davon, wenn er nicht so viele Neueinsteiger rumlaufen hat, die alle nicht wissen, was zu erledigen ist und weit unter ihren Möglichkeiten die erste Zeit arbeiten. Ganz abgesehen von der Freude, die nur entstehen kann, wenn man weiß, woran man arbeitet und ein Feedback bekommt.
Was glaubt Ihr, was für Anforderungen an euch gestellt werden, die sich von denen der Uni unterscheiden?
student_felix

Felix, 30 Jahre


Felix: Ich glaube, dass ein großer Unterschied das termingerechte Arbeiten ist. Bei Magister-Studiengängen ist man sehr frei bei seiner Zeiteinteilung und seinen Möglichkeiten. Das wird sich sehr ändern, der Druck wird sich enorm erhöhen.
Tobias: Was hier an der Uni auf hohem Niveau an Wissensvermittlung durch mich selber in Referaten stattgefunden hat, aber oft von jeder Didaktik abstrahiert, wird später genau anders herum sein: Ich werde fachwissenschaftlich auf einem viel geringeren Niveau arbeiten, didaktisch aber auf wesentlich höherem Niveau, denn ich muss für Aufmerksamkeit sorgen. In der Schule ist das meine Aufgabe und deshalb wird sich die Praxis fundamental von der Uni unterscheiden. Das wird schwierig werden. Wie bekomme ich überhaupt erst mal eine vernünftige Lern- und Arbeitsatmosphäre in eine Klasse? Da ist man wahrscheinlich mehr Dompteur als der große Wissensmultiplikator.

Wie glaubt ihr, wird reagiert, wenn etwas in eurer Verantwortung schief geht?
Studentin Mareike

Mareike, 24 Jahre

Mareike: Man muss damit rechnen, dass das Konsequenzen hat. Und nicht nur die Konsequenz, dass man einen Schein nicht kriegt – wenn das nicht allzu oft passiert, ist das ja kein Weltuntergang. Aber wenn man um seinen Job bangen muss, ist das etwas sehr viel Existenzielleres. Andererseits glaube ich, dass mir der Druck manchmal ein bisschen fehlt in der Uni. Es ist motivierender, wenn man einen Text schreibt und weiß, der wird veröffentlicht und den lesen wirklich viele Leute.

Tobias: Man hat sehr viele Freiräume in der persönlichen Ausgestaltung von Unterricht. Das bedeutet auch, und das ist eine Parallele zur Uni: man muss sehr viel Eigeninitiative zeigen. Aber natürlich ist die Anreizstruktur auch ganz anders vor einer Klasse. In der Klasse hat man irgendwann, wenn die Schüler mal nicht vernünftig schreiben, sich nicht ausdrücken können, die Eltern auf der Matte stehen. Und man hat eine gesellschaftliche Verantwortung in der Position, denn es hat mit der Zukunft von Menschen zu tun. Eine Herausforderung ist auch, dass man in jedem Beruf ganz dynamisch auf Veränderungen reagieren muss. Man muss ein Gespür für Themen haben, wenn man journalistisch arbeitet; ich muss ein Gespür dafür haben, was in Familienstrukturen anders ist, worauf ich dann reagieren muss.

Stellt euch mal folgende Szene vor: 8 Uhr, der erste Arbeitstag beginnt. Was könnte sich da abspielen?

Tobias: Vielleicht im Lehrerzimmer: Der erste Eindruck ist ein Reli-Lehrer mit Hirschhorn-Knöpfen. Das ist der erste Kollegenkontakt ... Ich glaube die Situation im Lehrerzimmer ist eigenartig, das ist ein Mikrokosmos. Ich habe das bei den Lehrer-Fortbildungen auch gemerkt. Und natürlich dann der Kontakt zu einer ganz neuen Spezies, nämlich den Kindern von heute. Das wird mit Sicherheit in den ersten Wochen schwierig sein.

Felix: Wenn der erste Arbeitstag beginnt, könnte man – abgesehen von der fachlichen Orientierungslosigkeit – auch viele Schwierigkeiten dadurch bekommen, dass man in eine bereits bestehende Struktur hinein kommt: Wo also Kollegen sind, Vorgesetzte, wo es eine bestimmte Hauskultur gibt, in die man hineinfinden muss. Dazu gehören, glaube ich, ganz viele kleine Verhaltenscodes, die zu beachten sind.