Gesellschaft lebt durch die Geschichte

Historikerverband wird von Münsteranern geführt
Über das ungebrochene Interesse an Geschichte in der außeruniversitären Welt freut sich Prof. Peter Funke, neu gewählter Vorsitzender des Verbandes der Historikerinnen und Historiker Deutschlands. Doch Sorge bereitet ihm die aktuelle hochschulpolitische Situation in Deutschland: „In der gegenwärtigen Hochschullandschaft haben die Geisteswissenschaften stark zu kämpfen“, sagt der Althistoriker vom Seminar für Alte Geschichte und Institut für Epigraphik der Uni Münster. So sieht er eine Aufgabe der mächtigsten deutschen Historikervereinigung, die über 2000 Mitglieder hat, darin, das Gesamtspektrum des Faches in Deutschland zu erhalten. „Einzelnen historischen Teilbereiche ergeht es in den hochschulpolitischen Strukturdebatten mittlerweile ebenso wie den so genannten ,kleine Fächern’, das gefährdet das Gesamtspektrum der Geschichte“, so Funke. Nicht jede Teildiszilplin könne überall vertreten sein, doch rühre der hervorragende Ruf der deutschen Geschichtswissenschaft in der internationalen Forschungsgemeinschaft nicht zuletzt von der fachlichen Breite, mit der hierzulande geforscht wird. „Dabei ist die Geschichtswissenschaft allerdings nur ein Beispiel für die drohende Verarmung der Hochschullandschaft.“ Wenn jede Universität autonom für sich entscheiden könne, welches Fach erhalten bleiben soll, könne es passieren, dass einzelne Fächer landes- oder sogar bundesweit zur Gänze verschwinden würden.

Der hochschulpolitische Dialog ist für Funke eine der wichtigsten Aufgaben des Historikerverbandes. „Dabei wollen wir nicht um einzelne Stellen kämpfen, sondern den Stellenwert von Geschichte für die Gesellschaft deutlich machen“, so Funke. Unterstützt wird er dabei von seiner Stellvertreterin Prof. Barbara Stollberg-Rilinger vom Historischen Seminar sowie einem rund 15-köpfigen Ausschuss des Historikerverbandes. Zufall sei gewesen, dass zwei Münsteraner beim vergangenen Historikertag in Kiel gewählt worden seien. Verschiedene Epochen des Faches sollten im Vorsitz vertreten sein, ebenso sei die Erfahrung vor allem mit Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wichtig. Die kann sie als Sprecherin des Sonderfoschungsbereiches „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ und als Mitglied des DFG-Senatsausschusses für die Graduiertenkollegs ebenso aufweisen wie Funke, der Vertrauensdozent und Sprecher des Fachkollegiums „Alte Kulturen“ der DFG ist.

Neben der hochschulpolitischen Funktion vertritt der Verband natürlich auch die berufsständischen Interessen seiner Mitglieder. Aber auch der historischen Dimension aktueller politischer Problemlagen will sich der Verband nicht entziehen. „Ein Beispiel dafür ist die gerade jetzt wieder aufgeflammte Diskussion um die Aussöhnung mit Polen, die in Kiel intensiv geführt worden ist“, so Stollberg-Rilinger.

Historikertag mächtiges Instrument

Vor allem der alle zwei Jahre stattfindende Historikertag ist ein mächtiges Instrument. Kaum ein anderes Treffen deutscher Wissenschaftler sorgt für eine derartige Präsenz in den Medien. So überrascht es nicht, dass ein Großteil der Arbeit der Vorsitzenden in Zusammenarbeit mit dem Lokalkomitee darin besteht, ihn vorzubereiten. „Alle zwei Jahre können wir auf dem Historikertag ein Resümee unserer Arbeit ziehen und der Öffentlichkeit den aktuellen Stand der Forschung präsentieren“, erläutert Funke. Weit über den Verband hinaus reicht das Interesse: So waren in Kiel rund 3700 Historiker zusammengekommen, unter ihnen auch viele Geschichtslehrer. Denn nicht nur den Hochschulen, auch den Schulen gilt das Interesse des Historikerverbandes, der beispielsweise bei der Gestaltung von Lehrplänen berät.
bn